Gleichgewicht oder nur langsame Reaktion?

2 Antworten

Wenn Du ein System beobachtest und feststellst, daß sich makroskopisch nichts tut (also alle Konzentrationen bleiben über eine bestimmte Zeitspanne konstant), dann weißt Du nicht, ob das System im Gleichgewicht ist oder einfach nur seeeeeh laaang­sam reagiert. Es gibt ja kein Naturgesetz, daß einem System eine Zeitgrenze setzt, bis daß es im Gleichgewicht ist. Das kann länger dauern, als das Universum alt ist.

Beispiel: Zucker (und so gut wie alle anderen organischen Verbindungen) plus Luft sollten zu CO₂ und H₂O reagieren, tun das aber unmerklich langsam. Klar kannst Du Aktivierungsenergie zuführen, aber dann kann alles Mögliche passieren. Zucker wür­de z.B. zuerst karamelisieren bevor er Feuer fängt. Und selbst dann weißt Du nicht a priori, ob das Gleichgewicht auch bei Raumtemperatur bei den Verbrennungsproduk­ten liegt oder erst bei hoher Temperatur.

Oft kann man aber über Umwege herausfinden, ob das Gleichgewicht erreicht ist, z.B. indem man ΔG bestimmt. Auch mit Isotopenaustausch kann man manchmal erken­nen, ob sich in dem System überhaupt irgendetwas tut oder ob es einfach kinetisch eingefroren ist.

Die allermeisten chemischen Systeme sind nicht im Gleichgewicht. Du kannst ja alle möglichen Reaktionen aufschreiben, z.B. die Hexamerisierung von Formaldehyd zu Glucose:

6 CH₂O ⟶ C₆H₁₂O₆

Diese Reaktion läuft niemals ab, trotzdem muß das Gleichgewicht notwendigerweise auf irgendeiner Seite liegen (man kann ja ein ΔG für die Reaktion angeben). Daraus folgt zwingend, daß eine wäßrige Formaldehydlösung und eine wäßrige Glucose­lösung nicht beide im Gleichgewicht sein können; wenigstens eines der beiden hat einen Re­ak­­tionskanal, über den es sein ΔG erniedrigen kann. Vermutlich sogar beide.

In der Praxis ist das aber ziemlich egal. Man kann mit beiden Lösungen irgendeine Reaktion durchführen und deren Gleichgewichtseinstellung abwarten. Niemand sagt, daß das das Endgleichgewicht sein muß, das prinzipiell nicht mehr weiterreagieren kann; es reicht, zu wissen, daß unter den gegebenen Reaktionsbedingungen alle wei­ter­füh­renden Gleich­gewichte keine Rolle spielen.

Würde es einen universellen Katalysator geben, der alle Gleichgewichte rasch ein­stellt, dann wäre das die schlimmste denkbare Massenvernichtungswaffe. Kaum ein Molekül würde überleben.

Man kann aus der Reaktion eine Probe nehmen und dann gucken wie die Verteilung zwischen den Edukten/Produkten ist.

Wenn man dies dann über einen längeren Zeitraum macht, kann man sehen ob sich das Verhältnis ändert (Reaktion geht weiter) oder konstant bleibt (Gleichgewicht).