Gibts zu wenig IT ler oder wachsen die Berufe in dem Bereich einfach zu schnell?

6 Antworten

Das eine bedingt das andere.

Außerdem ist die Aussage zu generell, da "IT" vieles sein kann.

Das (Informatik-)Studium ist ein Engpass. Es gibt insbesondere zu wenig studierte Informatiker, insbesondere mit Masterabschluss. Es gibt eher nicht zu wenige Fachinformatiker, nicht zu wenig Frontend- / Webentwickler und vermutlich (da bin ich mir allerdings nicht sicher) auch nicht zu wenige Systemelektroniker. Man kann aber auch nicht einfach "die Anforderungen herunterschrauben" und stattdessen diese einstellen, weil die Qualifikationen und damit die Arbeiten, die ausgeführt werden können, eben nicht äquivalent sind.

Dass es zu wenig (studierte) Informatiker gibt, liegt vor allem daran, dass die Ausbildungszeiten so lang und die Anforderungen so hoch sind. Das tut sich kaum jemand an, außer es ist wirklich genau sein Ding, was aber nunmal auch eher selten ist.

Außerdem hat die Informatik als Disziplin meines Erachtens die Besonderheit, dass man viele Vorkenntnisse benötigt, um im Studium nicht komplett abgehängt zu werden. Leute, die mit der Einstellung: "Ich habe Abitur und verbringe viel Zeit am Computer." - Ins Informatikstudium gehen, haben keine Chance.

Dass man programmieren kann, ist sozusagen "Grundvoraussetzung" für das Studium. Das lernt man dort auch nicht innerhalb des ersten Semesters, weil die Zeit dafür auch schlicht nicht reicht. Im Studium geht es dementsprechend auch nicht (in erster Linie) ums Programmieren. Das wird (weitestgehend) vorausgesetzt und dann an der Theorie gearbeitet.

Ich kenne kaum ein anderes Studium, in dem in diesem Umfang Vorkenntnisse vorausgesetzt werden, die man definitiv nicht im davor liegenden Bildungsweg erlernt. Das macht es sehr schwer, in diesen Bereich "einzusteigen". Man muss gewissermaßen vorher bereits viel "von sich aus" investieren, in seiner Freizeit, etc., um überhaupt eine Chance zu haben, das Studium zu bestehen.

Dazu kommt, dass es im IT-Bereich extrem viele Spezialisierungen gibt, wie z. B. Frontend / Backend, (Betriebs-)Systementwicklung, Webentwicklung, Anwendungsentwicklung (mit jeweils wieder unzähligen verschiedenen Fachdomänen), Netzwerkadministration, IT-Sicherheit, etc.

Manche Unternehmen stellen recht "breit" ein und arbeiten die Leute dann im jeweiligen Bereich ein, andere Unternehmen haben sehr konkrete Vorstellungen, setzen sehr selektiv bestimmte Qualifikationen und auch Vorkenntnisse in der Arbeit mit einem ganz speziellen System oder voraus oder verlangen, dass man Erfahrung in einer ganz bestimmten Kombination von Programmiersprachen nachweisen kann. Da wird es dann aber natürlich schwierig, "geeignete" Bewerber zu finden, sodass nach einer Weile dann letztlich doch "breiter" gesucht / eingestellt wird.

In welchem Ausmaß heute IT-ler fehlen zeigt recht gut (wenn auch nur beispielhaft für ein Bundesland) folgende Meldung:

Aktuell fehlen in Baden-Württemberg etwa 3.000 IT-Fachkräfte, bis 2030 verdoppelt sich diese Zahl auf 6.700 fehlende IT-Fachkräfte.
Das ist das Ergebnis einer Studie des Wirtschaftsforschungsinstituts WifOR, die Ende 2017 in der Fachkräfteallianz Baden-Württemberg unter Leitung von Wirtschafts- und Arbeitsministerin Nicole Hoffmeister-Kraut vorgestellt wurde.

Quelle: https://www.baden-wuerttemberg.de/de/service/presse/pressemitteilung/pid/studie-zum-kuenftigen-bedarf-an-it-fachkraeften-vorgestellt/

Also mein empfinden ist das super viele Jobs entweder langweilige Code Monkey Jobs sind oder hohe Anforderungen haben und auch einiges an Erfahrung voraussetzen.

Daher kann es sogar als ITler manchmal gar nicht so einfach sein einen guten Job zu finden. Es ist manchmal auch schwer die Stellenanzeigen zu entziffern, einige Firmen wollen eine IT Abteilung in einer Person zum Preis eines Praktikanten. Welche Skills die wirklich benötigen und welche nur die Stellenausschreibung ausschmücken weil sich irgendjemand mal gedacht hat, das wäre cool wenn wir das mal machen wollen weiß man oft nicht.

Insbesondere wenn man sich in eine andere Richtung orientieren will ist es nicht immer einfach.

Aus meiner Sicht hat die Branche das Problem, dass IT-Berufe bevorzugt studiert werden wollen. Es wirkt fast schon wie ein Gesetz, ein Studium in diesem Bereich ergreifen zu müssen. Die klassische duale Ausbildung wirkt dagegen eher unattraktiv.

Im Moment sitzen tausende Studenten in den Unis, die nach ihrem Studium als Informatiker arbeiten wollen. Ein weiteres Problem ist, dass die Abbrecherquote in IT-Studiengängen sehr hoch ist. Ein großer Teil dieser Studenten wird voerst also gar nicht Fuß fassen können in dieser Branche.

Weiter ist es nicht selbstverständlich, dass alle Bewerberinnen und Bewerber so selbstreflektiert sind und sich richtig einschätzen. Zu hohe Gehaltserwartungen, Überschätzung des eigenen Skill-Sets usw.

Du wirst auch in der IT-Branche nicht Fuß fassen, wenn du so viel Charisma wie ein Stück Holz hast. Diese Berufe basieren auf Teamwork, ja zumindest auf Umgang mit Kunden.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Abgeschlossene IT-Ausbildung

BeamerBen  14.12.2021, 12:25
Weiter ist es nicht selbstverständlich, dass alle Bewerberinnen und Bewerber so selbstreflektiert sind und sich richtig einschätzen. Zu hohe Gehaltserwartungen, Überschätzung des eigenen Skill-Sets usw.

Firmen leiden selber oft an fehlender Selbsteinschätzung. Die meisten Firmen die sich über fehlende Fachkräfte beschweren sind weder bereit junge ITler mit Potenzial vernünftig auszubilden oder Leuten die schon die Fähigkeiten besitzen entsprechende Konditionen zu bieten. Sich geil fühlen reicht eben nicht um Fachkräfte anzulocken und dann auch zu halten.

Das es Idioten gibt die sich komplett Überschätzen hat man ja in jeder Branche, viele haben aber auch einfach Probleme sich selber einzuschätzen insbesondere bei so manchen absurden Vorstellungen seitens der Firmen. Da gibt es auch Menschen die sich unterschätzen.

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NoHumanBeing  14.12.2021, 16:54
Aus meiner Sicht hat die Branche das Problem, dass IT-Berufe bevorzugt studiert werden wollen. Es wirkt fast schon wie ein Gesetz, ein Studium in diesem Bereich ergreifen zu müssen. Die klassische duale Ausbildung wirkt dagegen eher unattraktiv.

Das hat durchaus seinen Grund.

Ich habe sowohl die klassische duale Berufsausbildung zum Fachinformatiker Fachrichtung Anwendungsentwicklung, als auch einen Master in Informatik, von daher kann ich diese zwei Ausbildungswege vergleichen.

Die duale Berufsausbildung dauert nach dem Abitur zwei Jahre, weil man häufig verkürzen kann. Während dieser Zeit ist man hauptsächlich eine billige Arbeitskraft in einem Unternehmen (Ausbildungsbetrieb) und lernt eben das, was das Unternehmen "zufällig" gerade macht. Berufsschule und Abschlussprüfung sind, wenn man bereits das Abitur in der Tasche hat, gelinde gesagt keine wirkliche Herausforderung. Letztlich ist man für zwei (oder drei) Jahre eine billige Arbeitskraft in einem Unternehmen und kann dann von sich behaupten, man sei "ausgebildet".

Im Studium hingegen geht es im Grunde ausschließlich ums Lernen. Man hört ein paar Dutzend Vorlesungen, hat Übungen, die man zu Hause oder teilweise in Laboren (in denen man oft bis in die Nacht sitzt) absolvieren muss, kann sich später Spezialisierungen heraussuchen. Man hat Bachelor- und Masterstudium, die man an der selben Hochschule absolvieren kann, aber nicht muss. Das "eigentliche" Informatikstudium ist zudem oft nur das "Grundgerüst". Oft muss man zusätzliche "Vertiefungsmodule" belegen und noch ein (oft naturwissenschaftliches) Nebenfach studieren, was das Studium dann entsprechend verlängert.

Weder von der Intensität, noch von der zeitlichen Dauer her, kann man das vergleichen. Meine Berufsausbildung hat zwei Jahre gedauert und man arbeitet eben in Vollzeit, aber reißt sich jetzt kein Bein aus, sage ich mal. Mein Studium bis zum Master, inklusive Hochschulwechsel und naturwissenschaftlichem Nebenfach, hat insgesamt 18 Semester gedauert, also neun Jahre. "Offiziell" sind es natürlich zehn Semester Regelstudienzeit, also fünf Jahre, aber viele Unis "mogeln" da eben noch unzählige weitere Dinge rein, was dann recht schnell eskaliert, und man kann ja auch leicht an einen achtsemestrigen Bachelor einen viersemestrigen Master dranhängen, wenn man die Hochschule wechselt. Auch dass Abschlussarbeiten "gestreckt" werden, ist nicht gerade selten, wenn der Prof gerne länger einen HiWi hätte. Die Abschlussarbeit wird dann natürlich erst später angemeldet, weil das Prüfungsbüro durchaus auf die Fristen achtet, aber so kann man eben auch schnell drei Semester mit der Abschlussarbeit verbringen anstatt wie vorgesehen eins. Bei anderen Modulen ist es ähnlich. Die Unis werden da teilweise echt kreativ, beispielsweise indem einfach mal "unterschlagen" wird, dass es ja vorlesungsfreie Zeiten gibt. Dann sagt die Uni: "Ja Vollzeit bedeutet 'im Mittel 40 Stunden pro Woche'. Wenn aber 1 / 3 des Semesters vorlesungsfrei ist, dann sind's in den übrigen 2 / 3 eben 60 Stunden pro Woche." - Mit solchen "Tricks" wird da gearbeitet. Trotz dieser Argumentation auf der einen Seite, finden dann aber auch während der vorlesungsfreien Zeit beispielsweise Klausuren oder Seminare statt - heißt ja schließlich vorlesungsfreie Zeit. Und schwupps, schon hat man den Gesamtaufwand tatsächlich um 1 / 3 gesteigert.

Aus diesem Grund ist die Regelstudienzeit letztlich oft Makulatur, was zur Folge hat, dass das Studium tatsächlich unweigerlich viel länger dauert, als die Regelstudienzeit erahnen lässt. (Und selbst die wäre ja schon deutlich länger, als die Dauer einer "klassischen" Berufsausbildung.) Und während der meisten Zeit ist im Studium eben tatsächlich "die Hütte am brennen". Man hat wirklich viel Stress, auch nach den Vorlesungen noch, lernt aber auch entsprechend viel.

Meines Erachtens ist es schon richtig so, dass Leuten, die sich da "durchgebissen" haben, auch entsprechend andere Möglichkeiten offenstehen. Das "anzugleichen" ergibt auch keinen Sinn. Da liegen wirklich Welten zwischen, hinsichtlich des Aufwands, den man treiben musste, aber auch bezüglich der Fachkenntnisse und nicht zuletzt auch "soft skills" (im Studium z. B. Zeitmanagement, unter ständigem Termindruck arbeiten zu können, etc.), die man erworben hat und auch der Tätigkeiten, die man anschließend ausführen kann.

Man entwickelt sich im Studium auch persönlich weiter. Viele ziehen für ihr Studium in eine andere Stadt, führen zum ersten Mal ihren eigenen Haushalt, müssen neben dem Studium noch ihren Lebensunterhalt bestreiten. Daran wächst man, unweigerlich. Dass all dies gewürdigt wird und neue Möglichkeiten eröffnet, finde ich nur fair.

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Eigentlich gibt es genug ITler in der Branche, jedoch sind die Gehaltsvorstellungen der Interessenten abweichend von den der Anbietenden. Zusätzlich dazu werden von den meisten HR Abteilungen absurde Anforderungen gestellt, obwohl dies im Unternehmen überhaupt nicht benötigt wird.