Geschichte: Karikaturanalyse?

2 Antworten

Die Überlegungen zur Interpretation der Karikatur sind richtig.

Die Bildüberschrift heißt: Reveil du Tiers Etat („Erwachen des Dritten Standes“)

In der Bildmitte, im Vodergrund, sind drei Männer dargestellt. Zwei stehen, der dritte liegt am Boden.

Diese Männer sind als Angehörige der drei verschiedenen Stände gedacht.

Vorne rechts ist ein Mann am Boden und hat sich aus liegender Position leicht erhoben. Der Kleidung nach (Hemd und Kniehose gelblich, rote Jacke, weiße Strümpfe, schwarze Schuhe, großer schwarzer Hut mit farbigem Abzeichen – rot und blau, zwei der drei Farben Blau, Weiß und Rot, die später zu den Farben der französischen Nationalflagge geworden sind [Rot und Blau sind im Wappen der Stadt Paris enthalten]) handelt es sich um jemand aus dem Bürgertum, dargestellt ist ein Vertreter des Dritten Standes (französisch: Tiers Etat). Seine Miene sieht nach erlittenen Qualen aus und wirkt verärgert und grimmig. In der rechten Hand hält er eine Kette, die er anscheinend gerade zerbrochen/zerrissen/gesprengt hat. Vor ihm liegen mehrere Waffen (nicht alle sehr deutlich zu erkennen; anscheinend unter anderem Gewehre, eine Pistole, Schwerter, ein Säbel). Er greift mit seiner linken Hand nach einem Gewehr und sein Blick richtet sich auf es

Vorne links stehen zwei Männer, die erschrocken/schockiert zu ihm schauen. Der linke von ihnen mit vornehmerer Kleidung (feines weißes Hemd, blaue Jacke mit roter Borte, weiße Kniehose und Seidenstrümpfe, großer schwarzer Hut) und einem Degen an der linken Seite sieht aus wie jemand aus dem Adel (französisch: noblesse), dem Zweiten Stand, der rechte von ihnen in einem langen Priestergewand (Soutane) wie jemand aus dem Klerus (französisch: clergé), dem Ersten Stand (auch das rechteckige schwarz-weiße Leinenstück [Beffchen] und das Scheitelkäppchen gehören zur Amtstracht von Geistlichen). Die beiden starren entsetzt mit weit offen stehendem Mund. Sie zeigen Überraschung und Furcht. Ihre Hände sind wie in beschwörender Abwehr erhoben. Sie scheinen zurückzuweichen, Abstand halten zu wollen, fluchtbereit.

Im Hintergrund auf der rechten Seite ist ein großes hohes Gebäude zu sehen, mit Türmen und Zinnen daran (stellt offenbar die Bastille dar). Oben bei den Zinnen scheinen Personen tätig zu sein, hinten links scheinen Steinstücke vom Gebäude herabzufallen (anscheinend wird etwas zerstört). Daneben steht in Uniformen eine Truppe Bewaffneter in geordneten Reihen. Zwei lange Stangen oder Spieße ragen hervor, auf denen anscheinend Köpfe stecken.

Am 14. Juli 1789 hat es in Paris den Sturm auf die Bastille gegeben. Am 16. Juli 1789 hat ihr Abriss begonnen.

Die Karikatur bezieht sich offenbar auf diese Ereignisse und stammt wahrscheinlich aus zeitlicher Nähe zu den Ereignissen.

Die Bildüberschrift enthält einen Satz, der offenbar als Aussage des Mannes des Dritten Standes zu verstehen ist:

„Ma feinte, il étoit tens que je me réveillisse, car l'opression de mes fers me donnions le cochemar un peu trop fort.“ („Meine Güte, es war Zeit, dass ich erwache, denn die Bedrückung meiner Eisenfesseln hat mir ein wenig allzu starke Alpträume gegeben.“)

In der Karikatur werden die Ereignisse der ausgebrochenen Französischen Revolution als ein Erwachen des Dritten Standes dargestellt: Er kommt zu Wachheit und aufmerksamen politischen Bewusstsein, wird tätig, hat begonnen, sich aus Unterdrückung zu befreien und sich zu erheben, ist bereit, sich mit Waffen zu wehren und gegen die priviligierten oberen Stände zu wenden, wenn diese an ihren Privilegien (Vorrechten) und einer das Volk niederhaltenden Macht festhalten wollen. Bei Adel und Klerus ruft dies Erschrecken hervor.

Die drei Figuren entsprechen den drei Ständen in der feudalen Ständegesellschaft: einmal dem Adel (in der Karikatur links mit blauem Mantel), den Geistlichen (links in schwarzer Kutte) und dem Bürgertum respektive den Soldaten (rechts im rot-gelben Zwirn).

Beide wollen dem Soldaten am Boden nicht helfen und stehen unbeholfen neben ihm, was sich gleichermaßen in die angesprochene Ständekonstellation übersetzt.

Es sind nur Männer zu sehen, da die damalige Zeit hochgradig patriarchalisch war.