Interpretationsideen zum Gedicht: Ganz vergebliches Gelächter von Erich Kästner?


27.04.2023, 14:14

Das Gedicht:

1.[Eines Tages fällt ihm plötzlich auf,

dass er schon seit langem nicht mehr lachte.

Und nun prüft er seinen Lebenslauf,

was er denn inzwischen machte...

2.Manchmal, weiß er noch, war alles Sünde.

Manchmal hat er wie ein Vieh geflucht.

Manchmal suchte er für alles Gründe,

wie man Kragenknöpfe sucht.

3.Doch nun will er lustig sein und lachen!

Früher hat er das ganz gut gebracht.

Und er wird es jetzt wie früher machen,

und er stellt sich hin und lacht.

4.Ach, es ist ein schreckliches Gelächter!

Er erschrickt und wird schnell wieder stumm.

Warum, fragt er sich, klang es nicht echter?

Und er weiß es nicht, warum.

5.Und er geht dorthin, wo viele sitzen,

weil er hofft, er würde dann wie sie.

Und sie freuen sich an tausend Witzen.

Nur er selber lächelt nie.

6.Er beschließt, sich einmal zu vergeuden.

Doch da spürt er, angesichts der Stadt,

dass er mit der Freude und den Freuden

so etwas wie Mitleid hat.

7.Dieser falsche Hochmut drückt ihn nieder,

und er sagt zu seiner Seele: Prost!

Nicht mehr froh zu sein und noch nicht wieder-

dafür weiß er keinen Trost.

8.Schließlich springt er auf den Autobus

und fährt blindlings in die späte Nacht.

Und er ahnt, dass er noch warten muss,

bis er ganz von selber wieder lacht ...]

1 Antwort

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

Es geht doch offensichtlich um zwei Probleme, einmal um natürlich keit und einmal um Fröhlichkeit. Hier versuchte jemand ein Defizit, was er bei sich spürt, künstlich, mit Anstrengung, rational zu fühlen. Das gelingt aber nicht. Schließlich sieht er ein, dass etwas zulassen muss, mehr locker werden. Das Besondere an diesem Gedicht ist, dass es keinen Hinweis darauf gibt, wie das geschehen kann. Vielleicht passt der folgende Satz auf dieses Gedicht und diesen Menschen: Einsicht ist der erste Weg zur Besserung. Nur fehlt eben der Hinweis auf den nächsten Schritt, der wird nur angedeutet, er soll Geduld haben. Er soll schauen, dass er wieder mehr einfach Mensch wird. Ein bisschen erinnert mich der Fall an das Thema schlafen. Wer merkt, dass er nicht mehr schlafen kann, hat ein Problem. Das kann er nicht dadurch lösen, dass er jetzt unbedingt schlafen will. Er muss sein Leben ändern, so dass er schlafen kann. Soweit Meine ersten Gedanken dazu, schön ungeordnet, aber vielleicht hilfreich.

gutifragerno  27.04.2023, 15:30

Und der Bezug zur neuen Sachlichkeit könnte darin bestehen, dass dieses Gedicht eben einfach nüchtern beschreibt, was geschieht. Ohne wie im Expressionismus grelle Bilder zu malen oder wie im Idealismus moralische Lehren zu verbreiten.

0