Hallo, man sagt ja oft das sartre komplett andere Ansichten als camus hatte, doch worin unterschiedet sich ihre denkweise? Es waren doch beide Existentialiste?
Existentialisten*
2 Antworten
Der Unterschied zwischen Camus und Sartre liegt nicht in der Politik. Sartre war kein "glühender Kommunist war, der die stalinistischen Verbrechen nicht zur Kenntnis nahm". Sartre schrieb schon 1950 zusammen mit Merleau-Ponty einen Text, in dem sie den Gulag kritisierten und festhielten, dass es angesichts der Tatsache, dass fünf Prozent der Bevölkerung im Lager sei, in der Sowjetunion keinen Sozialismus gäbe.
Der wesentliche Unterschied zwischen Camus und Sartre war, dass ersterer verlangte, dass sich die Politik an gewisse ethische Grenzen halten müsste, während Sartre der Ansicht war, dass jeder, der sich mit Politik beschäftige, früher oder später schmutzige Hände bekomme. Frage: Darf in der Politik Gewalt angewendet werden? Ist die Französische Revolution zu verurteilen? Durften die Anhänger Résistance Anschläge auf deutsche Soldaten ausführen, obwohl sie wussten, dass die Deutschen sich mit der zehnfachen Anzahl an Opfern unter Unschuldigen rächen würden? Sollen wir die Ukrainer unterstützen im Wissen, dass der Krieg länger dauern und mehr Opfer an Unschuldigen fordern wird? Sartre, Beauvoir und Camus behandelten diese Frage in ihrern Werken: Camus in Die Gerechten (1949), Beauvoir in Die unnützen Mäuler (1945), Sartre in Die schmutzigen Hände (1948) und Der Teufel und der liebe Gott (1951). Weil Camus gegen den Tod Unschuldiger Stellung bezog, warf ihm Sartre in seiner Antwort 1952 Geschichtsvergessenheit vor. Für Sartre war die Geschichte eine Geschichte der Gewalt. Ob die Gewalt gerechtfertigt ist, ist nach ihm im Einzelfall zu entscheiden.
Was das Verhältnis zu den Kommunisten anbetrifft, so hat sich Sartre nicht gescheut, sich in den Augen der bürgerlichen Kräfte die Hände schmutzig zu machen, wenn es seinen Zielen entsprach. 1951 unterstützte er einen kommunistischen Matrosen, der gegen den Indochinakrieg demonstrierte und dafür zu 5 Jahren Haft verurteilt wurde. 1954-56 und 1962-66 arbeitete er mit jenen Sowjetkommunisten zusammen, die das Tauwetter in der Sowjetunion unterstützten. Er brach aber mit den Kommunisten1956 bei der Niederschlagung des Ungarnaufstands und 1966/68, als Schriftsteller als Dissidente verhaftet und der Prager Frühling mit Waffengewalt beendet wurde. Ähnliches gilt für seine Zusammenarbeit mit der algerischen Befreiungsbewegung und mit Castros Kuba. Seine Zusammenarbeit mit der Gauche Prolétarienne in den 70ern beendete er, weil sie zu diktatorisch war und der Frauen- und Schwulenfrage nicht eine dem Klassenkampf gleichberechtigte Bedeutung zusprechen wollte.
Siehe auch www.sartre.ch und als PDF http://docs.sartre.ch/Sartre-SSSR.pdf
Hallo Laura004x!
Die Hauptunterschiede liegen in der politischen Position. Während Sartre ein glühender Kommunist war, der die stalinistischen Verbrechen nicht zur Kenntnis nahm bzw. verteidigte, hat sich Camus in Fragen des politischen Systems eher zurückgehalten. Ihm ging es mehr darum, eine persönliche Haltung zum Leben zu finden.
Gruß Friedemann