Ist die Interpretation gelungen?

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Der ernste Blick ist der damaligen Fototechnik geschuldet. Da die Filme noch nicht so empfindlich waren, wie die Modernen und auch die Kameras weniger lichtstark, mußte die Belichtungszeit in den Bereich von Sekunden verlängert werden. Dabei still zu halten funktioniert am besten mit ernster Miene.

Da Familienfotos recht teuer waren und als Statussymbol an die Wand gehängt wurden, zog man sich so edel, wie der Besitz es erlaubte, an. Das war die "Sonntags-Ausgehkleidung". Im Alltag und bei der Arbeit wurde deutlich einfachere und oft reparierte Kleidung getragen.

Eine Kinderschar, wie die Orgelpfeifen, zeigt, daß es damals noch keine Verhütung außer der Enthaltsamkeit gab. Viele Kinder waren zum Einen nötig, weil immer mal Eines an Krankheit oder Unfall sterben konnte. Meine Mutter hatte ihre jüngere Schwester durch Krankheit vor der Zeit der Antibiotika verloren. Kinder waren eine willkommene Hilfe im Alltag und recht jung auch bei der Arbeit. Sie mußten aber auch vom oft kargen Lohn durchgefüttert werden.

Die Farbfotografie kam erst deutlich später auf. Dafür halten SW-Bilder auf Silberbromid-Papier fast ewig, weil der Farbstoff (feinste Silberpartikel) nicht verbleichen, wie organische Farbstoffe. Da man kaum ausreichendes Licht für kürzere Belichtungszeit hatte mußte die Blende so weit odden sein, daß der Hintergrund unscharf wird. Man könnte (außerhalb des Bildes) noch Reflektoren aufgestellt haben, um die Szene besser mit Tageslicht ausleiúchten zu können. Das halte ich aber eher für unwahrscheinlich, da der Aufwand dazu recht groß ist. Ich vermute, daß der Fotograf (damals Photograph) zu einem Gottesdienst angereist war, bei dem mehrere Kinder getauft worden sind.

Vermutlich ist der ältere Mann ein Großvater der Kinder. Mehrgenerationenhaushalte waren damals eher die Regel als die Ausnahme. Das Bild könnte anläßlich der Taufe des Babys aufgenommen worden sein, daher das auffällig weiße Kleid.