Ist eine subjektive Wahrheit/Realität, wirklich eine Wahrheit, wenn man sie nicht belegen kann?

9 Antworten

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Wahrheit ist ein philosophischer Grundbegriff. Wenn nach der Bedeutung oder dem Inhalt Begriffs gefragt wird, besteht eine Grundlage darin, von einem gewissen noch nicht sehr scharfen Vorverständnis des Gemeinten auszugehen. Beim Begriff Wahrheit ist eine Gültigkeit ein durchgehender Inhalt.

Wahrheit steht im Mittelpunkt der Erkenntnistheorie, aber Wahrheit ist auch in allen anderen Bereichen wichtig. Denn es geht um den Anspruch, ob etwas zutrifft, richtig ist und gilt oder nicht. Ebenso stellt sich die Frage, ob Menschen sie überhaupt erreichen können und auf welche Weise. Wahrheit ist das, was zutrifft. Sie ist das Gültige und Richtige. Sie steht in Gegensatz zu Falschheit, Täuschung, Lüge, Irrtum. Wahrheit erhebt einen Geltungsanspruch.

Es gibt verschiedene Wahrheitstheorien mit vielfältigen philosophischen Ansätzen. Bei der Erörterung können grundlegende Standpunkte nach verschiedenen Gesichtspunkten eingeteilt werden.

Bedeutung/Substanzhaftigkeit des Wahrheitsbegriffes: Für manche Richtungen ist Wahrheit ein Begriff mit hoher Bedeutung, für andere Richtungen ein nebensächlicher Begriff und das einzige Problem dabei der Nachweis der Nichtexistenz eines philosophischen Problems der Wahrheit.

Definierbarkeit: Manche sind der Auffassung, Wahrheit lasse sich definieren, das heißt auf andere Begriffe zurückführen. Andere meinen, sie sei fundamental (grundlegend) und lasse sich nicht definieren.

Realitätsgehalt der Wahrheit: Ein Wahrheitsrealismus vertritt die Überzeugung, zu einem wahren Satz gebe es einen bestimmten Sachverhalt unabhängig von jedem Bewußtsein (also nicht nur subjektiv, sondern auch objektiv), der zu diesem Satz in einer bestimmten Beziehung steht. Eine andere Theorie bestreitet dies und nimmt nur vom Bewußtsein abhängige (subjektive), nicht-realistische Sachverhalte an (ein Beispiel ist die Weltanschauung der radikalen Konstruktivismus).

Definition und Kriterien der Wahrheit: Wahrheit ist eine Beziehung zwischen Gegenständen einer Vorstellung/einer Aussage/eines Urteils und von dem Verhältnis der in der Aussage enthaltenen Gegenstände in der Wirklichkeit (dem Sachverhalt) abhängig. Einige besonders wichtige grundsätzliche Ansätze (im Einzelnen könnten noch feinere Verzweigungen untersucht werden) sind:

a) Korrespondenztheorie (ich persönlich neige ihr zu):

Wahrheit ist die Übereinstimmung von einer Vorstellung/einer Aussage/einem Urteil über einen Sachverhalt und dem Sachverhalt selbst. Klassisch ist die lateinische Formulierung „Veritas est adaequatio rei et intellectus“ (Wahrheit ist die Angleichung (Übereinstimmung) von Sache/Gegenstand und Geist/Verstand). Mit dem Begriff „wahr“ wird etwas in Bezug zueinander gesetzt. Die Übereinstimmung kann auf verschiedene Art ausgedrückt werden: Denken und Sein, Behauptung (Satz; Proposition) und Tatsache, Sprache und Welt, subjektives Bewußtsein und objektiver Gegenstand. Verschiedene Maßstäbe können als Begründung für Wahrheit verwendet werden. Besonders anerkannt sind Klarheit, Evidenz (Offensichtlichkeit) und Köhärenz.

b) Kohärenztheorie (kann eigenständig auftreten oder Teilbestandteil eines anderen Ansatzes ein):

Entscheidend ist die Schlüssigkeit. Wahr ist das, was widerspruchsfrei einzuordnen und abzuleiten ist, eine umfassende Erklärung gibt (alles von Belang ist berücksichtigt) und auf logisch einwandfreie Weise zusammenhängt.

c) pragmatische Theorie der Wahrheit:

Wahr ist, was sich in der Praxis bewährt. Eine Theorie gilt, solange sie uns nützt und solange sie nicht widerlegt ist. Was funktioniert, gilt (vorläufig) als wahr.

d) Konsenstheorie:

Wahr ist eine Aussage, die Anerkennung von vernünftigen Wesen verdient und über die in einem idealen Gespräch (Diskurs) Übereinstimmung (Konsens) hergestellt werden kann.

Eine Schwierigkeit ist die eindeutige Feststellung der Wahrheit. Dabei kann die menschliche Erkenntnisfähigkeit auf Grenzen stoßen. Wenn bestimmte Axiome und Definitionen gelten, ergeben sich zwingend bestimmte Schlüsse und Ergebnisse (Logik und Mathematik sind Bereiche, in denen dies deutlich auftritt). Es zeigen sich unhintergehbare Denknotwendigkeiten. Eine grundlegende ist der Satz vom Widerspruch: Unmöglich kommt dasselbe demselben in derselben Hinsicht zugleich zu und kommt ihm nicht zu. Menschen können über Erfahrung (Wahrnehmung und Erinnerung) und Denkvermögen der Wahrheit näherkommen, aber sie haben als unvollkommene Wesen Beschränkungen und eine unbegrenzte objektive Wahrheit ist ihnen nicht zugänglich.

Mit einer subjektiven Wahrheit kann Wahrhaftigkeit/Aufrichtigkeit gemeint sein. Dann ist das, was ausgesagt wird, das, was jemand tatsächlich sieht/meint/empfindet. Ich halte eine subjektive Wahrheit für einen Wahrheitsbegriff in einer uneigentlichen Ableitung. Eine intersubjketive umfassende wirkliche Wahrheit ist eine subjektive Wahrheit nicht. Mesnchen können sich nicht völlig frei von ihrer Subjektivität machen, indem sie diese auslöschen und ohne sie wahrnehmen und denken. Dies schließt aber nicht aus, auf die eigenen Erkenntnisbedingungen (zu denen gehört, die eines Subjkets zu sein) zu reflektieren und sich um sachliche Kriterien zu bemühen.

Meinungen und Vorstellungen können gesellschaftlich geprägt und kulturell unterschiedlich sein. Verschiedene „Wahrheiten“ (im Sinn von mehr als subjektives Dafürhalten) sind der Sache nach nicht möglich, weil sich dies widerspricht. Gewisse Schankungen des als wahr Geltenden sind unter den genannten Ansätzen bei der pragmatischen Wahrheitstheorie und bei der Konsenstheorie grundsätzlich denkbar.

Beim Versuch, etwas zu erfassen und an andere zu vermitteln, sind mehrere Voraussetzungen zu erfüllen, die alle Hürden darstellen: Existenz der Sache, Erkennbarkeit, Mitteilbarkeit. Ein volles Wissen sollte etwas, das für wahr gehalten wird, auch auf irgendeine für vernunftbegabte Wesen nachvollziehbare Weise belegen können (geistig Rechenschaft geben). Nur dann handelt es sich wirklich um Erkenntnis. Eine Wahrheit bleibt unabhängig, ob jemand die Aufgabe des Belegens leisten kann oder nicht, eine Wahrheit. Auswirkungen kann das Scheitern beim Versuch des Belegens allerdings auf Versuche haben, andere davon zu überzeugen. Bei einer objektiven Wahrheit hat jemand eine richtige Meinung, aber noch keine volle Erkenntnis. Bei einer „subjektiven Wahrheit“ liegt das Problem des Übermittelns vor.

wotan38  10.02.2018, 12:14

Das Wort Wahrheit ist zwar in der Frage vorgegeben, sollte zum besseren Verständnis durch Wirklichkeit ersetzt werden. Denn nur diese steht in besserem Zusammenhang zum philosophisch Objektivem. Wahrheit gibt es auch im philosophisch Subjektivem. Dies soll aber keine Kritik an diesem ausgezeichneten Beitrag sein.

1

Die wirkliche Wahrheit kann man erst kennenlernen und wahrnehmen, wenn man etwas erlebt hat, das Jesus als "2. Geburt" bezeichnet hat und Johannes der Täufer "Taufe durch den Geist" genannt hat. Es ist die ein realer Vorgang, den die indische Tradition "Selbstverwirklichung"nennt. Diese Vorgang schafft eine Verbindung zwischen dem menschlichen Bewusstsein und dem Höchsten Absoluten Bewusstsein, das sich ab diesem Zeitpunkt in dem Wesen desjenigen nach und nach etablieren kann.

Antwort:

Die absolute Wahrheit ist mit Gott identisch – wer könnte sie also begreifen? (medial von Engel Emanuel Bd.2: 165)

Meine Meinung:

Hätte ich die Möglichkeit, alle 7 Milliarden Mit-Pilgerseelen auf dieser Erde diese Frage zu stellen, bekäme ich 7 Milliarden mal eine andere Antwort. Dieses Axiom gilt insbesondere dann, wenn es um weltanschauliche oder religiöse Frage geht. Daher ist es müßig, die Wahrheit unter den Meinungen und Ansichten der Menschen zu suchen – mich selbst natürlich eingeschlossen. Man muß sie im Jenseits, in Gottnähe suchen! Als gruppenorientiertes Wesen hält der Mensch zunächst einmal das für „wahr“, was auch viele Zeitgenossen in seiner Umgebung für wahr halten; ferner auch das, was tagtäglich von den manipulierenden Massenmedien (Fernsehen, Rundfunk, Zeitungen) als angebliche Wahrheit verkauft wird.

Aber: „Die Welt ist an der Wahrheit nicht interessiert“ stellte bereits in den 1970er Jahren der Erkenntnistheoretiker Thorwald Dethlefsen sehr treffend fest.

Und aus dem Jenseits wissen wir: „Es ist zu allen Zeiten das Los der Wahrheit gewesen, als Unwahrheit und Torheit angesehen zu werden, während andererseits offenkundige Unwahrheiten in den Jenseitsanschauungen gedankenlos als Wahrheit hingenommen, allgemein gepredigt und zu Glaubensbekenntnissen erhoben werden".

Christus selbst diktierte seinem Medium JAKOB LORBER: „Die ewige göttliche Wahrheit wird stets nur verdeckt gegeben; denn offen würden die Menschen sie ebensowenig ertragen wie das Licht der Mittagsonne mit offenen Augen. Die Menschen müssen denken lernen, dann suchen und selbst finden."

gottesanbeterin  28.08.2010, 21:36

Das Denken ist keine Hilfe auf dem Weg zur Wahrheit, es ist ein Hindernis.

0
r14v8  29.08.2010, 11:56
@gottesanbeterin

Seh ich anders, es kann ein Hindernis sein, doch ist es auch eine Hilfe

0

Was die erkenntnistheoretische Seite der Frage angeht, hat Albrecht die Sache sehr erschöpfend beantwortet und dafür DH.

Doch wie die Frage gestellt ist, ist sie sehr vielschichtig. Begriffe wie "vorgelebt bekomme" oder "bewerten" reichen ins Reich der Normen, Werte und Glaubenseinstellungen. Das bröselt sich auf bis zu politischen Machtfragen. Hier kann ich nur empfehlen, sich den "Kategorischen Imperativ" von E.Kant auf der Zunge zergehen zu lassen („Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zugleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde."), der trotz seiner neutral erscheinenden Nüchternheit ein "Sollens-Satz" ist. Mit diesem Imperativ (Beurteilungsgrundvorrichtung) in der Tasche, kann man dann alle täglichen Handlungsfragen und Wertungen abklopfen. Da hat man richtig was zu tun.

"Ein Mensch liest einen Dichter und sagt: „Der trifft’s aber ganz genau.“ Ein anderer Mensch hört dies, ist vom Gegenteil überzeugt und fängt an, Einwände zu erheben. Der erste will auf seinen Lieblingsdichter nichts kommen lassen und verteidigt sich wie folgt: „Für mich gilt das, was dieser Dichter geschrieben hat. Mag sein, dass es für dich nicht gilt. Das ist aber egal. Es gibt viele Dichter, und darunter ist sicher einer, der dir gefällt. Meinen Dichter brauchst du ja nicht zu lesen. So verstehe ich überhaupt nicht, warum du an meinem Dichter herumnörgelst.“

Ein Fall, wie aus dem Leben gegriffen. Aber unser Mensch macht einen Fehler. Einen Fehler, der sich erkenntnistheoretisch des Ehrentitels „subjektive Wahrheit“ erfreut. Sein Fehler besteht darin, dass er nicht wahrhaben will, dass die Gültigkeit eines Gedankens ohne Ansehen der Person besteht oder nicht besteht. Ein erster Hinweis: Sonst wäre doch der andere gar nicht auf die Idee gekommen, einen Disput anzufangen. Und was bedenklich ist: Der Fehler macht ihm gar nichts aus, er will ihn gerne machen."

Mehr dazu in diesem Artikel:
http://www.wissenschaftskritik.de/subjektive-wahrheit/