Homoiologie?

2 Antworten

Moin,

mit Homoiologie bezeichnet man eine „Mischform” aus Homologie und Analogie.

Homologe Strukturen gehen auf gemeinsame Erbinformationen zurück und sind deshalb geeignet, Verwandtschaft zu belegen.
Analoge Strukturen zeigen dagegen nur, dass vergleichbare Umweltbedingungen zu ähnlichen Lösungen in der Ausgestaltung führ(t)en. Sie belegen also keine (unmittelbare) Verwandtschaft.

Nun gibt es aber Strukturen, die einerseits homologe Anteile, andererseits analoge Anteile besitzen. Und genau die bezeichnet man dann als Homoiologie (= Parallelentwicklung).

Zwei Beispiele:

Sehr bekannt (und an dieser Stelle wird das immer genannt) ist der Flügel eines Vogels und der Flügel von Fledertieren (Fledermäusen und Flughunden). Beide Strukturen gehen (homolog) auf die Vorderextremität von landlebenden Wirbeltieren („Reptilien”) zurück. Somit haben beide Flügel die gleichen Knochen als Stützstruktur. Dies zeigt an, dass Vögel und Fledertiere in gewisser Weise miteinander verwandt sind. Und tatsächlich sind beides Wirbeltiere...
Aber diese Verwandtschaft ist nicht besonders nahe. Der Flügel von Vögeln entwickelte sich aus der Vorderextremität eines dinosaurierartigen „Reptils”, während sich der Flügel von Fledertieren aus der Vorderextremität eines völlig anderen „Reptils” (diesmal eines säugerartigen) entwickelte. Fledertiere gehören also zur Klasse der Säugetiere, während Vögel zur Klasse der Vögel gehören. Darum ist die Ausbildung der Vorderextremität zu einem Flügel an sich KEIN Indiz für eine nähere Verwandtschaft, sondern erfolgte parallel (analog) im Hinblick auf den Lebensraum Luft, in dem geflogen wird.
Und tatsächlich unterscheiden sich die Flügel von Vögeln und Fledertieren in Details dann auch beträchtlich voneinander.

Weniger bekannt ist dagegen ein anderes Beispiel, nämlich das der Fangbeine verschiedener Insekten.
Die Gottesanbeterin (Mantis) hat ein erstes Beinpaar, das als Fangbeine ausgebildet ist. Die Beine werden in Ruhe eingeklappt an einem verlängerten ersten Brustsegment (Prothorax) vor dem Körper getragen. Sie bestehen wie die Beine aller Insekten aus fünf Teilen: Hüfte, Schenkelring, Schenkel, Schiene und (mehrgliedriger) Fuß. Der Schenkel und die Schiene sind dornenbesetzt und wie eine Zange gegeneinander klappbar. Das ganze Bein kann blitzschnell nach vorne ausgeklappt werden, um dann Beutetiere zu ergreifen und zwischen Schenkel und Schiene einzuklemmen. Danach wird die Beute, die nicht entfliehen kann, gefressen.

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Die Fanghafte (Mantispidae) hat im Grunde genau die gleich aussehende und benutzbare Struktur bei ihrem ersten Beinpaar. Auch dieses Beinpaar bildet Fangbeine. Auch sie bestehen aus den fünf Teilen Hüfte, Schenkelring, Schenkel, Schiene und (mehrgliedriger) Fuß. Auch diese Fangbeine werden vor dem Körper an einem verlängerten ersten Brustsegment (Prothorax) getragen und funktionieren wie bei einer Gottesanbeterin.

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Aber bedeutet das, dass diese beiden Insekten (deshalb) nahe miteinander verwandt sind?
Ja und nein. Natürlich geht der identische Aufbau des Beins (fünf Teile) auf eine gemeinsame Erbinformation zurück. Insofern sind beides Insekten und als solche miteinander verwandt.
Aber die konkrete Ausgestaltung der Vorderbeine als Fangbeine zeigt KEINE nähere Verwandtschaft der beiden Insekten zueinander an, sondern beruht auf einer Analogie (Parallelentwicklung aufgrund ähnlicher Lebensweise und Umweltbedingungen). Die Ähnlichkeit ist hier so groß, dass man sogar von einer Konvergenz sprechen kann.
Woher weiß man das, dass die beiden Tiere zwar grundsätzlich, aber nicht nahe miteinander verwandt sind? - Nun, die Gottesanbeterin gehört zu den hemimetabolen Insekten (Halbverwandler). Das heißt, dass bei ihr aus Eiern kleine Larven schlüpfen, die im Grunde schon wie die ausgewachsenen Tiere aussehen, nur dass sie noch keine Flügel haben und noch nicht geschlechtsreif sind. Nach mehreren Häutungen entwickeln sich die Larven über Nymphenstadien (mit Flügelanlagen) schließlich zum geschlechtsreifen Vollinsekt (zur Imago).
Ganz anders bei der Fanghaften: Sie gehört zu den Holometabola (Vollverwandler), das heißt, dass sie zwar auch als Larve aus einem Ei schlüpft, aber diese Larve sieht überhaupt nicht so aus wie das spätere Vollinsekt, sondern lebt (in diesem Fall) als Parasitoid an anderen Gliedertieren (Bienen, Spinnen...). Nach Häutungen ändert sich die Gestalt noch einmal, bevor das Tier zu einer Puppe wird. Nach der Puppenruhe, in der es im Inneren zu einer dramatischen Umgestaltung des Körpers kommt (Metamorphose) schlüpft dann aus der Puppe die geschlechtsreife Imago.

Aufgrund der völlig verschiedenen Entwicklungen sind die Fanghaften (sie gehören zu den Netzflüglern) näher mit Käfern, Bienen oder Schmetterlingen als mit der Gottesanbeterin verwandt, die ihrerseits näher mit den Schaben oder Termiten verwandt ist.

Die Fangbeine der Gottesanbeterin und der Fanghaften zeigen also folgendes: homologer Bau, also sind beides Insekten (und somit entfernt miteinander verwandt). Funktion als Fangbein: analoge (konvergente) Entwicklung, die keinerlei nähere Verwandtschaft anzeigt, sondern auf eine gleiche Lebensweise in einer vergleichbaren Umwelt beruht.
Da sowohl ein gewisser homologer Anteil, aber eben auch eine Analogie bei dieser Struktur vorliegt, spricht man von einer Homoiologie (eben einer Mischform aus Homologie und Analogie), verstehst du?!

Ich hoffe, der Begriff ist jetzt klarer geworden.

LG von der Waterkant

 - (Biologie, Klausur, Evolution)  - (Biologie, Klausur, Evolution)

Homologie ist ein bisschen wie ein Spiel, bei dem wir Dinge finden, die ähnlich aussehen, aber nicht unbedingt gleich sind. Wenn zwei Dinge ähnlich aussehen, sagen wir, dass sie "homolog" sind.

Stell dir vor, du hast zwei Hände. Sie sehen auf den ersten Blick gleich aus, aber wenn du genau hinschaust, merkst du vielleicht, dass die eine Hand etwas größer oder die Finger etwas länger sind als die andere Hand. Trotzdem sehen sie insgesamt ähnlich genug aus, dass wir sagen können, dass sie homolog sind.

In der Biologie sprechen wir oft über homologe Körperteile von verschiedenen Tieren. Zum Beispiel haben Menschen, Hunde und Pferde alle Beine, aber sie haben unterschiedliche Anzahlen von Zehen und verschiedene Größen und Formen der Knochen. Trotzdem sind ihre Beine homologe Körperteile, weil sie alle denselben Zweck erfüllen und auf ähnliche Weise aufgebaut sind.

Beritan657 
Fragesteller
 21.02.2023, 00:52

Heyy echt vielen Dank aber homologie und Analogie verstehe ich aber ich meinte die Homoiologie

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SoIid  21.02.2023, 00:58
@SoIid

Homoiologie bedeutet einfach, dass manchmal verschiedene Tiere ähnlich aussehen, obwohl sie nicht wirklich miteinander verwandt sind. Das passiert, weil sie in derselben Umgebung leben und sich deshalb ähnlich entwickeln.

Zum Beispiel haben Vögel und Fledermäuse Flügel, um zu fliegen. Aber ihre Flügel sind sehr unterschiedlich aufgebaut, weil sie von verschiedenen Tieren stammen. Trotzdem sehen sie ähnlich aus, weil sie dieselbe Aufgabe erfüllen, nämlich das Fliegen.

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