Farbigkeit von Stoffen in Zusammenhang mit ihrer Struktur?

3 Antworten

Moin,

grundsätzlich hat Farbigkeit bei Stoffen mit den Elektronen zu tun. Vereinfacht kannst du sagen, dass Elektronen von elektromagnetischer Strahlung angeregt werden können. Damit meint man, dass die Elektronen bestimmte Portionen der Lichtenergie (Quanten) absorbieren können. Die aufgenommene Energie führt dazu, dass die Elektronen in energetisch höher liegende Orbitale "springen". Durch diese Quantensprünge verliert die elektromagnetische Strahlung natürlich den Teil ihrer Energie, den die Elektronen aufgenommen haben. Wenn die Wellenlängen der absorbierten elektromagnetischen Strahlung im Bereich zwischen 400 und 780 nm liegt, ist das genau der Bereich des Spektrums, das unsere Augen als Licht sehen können. Dann erscheint uns etwas als farbig. Doch damit haben wir noch nichts über die Struktur der farbigen Stoffe erfahren...

Aber jetzt musst du verschiedene Fälle unterscheiden.

Wenn einzelne Atome (oder Ionen) Energie absorbieren (zum Beispiel in Form von Wärme) und dadurch ihre Elektronen in weiter außen liegende Atomorbitale springen, entstehen angeregte Atome (oder Ionen). Dieser Zustand ist energetisch nicht so günstig wie der sogenannte Grundzustand. Deshalb kehren die angeregten Elektronen in ihre ursprüngliche Position zurück. Dabei geben sie die zuvor aufgenommene Energiemenge wieder ab. Aber diesmal nicht in Form von Wärme, sondern in Form von Licht. Bei manchen dieser Atome (oder Ionen) können wir dieses emittierte Licht direkt sehen. So entsteht zum Beispiel die Flammenfärbung mit bestimmten Ionen wie Natrium, Kupfer usw. Hier ist dann der strukturelle Zusammenhang, dass die Atome (oder Ionen), die eine solche Färbung zeigen, einen Abstand bei ihren Atomorbitalen besitzen, der zufällig genau so groß ist, dass die Elektronen, die Quantensprünge ausführen, im für uns sichtbaren Bereich des Spektrums elektromagnetische Strahlung emittieren.

Ansonsten gibt es noch die sogenannten Farbmittel. Darunter versteht man Stoffe, die uns generell farbig erscheinen. Hier unterscheidet man zum Beispiel Farbstoffe von Farbpigmenten.

Farbpigmente sind auf jeden Fall unlösliche Stoffe. Ihre Farbigkeit beruht darauf, dass hier Elektronen in vorhandene, aber ungenutzte Orbitale springen können. Das gilt zum Beispiel für Komplexionen, in denen freie d-Orbitale zur Verfügung stehen. In einem Ligandenfeld spalten solche Orbitale auf. Auch hier werden aus elektromagnetischer Strahlung im sichtbaren Bereich des Spektrums bestimmte Wellenlängen absorbiert. Der Rest wird reflektiert oder gestreut. Je nachdem, was vorliegt, entstehen verschiedene Effekte. Es kommt zu Farbigkeit durch Reflexion oder Remission. Strukturelle Einflüsse sind jedoch nicht nur die Aufspaltung im Ligandenfeld, sondern auch Festkörpereigenschaften wie Kristalltyp, Modifikation oder Teilchengröße.

Ich glaube, dass sich deine Aufgabe aber eher auf die letzte Form von Farbmitteln bezieht, nämlich auf die sogenannten Farbstoffe. Das sind zunächst einmal farbige Stoffe, die löslich sind. Sie besitzen stets einen Molekülteil, der in der Lage ist, Wellenlängen aus dem sichtbaren Bereich elektromagnetischer Strahlung zu absorbieren. Das ermöglichen vor allem Elektronen von Doppelbindungen, weil sie viel leichter anregbar sind als Elektronen aus Einfachbindungen. Der Molekülteil, der anregbare Doppelbindungselektronen (pi-Elektronen) besitzt, wird Chromophor genannt. Grundsätzlich gilt, dass ein Chromophor im längerwelligen Bereich absorbiert, je ausgedehnter das pi-Elektronensystem ist. Ausgedehnte pi-Elektronensysteme sind solche, die

  • erstens konjugierte Doppelbindungen besitzen (regelmäßiger Wechsel zwischen Doppel- und Einfachbindungen),
  • zweitens eine ausgedehnte planare Molekülstruktur besitzen,
  • so dass drittens eine große Delokalisation der pi-Elektronen resultiert, was die Anregbarkeit der Elektronen sehr erhöht.
  • Viertens sind die Kohlenstoffatome (sofern sie das Chromophor bilden) alle sp2-hybridisiert sind.

Neben dem Chromophor spielen aber auch Substituenten am Chromophor eine sehr wichtige Rolle. Dabei unterscheidet man sogenannte Auxochrome von Antiauxochromen. Auxochrome zeichnen sich dadurch aus, dass sie freie Elektronenpaare besitzen, die sie dem chromophoren pi-Elektronensystem zur Verfügung stellen können. Sie haben einen +M-Effekt (M-Effekt ist der sogenannte mesomere Effekt). Dadurch erhöhen sie die Anzahl möglicher mesomerer Grenzstrukturen und damit die Delokalisation der anregbaren pi-Elektronen.
Antiauxochrome sind dagegen Substituenten, die Elektronen aus dem delokalisierten pi-Elektronensystem abziehen. Sie haben daher einen –M-Effekt. Auch das erhöht die Anzahl mesomerer Grenzstrukturen und erleichtert damit die Absorption von elektromagnetischer Strahlung.

Auxochrome und Antiauxochrome erleichtern also zusätzlich die Anregbarkeit von pi-Elektronen. Das führt dazu, dass diese Elektronen nicht nur von kürzerwelligem Licht angeregt werden können, sondern auch von zunehmend längerwelligem. Darum bezeichnet man den Effekt, den Auxochrome und Antiauxochrome ausüben, auch als Bathochromie ("Rotverschiebung").

Typische Auxochrome sind zum Beispiel die Hydroxygruppe (–OH) oder die Aminogruppe (–NH2); typische Antiauxochrome sind die Carbonylgruppe (C=O) oder die Nitrogruppe (–NO2).

Wenn dann bestimmte Wellenlängen aus dem weißen Licht durch das Chromophor (mit oder ohne Auxochrome / Antiauxochrome) absorbiert werden, reflektiert der Stoff den Rest des Lichtes (also abzüglich der absorbierten Wellenlängen). Das ist dann die Komplementärfarbe zur Farbe des absorbierten Lichts. Wenn also zum Beispiel Wellenlängen im orange-gelben Licht absorbiert werden, erscheint uns der Farbstoff blau.

Fazit:

  • Farbigkeit hängt generell mit der Anregbarkeit von Elektronen zusammen.
  • In Farbstoffen gibt es ein mehr oder weniger ausgedehntes pi-Elektronensystem aus konjugierten Doppelbindungen.
  • Auxochrome und Antiauxochrome rufen einen farbvertiefenden (bathochromen) Effekt hervor.
  • LG von der Waterkant
Bevarian  26.04.2019, 14:21

Uff, ich komme mir mit meiner Antwort mehr als nur hyperminimalistisch vor... ;)))

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DedeM  26.04.2019, 15:14
@Bevarian

Solltest du nicht, denn eigentlich finde ich Antworten wie deine gut, weil sie die Leute anregen (oder auffordern oder beides) mit ein paar Stichwörtern ausgestattet selbst ein bisschen Recherchearbeit zu investieren. Mein Problem ist einfach, dass ich so gerne erkläre...

Deshalb ein besonders herzlicher Gruß an dich!

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Was ist ein Chromophor und wie reagieren Chromophore auf Substituenden mit M- und I-Effekten?!?