Gründe für: Faszination Mathematik?

4 Antworten

Vom Beitragsersteller als hilfreich ausgezeichnet

Hallo, diese Antwort wird etwas länger.

Also, ich studiere Mathematik. Ich bin derzeit im dritten Semester. Ich kann mich an keinen Moment in meinem Leben erinnern, an dem ich die Mathematik nicht faszinierend fand.

Es ging bei mir bereits im Kindergarten los. Dort hatte ich eine kindliche Faszination einerseits für Formen und Winkel, andererseits für große Zahlen. Ich habe unsere Erzieherin einmal von "1000" sprechen hören und habe ihr nicht geglaubt, dass es eine so große Zahl wirklich gibt. Also habe ich mich die restliche Zeit dieses Tages damit beschäftigt, zu zählen. Immer weiter, bis 1000. Obwohl ich mich erinnere, dass ich damals noch nicht das Konzept von "Zwischenzahlen" kannte. Für mich gab es 1-10, 20, 30, 40, ..., 100, 200, 300, ..., 1000. Die Zahlen dazwischen kannte ich nur begrenzt und habe sie meistens übersprungen.

Dann kam ich in die Grundschule. Dort ging es mir in der Mathematik immer zu langsam. Ich wollte gerne endlich mit negativen Zahlen rechnen, und multiplizieren, aber meine Klassenkameraden waren noch zurück und konnten meist nur halbwegs addieren. Dort wurde ich auch schon ein paar Mal der "Rechenmeister" und habe an meinen ersten Matheolympiaden und Känguruwettberwerben teilgenommen. Was genau mich damals daran faszineirt hat? Ich weiß es nicht. Es war wahrscheinlich einfach nur eine Sache: Ich konnte es gut, es fiel mir leicht, also mochte ich es.

Ein großer Einfluss war zu der Zeit meine Oma, die selber Mathematik- und Physiklehrerin ist, und mir schon früh mittels Sudokus und Knobelaufgaben den Spaß am Denken, Rechnen und logischem Verknüpfen gezeigt hat.

Dann kam ich ins Gymnasium. Zu Beginn war ich in der Mathematik immer der Beste, wenn auch nie ein Einserschüler (wir waren als Klasse generell in der Mathematik eher unterdurchschnittlich) da ich viele Schusselfehler gemacht habe, nie gelernt habe und das ganze nicht ganz ernst nahm, weil ich es ja eben so konnte.

Ein Wendepunkt kam mit einer neuen Mathematiklehrerin, die gerade frisch aus dem Studium kam und mit uns zum ersten Mal den Thaleskreis + Satz des Thales besprochen hat. Da kam mir plötzlich eine wichtige Frage in den Kopf. "Warum ist das so?". Während es für meine Mitschüler nur eine weitere Sache zum Auswendiglernen war, ging ich zu der Lehrerin und habe sie konkret gefragt, *warum* dieser Satz gilt. Sie hat mir den sehr einfachen und schönen Beweis gezeigt. Es war der erste richtige mathematische Beweis, den ich kannte.

Seitdem hat sich meine Herangehensweise an die Mathematik nochmal grundlegend geändert. Mich interessiert das stumpfe Rechnen nicht mehr. Stattdessen habe ich meine Liebe zur Knobelei von da an immer mit der Frage "warum?" verknüpft. Von da an habe ich alles, was wir im Matheunterricht gemacht haben, hinterfragt und so lange darüber nachgedacht, bis ich mir sicher war, dass ich beweisen kann, warum das gilt, was wir da tun (damals war ich natürlich oft noch sehr ungenau). Dadurch konnte ich einfach ein objektiv deutlich überlegeneres Verständnis für die Zusammenhänge in der Schulmathematik als meine Mitschüler aufbauen und seitdem habe ich auch hauptsächlich Einsen geschrieben.

Das ging so weit, dass ich mir autonom die ganzen folgenden Themen in der Schulmathematik beigebracht habe, sodass ich quasi, mit ein paar Ausnahmen, den Abiturstoff bereits in Klasse 10 verinnerlicht hatte. Spätestens da wusste ich auch, dass bei mir eine glückliche und erfüllte Zukunft nur funktioniert, wenn ich sie der Mathematik widme.

Dann habe ich mein Mathematikabitur geschrieben, und so einen Abiturpreis für Mathematik bekommen. In der 11.&12. Klasse habe ich teilweise durch verschiedene Lehrer eine Extraförderung bekommen und Zusatzaufgaben mit Bezug zum Unistoff.

Was mich bis heute ärgert: Ich habe die mathematischen Wettbewerbe nie ernst genug genommen. So kam ich zwar mehrmals in die zweite Runde im Bundeswettbewerb Mathematik und wurde mehrmals 1. bei der Mathematikolympiade im Landkreis, bin aber nie in die höheren Runden weitergegangen.

Aber nun studiere ich, zwei Semester habe ich bereits um, das dritte läuft seit drei Tagen wieder. Es ist toll. Es macht Spaß und wenn ich an die Dinge denke, die ich lernen werde, bekomme ich ein Kribbeln im Bauch, wahrscheinlich das, was andere spüren, wenn sie verliebt sind. Es ist einfach nur schön.

Mir gefällt der logische Aufbau von Grund auf. Man kann alles beweisen, alles ist logisch, alles ist schön. Das Knobeln ist super. Es macht Spaß, den einfachsten und schönsten Beweis zu jagen. Es ist einerseits eine Form von Kunst, auf einer anderen Seite eine Sprache, auf wieder einer anderen Seite eine Möglichkeit, unsere Naturgesetze zu formulieren und mit ihnen zu hantieren.

Die Mathematik ist die Brücke zwischen unseren Gedanken und den weiten des Universums.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Ich studiere Mathematik im vierten Semester.

In der Mathematik gibt es kein Rumlabern und sich Rausreden. Wenn etwas bewiesen ist, dann ist es bewiesen, dann kann man nicht sagen: Aber in gewisser Weise ist es doch falsch.

Wie schön man aus wenigen Grundannahmen logisch stringent du sehr vielen wahren Aussagen kommen kann nur durch Definitionen, Lemmata und Sätze.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Lehramtstudium Mathematik / Physik und Tutor

Das einzige was mich manchmal fasziniert ist es, wenn ich zum richtigen Ergebnis komme, mit dem richtigen Rechenweg. 😅