Desu ne / ですね?

3 Antworten

Jede Sprache hat so ihre eigenen manchmal unübersetzbaren Wendungen. Sowohl die genannten englischen Beispiele als auch die japanischen drücken für Leute, die in der jeweiligen Sprache kommunizieren, etwas ganz bestimmtes aus, was in anderen Sprachen bzw. den kulturellen Kontexten, in denen sie meist gesprochen werden, unbekannt oder ungebräuchlich sein kann. Wenn Deutsch- oder Englischsprachige „..., nicht wahr?“ bzw. „..., isn‘t it?“ sagen, wollen sie entweder tatsächlich wissen, ob das Gegenüber das auch so sieht (dann ist es eine Frage und wird auch mit der fragetypischen hochgehenden Intonation am Ende gesprochen), oder es ist ein rhetorisches Mittel, das beim Gegenüber Zustimmung wecken soll und eher wie ein normaler Aussagesatz gesprochen wird.

„Sou desu ne“ hingegen ist in der Regel weder „Überprüfung“ noch soll damit Zustimmung geweckt werden, weil dieser Satz meist eine Erwiderung auf eine Aussage vom Gegenüber ist. Man ist sich schon sicher, dass das Gegenüber es genauso sieht, wenn man anfängt, diesen Satz zu sagen. Deshalb ist er auch quasi „bedeutungsleer“, gleichzeitig aber ein sehr wichtiges Ausdrucksmittel der japanischen Mentalität, in der Übereinstimmung und Harmonie ja eine große Bedeutung beigemessen wird. Etwas abstrakt ausgedrückt: mitteleuropäische Kulturen möchten gerne „wissen, was Sache ist“ oder das Gegenüber zu Zustimmung animieren und benutzen dafür „nicht wahr?“, „isn‘t it?“ oder „n‘est-ce pas?“; die japanische Kultur möchte Übereinstimmung zelebrieren und sagt „ne“.

Von solchen sprachlichen Feinheiten gibt es sehr viele. Um beim Beispiel mit „kirei“ zu bleiben, hier einige Wendungen und der Versuch, die Absicht hinter dem Satz zu erklären.

“Kirei desu“ = „Das ist schön.“ (keinerlei Absicht, das Gegenüber nach seiner Meinung zu fragen, emotionslose Aussage)

“Kirei desu ka“ = „Ist es schön?“ (der Fragende weiß es schlicht nicht und möchte es vom Gegenüber wissen)

“Kirei deshou“ = „Es ist schön, nicht wahr?“ (je nach Intonation: Entweder der Sprecher findet es schön, geht davon aus, dass das Gegenüber es auch schön findet, ist sich aber nicht 100% sicher; oder der Sprecher geht davon aus, dass es schön ist, und möchte sich kurz absichern, dass das Gegenüber es tatsächlich als schön beurteilt)

“Kirei da wa“ = „Ach, es ist so schön“ (sehr emotionsüberladener Ausdruck des Sprechers, dass er es schön findet, keine Erwartung einer Erwiderung)

“Kirei deshou ka“ = „Ist es wohl schön?“ (der Sprecher weiß es nicht, geht aber davon aus, möchte es aber von Gegenüber wissen)

“Kirei desu ne“ = „Das ist schön“ (=„Das ist schön, das finden wir ja beide“)

“Kirei desu yo“= „Das ist schön!“ (das Gegenüber findet es entweder nicht schön, oder bezweifelt, dass es schön sein könnte, und der Sprecher möchte ausdrücken „Doch doch, das ist schön!“)

“Kirei desu yo ne“ = „Das ist aber schön“ (Sprecher und Gegenüber waren sich nicht sicher, ob es schön sein würde, sind nun aber überrascht, dass es doch so ist und sind sich diesbezüglich vollkommen einig)

Ich hoffe, es ist wenigstens ansatzweise deutlich geworden, dass es hier eher nicht um „Grammatik“, „Satzbau“ und „korrekt“ geht, sondern um nicht weniger als Emotionen, die sich nun einmal nicht so ohne weiteres übersetzen lassen ;-)

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung
Jaeik 
Fragesteller
 12.09.2018, 19:44

Das war eine ausführlich und sehr gute Erklärung! Vielen Dank für die Zeit und Mühe! :-) Dann liegt es auch an der emotionalen Betonung (?) der jeweiligen Sätze zu deuten wie Gegenüber etwas meint so wie in der deutschen oder anderen Sprachen auch? Beispiel: Der Rasen ist nass. Das kann man mit Betonung so formulieren: Der Rasen ist nass = der Rasen ist nass? oder Der Rasen ist nass = Ja, der Rasen ist nass. Wenn das so auch im japanischen ist, dann habe ich es verstanden. :)

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warai87  13.09.2018, 01:56
@Jaeik

Ja, das funktioniert auch mit eindeutig feststellbaren Naturphänomenen.

Shiba ga nurete imasu = Der Rasen ist nass

Shiba ga nurete imasu ka = Ist der Rasen nass?

Shiba ga nurete iru deshou = Der Rasen ist bestimmt nass, oder? (Denn gestern hatte es ja geregnet, deshalb nehme ich das jetzt mal so an)

Shiba ga nurete iru deshou ka = Ist der Rasen wohl nass? (Ich weiß ja, dass es gestern Starkregen gab, und ich packe gerade und müsste wissen, ob ich meine Gummistiefel mitnehmen soll)

Shiba ga nurete imasu ne = Der Rasen ist nass (Ich rutsche hier mit meinen Sandalen herum und deine Hosenbeine sind auch schon fast bis zum Knie durchgenässt, es ist also ausgesprochen offensichtlich, dass der Rasen nass ist, aber ich sage es dir trotzdem mit einem ne am Ende, denn es zeigt, dass wir beide vollkommen übereinstimmen und das macht auch nicht wünschenswerte Zustände für Japaner deutlich erträglicher, wobei ein Deutscher auf diesen Satz wahrscheinlich eher ironisch antworten „Danke für den Hinweis, ich wäre echt nicht darauf gekommen“)

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Jaeik 
Fragesteller
 13.09.2018, 09:28
@warai87

Ok. Vielen Dank für die große Hilfe! Jetzt sitzt es! Davon kann ich alles weitere ableiten. :-)

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Eine  Frage in einem japanischen Satz ergibt sich doch nur immer (?) dann, wenn man am  Satzende ein  ka/ か anhängt, oder?

Dies ist prinzipiell korrekt, außer eben für tag questions wie sie im Englischen heißen (It is nice, isn't it?). Hierbei reicht das aus, um aus der Aussage eine Frage zu machen. Oder anders gesagt, bei dieser Frage fällt das か weg.

Zum そうですね: so ist es doch, oder nicht? ist die wörtliche Übersetzung. Sinngemäß kann man aber auch Das ist richtig nehmen; hierbei kommt es auf den Kontext an.

Jaeik 
Fragesteller
 11.09.2018, 18:48

Ah! Dann dient das ね (nur in englischen Sätzen?) als Ersatz für das sonst typische ,dass man immer dann einsetzt, wenn man aus einem Satz eine Frage machen möchte? Also = englische Sätze als Frage und = Standard im rein japanischen für Sätze als Frage? :)

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jaannippon  11.09.2018, 21:07
@Jaeik

Ich störe mich nur ein bisschen an der Formulierung "englische Sätze". Das ね gibt es auch im Deutschen als "Oder?" oder umgangssprachlich als "ne?", aber ich denke, du meinst das Richtige. :D

Also  ね = englische Sätze als Frage

Vereinfacht gesagt stimmt das. Wobei es eine andere Art von Frage ist. benutzt man für eine "richtige" Frage, bei der der Erkenntnisgewinn an erster Stelle steht (z.B. Was machst du?). ね  ist formal gesehen eine Frage, aber solche Fragen dienen oft nicht direkt dem Erkenntnisgewinn sondern eher als "Stilmittel" (wie im Deutschen oftmals mit dem "ne?").

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Jaeik 
Fragesteller
 12.09.2018, 19:28
@jaannippon

Genau das meinte ich. :) Dann kann ich auch stat benutzen um aus einem Satz eine Frage zu machen?

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Ich würde es vereinfacht so erklären:

Bei der Verwendung von そうですね als Frage, erwartet der Frager häuft latent bereits eine positive Antwort - "so ist es doch, sie stimmen mir doch zu, nicht wahr?"

Beispiel きれいですね - "das ist schön, nicht wahr?" (Bejahung erwartet)

Letztlich ist es aber, wie von jaanippon gesagt, auch kontextabhängig.

Jaeik 
Fragesteller
 11.09.2018, 19:57

Danke für die Antwort! Ich verstehe nun was gemeint ist. Wie würde man es denn ohne eine erwartete Bejahung formulieren? Im gesprochenen hängt eine erwartete Bejahung aber eher von der Betonung ab aus der man dann entnehmen kann: ah, das klang jetzt aber fragen, also antworte ich ihm / ihr dementsprechend.

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Enzylexikon  11.09.2018, 20:15
@Jaeik

Normale Fragen kann man mit "か" stellen. Etwa: いくらですか - wie teuer ist das?

Ich würde dir aber dringend dazu raten, dir nicht irgendwelche halbgaren Weisheiten von Leuten aus dem Internet zu holen - schon gar nicht von mir.

Suche dir lieber einen professionellen Japanisch-Sprachkurs an einer Volkshochschule, einer japanischen Kultureinrichtung o.ä.

Dort wird der Unterricht von einem erfahrenen Lehrer systematisch gegliedert, und das Material aus dem Lehrbuch den Erfordernissen im Unterricht angepasst.

Außerdem steht er sofort bei Fragen zur Verfügung, klärt Unklarheiten und sagt auch, wenn eine Frage über das jetzige Lernnniveau hinausgeht.

Zudem werden natürlich Fehler berichtigt - sei es bei der Grammatik, der Wortwahl oder der Aussprache - etwas, dass so schnell kein Internetkontakt bieten kann.

Selbst der Austausch mit Muttersprachlern ist keine Garantie für gutes Japanisch - ein Landwirt ist kein Pädagoge und er spricht womöglich einen Dialekt.

Also wenn du dir selbst einen Gefallen tun willst, dann besuche einen Kurs.

Dort merkt man aufgrund von Hausaufgaben und Vokabeltests übrigens auch, ob man überhaupt dazu bereit ist, so viel Zeit und Arbeit zu investieren.

Wer schon vor Fahrtzeit, Kurskosten, zusätzlichen Kosten für Bücher, oder Hausaufgaben und Tests zurückschreckt, sollte es lieber gleich lassen.

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