Kaiser Augustus - Tyrann oder Friedensbringer?

4 Antworten

Keine der beiden Kennzeichnungen ist eine voll zutreffende Gesamtbeurteilung, weil dabei keine sehr einfache eindeutige Einordnung gut vertretbar ist. Bei einer ausgewogenen Einschätzung sollten alle Gesichtpunkte berücksichtigt werden. Außerdem ist darauf zu achten, auf welche genaue Zeit und welchen Bereich sich eine Aussage bezieht.

Augustus (den Ehrennamen erhielt er erst 27 v. Chr; zunächst hieß er Gaius Octavius; für die Zeit des Aufstiegs wird häufig die Benennung Oktavian/Ocavian gewählt) hat sich im Bürgerkrieg mit wenig rücksichtsvoller Machtpolitik gegen Konkurrenten durchgesetzt. 43 v. Chr. hat er mit Marcus Antonius und Marcus Aemilis Lepidus ein Triumvirat gebildet („tres viri rei publicae constituendae“). In Proskriptionslisten haben sie Gegner geächtet und etwa 300 Senatoren und 2000 Ritter (equites) wurden getötet. Besonders grausam hat Octavian nach der Eroberung der Stadt Perusia gehandelt. Um Gnade Flehenden antworte er, es müsse gestorben werden (Sueton, Divus Augustus 15: „moriendum esse“). 300 bis 400 Senatoren und Ritter sind nach einigen antiken Darstellungen am 15. März 40 v. Chr. am Altar des vergöttlichten Gaius Iulius Caesar wie Opfertiere abgeschlachtet worden.

Nach seinem Sieg im Bürgerkrieg hat er den Bürgerkrieg beendet. Im politischen Zusammenhang gilt als Tyrann meistens jemand, der gewaltsam und unrechtmäßig an die Herrschaft gekommen ist. Augustus hat zumindest seine tatsächliche Alleinherrschaft mit rechtlichen Grundlagen ausgestattet. Die Rücksichtnahme auf die republikanische Verfassungstradition, mit der er dem Senat entgegenkam (offiziell galt die Republik/der Staat als wiederhergestellt [res publica restituta]), war für Augustus wichtig. Er hat für seine tatsächliche Machtstellung rechtliche Formen bevorzugt, die verhältnismäßig gut den Schein wahrten. Die Nobilität, der römische Adel, hatte eine starke gesellschaftliche Stellung und war für Führungsaufgaben im römischen Reich kaum entbehrlich. Augustus wollte seine Mitwirkung. Die Kooperation war besser möglich, wenn die im Senat vorhandene republikanische Tradition nicht allzu offensichtlich verletzt wurde. Cäsars Ermordung war für Augustus ein abschreckendes Beispiel, in den Formen/dem Anschein nicht zu schroff gegen die republikanische Tradition zu verstoßen.

Für Rom, Italien und viele Provinzen brachte die Herrschaft des Augustus längere Zeit andauernden inneren Frieden, Stabilität, mehr Sicherheit und Wohlstand. Augustus hat in seiner Selbstdarstellung Wünsche danach aufgegriffen. Ein Altar des Friedens des Augustus (Ara Pacis Augustae) ist in Rom errichtet worden.

Außenpolitisch war die Pax Augusta wie allgemein die Pax Romana eine Befriedung durch überlegene Macht, die eine Herrschaftsordnung schafft und aufrechterhält. Dies konnte mit Ausdehnung und Angriffskriegen verbunden sein. Die Türen des Janustempels (geöffnet, so lange sich Rom im Krieg befand) geschlossen (erst zum dritten Mal in der römischen Geschichte seit König Numa Pompilius nach Livius, Ab urbe condita 1, 19, 3) wurden in der Herrschaftszeit des Augustus dreimal geschlossen (Res gestae divi Augusti 13; Sueton, Divus Augustus 22). Die meiste Zeit gab es aber an Außengrenzen Krieg, z. B. in Spanien, Illyrien, Dalmatien, Pannonien, dem Alpenraum und Germanien.

In Biographien sind Informationen und Gesamtbeurteilungen nachzulesen:

Jochen Bleicken, Augustus : eine Biographie. Berlin : Alexander Fest Verlag, 1998. ISBN 3-8286-0027-1

Werner Eck, Augustus und seine Zeit. Original-Ausgabe, 5., durchgesehene Auflage. München : Beck, 2009 (Beck'sche Reihe : C.-H.-Beck-Wissen ; 2084). ISBN 978-3-406-41884-6

Dietmar Kienast, Augustus : Prinzeps und Monarch. 4., bibliographisch aktualisierte und um ein Vorwort ergänzte Auflage (Sonderausgabe). Darmstadt : Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 2009 (Wissen verbindet). ISBN 978-3-534-23023-5

Auch Darstellungen zur Kaiserzeit enthalten Hinweise, z. B.:

Karl Christ, Geschichte der römischen Kaiserzeit : Von Augustus bis zu Konstantin. 5., durchgesehene Auflage mit erweiterter und aktualisierter Bibliographie. München : Beck, 2005 (Beck's historische Bibliothek). ISBN 3-406-36316-4

Werner Dahlheim, Geschichte der Römischen Kaiserzeit. 3., überarbeitete und erweiterte Auflage. München : Oldenbourg, 2003 (Oldenbourg Grundriss der Geschichte ; Band 3). ISBN 3-534-14293-4

maestra  19.06.2010, 10:55

Sehr kompetente und ausführliche Antwort!

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Augustus formte, aufbauend auf Caesars Vorarbeit eine neue Herrschaftsform in Rom. Er umging die Republik, und beschnitt damit die Macht und den Einfluss den senatorischen Oberschicht. Zudem hat er sich gegen diverse rivalisierende Heerführer durchsetzen müssen. (Ich weiß, dass das sehr oberflächlich ist) Sein Aufstieg war also geprägt durch den Bürgerkrieg, dem er durch seinen Sieg ein Ende setzte. An die Macht kam er also aufgrund von militärischer Überlegenheit im Krieg.

Heißt, das er war ein Tyrann? Jeder, der an seiner Stelle an die Macht gekommen wäre, hätte ja auf dem gleichen Ursprung aufgebaut.

Als Friedensbringer sieht ihn vor allem der Teil der bis heute erhaltenen senatorischen Geschichtsschreibung. Er brachte in der Tat in pax augusta oder pax romana. Dies ist allerdings als ein bewaffneter Frieder zu verstehen, der auf eben wieder militärischer Überlegenheit basiert. Die Römer waren ihm unendlich dankbar, da durch diesen von ihm garantierten Frieden und sein langes Leben über eine für die Antike außergewöhnlich lange Periode Frieden herrschte. Also eigentlich waren sie ihm nicht dafür dankbar, sondern, Frieden bedeutet, Stabilität und Stabilität heißt wirtschaftlicher Aufschwung. Rom ist in den Jahren seiner Herrschaft steinreich geworden. Und das hat ihm die Römer und die, aus der senatorischen Oberschicht stammenden Geschichtsschreiber entsprechend gedankt.

Er hat den Frieden gebracht, von dem auch Karl der Große, Napoleon, Wilhelm II. und ein Gefreiter H. aus B. in Ö. geträumt haben. Frieden unter seiner Ägide. Das macht nicht alle gleich, aber Du siehst wie schwierig nach diesem Vergleich die Frage des Friedensbringers ist...

Wie immer ist die Antwort darauf ambivalent. Bedenke, daß Augustus ein Mann seiner Zeit war. Werte und Ansichten unterliegen einem ständigen Wandel. In 2000 Jahren wird unser heutiges Handeln auch anders bewertet. Es kommt immer auf den Kontext der Zeit an. Vor 200 Jahren hat jeder geglaubt, Troja wäre ein schönes Märchen; bis Schliemann seinen Spaten in kleinasiatische Erde stieß.

Er war selbstverständlich beides.

(Potentielle) Gegner auszuschalten, gehörte damals sozusagen zum politischen Stil.

Dennoch ist er als einer in die Geschichte eingegangen, der Roms Macht gefestigt hat, und den Bürgern Wohlstand und Frieden schenkte. Paradigmatisch dafür steht sein Ausspruch: "Eine Stadt aus Ziegeln habe ich vorgefunden, eine Stadt aus Marmor lasse ich zurück" (oder so ähnlich).