Buch für Altdeutsche Aussprache?

2 Antworten

Von Experte indiachinacook bestätigt

Anders als heute gaben die Buchstaben des Alphabets die tatsächliche mittelhochdeutsche Aussprache gut wieder (nur "c" steht für k und Schluss-Z ist s), und so war z.B "ei" [eɪ̯], nicht [aɪ̯] wie jetzt, und "sp" und "st" nicht [ʃt, ʃp], das "lange I" war noch [i​ə] (wo es nicht später nach der Monophthongierung bei anderen Wörtern, etwa "Vieh", recht doof als Längezeichen eingeführt worden ist und ebenso war das historische "stumme H" noch ​[ ç, x], wie jetzt noch im Bairischen (z.B. "Vieh" [fi:ç] ).

Mehr und genauer hier:
Aussprache des Mittelhochdeutschen

Von Experte Koschutnig bestätigt

Es gibt mittelhochdeutsch (grob 1000– 1400) und althochdeutsch (vor 1000). Das sind sehr verschiedene Sprachen.

Beim Mittelhochdeutschen kannst Du mit viel Glück noch ein bißchen verstehen. Im folgenden Text aus dem Nibelungenlied (13. Jhd) beschreibt Kriemhild ihren Mann Sieg­fried den Drachentöter

Si sprach: „mîn man ist kuͤne, dar zů starch genůch.
do er den lintdrachen an deme berge slůch,
da badete sich der reke in dem blůte vil gemeit,
da von in seit in stvrme kein wafen nie versneit.“
Sie sprach: "Mein Mann ist kühn, dazu auch stark genug.
Als er den Linddrachen an dem Berge schlug,
Da badet' in dem Blute der Recke allbereit,
Daher ihn keine Waffe je versehren mocht im Streit.

Du siehst, daß die Sprache sich beträchtlich von der heutigen unterscheidet. Der Satz­bau ist anders, die Lautverschiebung vom uo-Diphthong zum langen ū steht noch be­vor, einige Worte haben andere Bedeutung (Sturm=Kampf), andere gibt es heute nicht mehr (verschneiden=verletzen). Trotzdem versteht man mit einer Über­setzung ganz passabel, was gemeint ist.

Wenn Du mit bairischen oder alemannischen Dialekten vertraut bist, kannst Du Mit­tel­hoch­deutsch generell besser verstehen, weil diese Dialekte oft einzelne Merkmale des Mittelhochdeutschen besser bewahren als das Standarddeutsche.

Aber Althochdeutsch ist eine ganz andere Nummer. Hier ein paar Zeilen aus dem Muspilli (9. Jhd) über das Schicksal der Seelen beim Jüngsten Gericht. Das kannst Du Dir im Internet sogar anhören (der hier zitierte Ab­schnitt beginnt ab Sekunde 6 im Audio).

uuanta sar so sih diu sela   in den sind arheuit,
enti si den lihhamun    likkan lazzit,
so quimit ein heri   fona himilzungalon,
daz andar fona pehhe:   dar pagant siu umpi
Denn sobald sich die Seele auf den Pfad anhebt
und sie den Körper („Leichnam“) liegen läßt
so kommt das eine Heer von den Himmelssternen
das andere aus dem Höllenfeuer („Pech“): Da streiten sie darum

Das Wort für „streiten“ in der letzten Zeile ist glaube ich heutzutage ausgestorben; es soll aber in manchen Dialekten erhalten sein, als bägen oder so ähnlich. Das Wort für „Pfad“ oder „Weg“ in der ersten Zeile ist und heute noch im Gesinde erhalten (das sind die, mit denen man sich gemeinsam auf die Reise begibt). Das Wort zungal für „Stern“ ist unklaren Ursprungs und heute ausgestorben.

Woher ich das weiß:Hobby – Angelesenes Wissen über Sprach­geschich­te und Grammatik
Koschutnig  17.05.2021, 14:25

Schön, die Aufnahme aus dem 1. Jahrtausend!

Im Text ein winziges (korrigierbares) Vertippen: der Diphthong uo > ū

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RacheDB 
Fragesteller
 17.05.2021, 20:55

Danke für die ausführliche Antwort.

Ich suche genau die Aussprache des ch im Deutschen. Das man es jetzt [ç] und [x] ausspricht hängt davon ab an welcher Stelle es im Wort erscheint. Aber in bestimmten Dialekten wird es ja immer [x] ausgesprochen. Daher gehe ich davon aus, dass es im Althochdeutsch immer [x] gesprochen wurde.

Aber wenn ich mir diese Aufnahme im Mittelhochdeutsch anhöre, kommt mir doch hh vor wie das jetzige ch... Also hat der Laut [ç] doch schon existiert.

indiachinacook hast du vielleicht darüber eine Idee?

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