Ist man krank wenn man ein Auto mit einem Menschenleben vergleicht?

Das Ergebnis basiert auf 28 Abstimmungen

Normal 54%
Krank 46%

11 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet
Normal

Ich hatte sehr lang einen metallic-grünen Mercedes C180, den ich mir mit Anfang 20 gebraucht gekauft habe - den bin ich bis Dezember 2022 gefahren, der hatte 287.000 Kilometer hinter sich. War ein gutes und dankbares Auto, ich habe mich jedoch ohne Schmerz getrennt. Davor habe ich aber oft dran gedacht, dass eine lange und gute Aera endet, wenn ich dieses Auto mal hergebe - auch weil im menschlichen Sinn viel dran geklebt hat, viel passiert in den Jahren und der Mercedes eine von wenigen Konstanten war.

Als ich ihn dann abgemeldet hatte und klar war, dass er zwei Tage später abgeholt und verkauft wird, spürte ich komischerweise gar kein Gefühl in mir - es war total neutral; neu war nur, dass ich nicht mehr in den grünen C180 stieg, sondern in einen neuen silbernen E200 (ein tolles Auto übrigens). Mein Satz war dann auch, mitnehmen kann man nichts und das Leben geht weiter, auch wenn ich jetzt ein anderes Auto fahre.

Ich kann aber verstehen, dass ein Fahrzeug einem ans Herz wächst, wobei es dann oft weniger das Fahrzeug ist, sondern das, was man emotional damit verbindet und die Zeit, die man damit verbrachte und in der das alles geschah. Das ist normal - problematisch wird es nur, wenn es obsessiv wird und man sich über das Auto definiert. Ich hatte einen Kollegen, der 30 Jahre lang (von 1988 bis 2018) einen neu gekauften Opel Ascona fuhr, diesen Ascona als Freund ansah und sich über diesen mehr oder weniger auch definiert hatte - vieles in seinem Leben drehte sich um den Ascona. Er hat jeden Montag erzählt, was er am Wochenende mit dem Ascona unternommen hat. Als der Ascona weg war, fiel er in ein solches Loch, dass er sogar eine Therapie absolvieren musste. Er ging nicht mehr zur Musikprobe, nicht mehr zum Tennis, er saß nur noch zuhause herum. Er war erst dann wieder glücklich, als er sich irgendwo im Ruhrgebiet den typgleichen Ascona, den er 30 Jahre lang gefahren hatte, als sehr gepflegtes Stück von einem Rentner gekauft hat - das war frappierend: Kaum saß er wieder in einem weißen Opel Ascona 1.6i "Touring", war er wieder ganz der Alte, konnte wieder lachen und sich freuen.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung
Normal

Hi Poppedelfoppe, 🙂

ich kann das sehr gut nachvollziehen: Man ist an das Auto jahrelang gewöhnt und entwickelt zu ihm eine Art freundschaftlicher Gefühle.

Bei uns gab es auch schon mindestens ein Auto, von dem mir der Abschied schwer gefallen ist: Es war das erste neue Auto, das mein Mann und ich zusammen gekauft haben, ein schöner roter VW Golf. Ich war damals Ende 20. Davor hatte mein Mann schon zwei gebrauchte Autos aus der Verwandtschaft übernommen: einen uralten Renault und einen VW Polo, der war schon okay, aber unser neuer Golf war das erste richtig schöne Auto. Leider wollte ihn mein Mann nach 5 Jahren gegen einen VW Touran eintauschen. Wir hatten inzwischen zwei Kinder und brauchten immer mehr Platz. Es war kaum möglich, mit Baby, Kleinkind, Gepäck für 4 (einschließlich Windeln) und vielen Lebensmitteln auf unsere Hütte zu fahren. Der Touran war bequemer, aber er war nicht mehr so unkompliziert wie der Golf, es traten viele Fehler auf. Wir hatten mit unserem Golf einfach nie Ärger gehabt! Das waren 5 sehr sorglose Jahre mit einem Auto und das ist viel Wert!

Liebe Grüße von tanzella 🙂🌷

Krank

Der Mensch neigt nun mal dazu, eine Beziehung zu etwas aufzubauen. Da kann es schon mal vorkommen. Normal ist es deshalb trotzdem nicht.

Man sollte stets trennen können zwischen einem (Gebrauchs-)Gegenstand und einem Menschen.

Tomatenveteran  16.06.2023, 10:38

Wieso nur zwischen einem Menschen? Gibt es keine anderen Lebewesen?

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Desparativum  16.06.2023, 11:09
@Tomatenveteran
Wieso nur zwischen einem Menschen?

Fragestellung nach dem Schema:

Mensch zu (Gebrauchs-)Gegenstand

Gibt es keine anderen Lebewesen?

In Bezug auf die Fragestellung und meine Antwort sind diese zu vernachlässigen.

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Normal

Ich finde es normal und kann es nachvollziehen. Wenn es dich solange begleitet hat und du dich so sehr daran gewöhnt hast ist das meines Erachtens völlig normal.

Mir geht das mit anderen Dingen genau so, nur ist da das Problem dass diese Dinge anderen Leuten gehören die sie meiner Meinung nach nicht richtig wertschätzen und ich kann gegen die drohende Zerstörung dieser Dinge leider nichts unternehmen. Ist absolut kein schönes Gefühl wenn man da so macht- und hilflos ist.

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung
Krank

Natürlich können einem Autos oder auch andere Sachen sehr am Herzen hängen aber ich würde es niemals mit einem Menschenleben vergleichen.