Beruht Freundschaft nur auf Geben und Nehmen?
12 Antworten
So, wie Du das sagst,
lieber BrainFog,
klingt Freundschaft in Deiner Frage nach einer reinen Geschäftsbeziehung zwi-schen zwei Menschen, die durch eine Unternehmung aus gegenseitigen gleichen Teilen von Geben und Nehmen miteinander in Beziehung stehen. Die aber nicht vordergründig emotional und in der Tiefe ihrer Herzen miteinander verbunden sind. Denn in einer wirklichen Freundschaft achten die Freunde nicht darauf, dass sie für ihr Geben von ihrem Freund auch ja dieselbe Menge an Nehmen zurückbekommen, wie sie ihm dies zuvor gegeben haben und immer auf der Hut, nur ja nicht über-vorteilt zu werden und von dem sogenannten Freund auch ja in demselben Maß das zurückzuerhalten, was man in ihn zuvor hineingesteckt hat.
Ja, lieber BrainFog, Du hast es erkannt, ich möchte auf diese Weise zum Ausdruck bringen, dass es w a h r e Freundschaft gar nicht mehr gibt oder noch gar nie wirklich gegeben hat. Und wenn doch, dann geht ein wahrer Freund tausend auf ein Lot!
Es fängt schon beim Vertrauen an. Ohne Vertrauen gibt es keine Freundschaft, heißt es. Als ich die Bekanntschaft zweier reizender Frauen gemacht hatte, gaben mir beide zu verstehen, dass Freundschaft wachsen müsse und dass ich mir dazu ihr Vertrauen zuallererst verdienen müsse. Das hat mich total stutzig gemacht. Denn Vertrauen kann man sich nicht "verdienen"! Vertrauen zu erwerben und zu bekommen, ist, das sei einmal ganz klar gesagt, k e i n Geschäft, das man sich durch willfähriges Verhallten "verdienen" kann! Vielmehr ist wirkliches Vertrauen einem Anderen gegenüber ein wahres - Geschenk! Denn es heißt ja schließlich auch: "Ich schenke dir mein Vertrauen". Und nicht, "Ich verdiene mir dein Vertrauen".
Bei den meisten Menschen heutzutage ist es jedoch so, dass sie erwarten und es für unverzichtbar halten, dass man sich ihr Vertrauen tatsächlich erst verdienen muss, bevor sie es einem gewähren! Sie halten es für völlig normal, dass man ihnen gewisse Dienste tut und ihnen auf diese Weise sein uneigennütziges fast endloses Wohlwollen zeigt, das man sich, je größer die eigenen Verdienste um das zu errei-chende Vertrauen sind, auf diese Weise ihr Vertrauen regelrecht erarbeitet und dem Anderen dadurch zeigt, wie viel einem daran gelegen ist, von ihm dafür Vertrauen zu erhalten und wieviel man bereit ist, ihm zu geben, ohne darauf zu spekulieren, von ihm dafür etwas zurück zu erhalten außer - endlich dafür das lang ersehnte Ver-trauen zu erhalten.
So ist d a s, was Freundschaft ursprünglich einmal war, eine Beziehung zwischen Menschen, die auf gegenseitiger Zuneigung, Vertrauen und Sympathie basiert, einem Geschäft zwischen zwei Menschen gewichen, bei dem der Gewinn, d.h. der erlebbare Nutzen, im Vordergrund steht. Aber nicht mehr die selbstlose Hingabe seiner selbst und uneingeschränkt für den Anderen da zu sein, sondern immer nur so viel zu geben, wie man auch von ihm zurück erhält! Dabei ist es oftmals so, dass zwischen zwei Menschen ein Konzentrationsgefälle besteht, bei dem ein Part als der psychisch dominante der Bestimmende ist, der vorgibt und anzeigt, was er erwartet. Jedoch, das sollte man sich auch vor Augen führen, macht er dies auf so subtile Art und Weise, da es in der Gesellschaft heutzutage verpönt ist, Erwartun-gen an einen Anderen zu stellen, dass man vorgibt, von dem Anderen nichts zu erwarten, in Wirklichkeit aber peinich darauf achtet, dass er sich auch ja willfährig verhält und zwar genau so, wie man dies von ihm erwartet!
So gibt es heutzutage jede Menge Menschen, die behaupten, an andere keine Erwartungen mehr zu haben, diese Menschen sich aber in Wirklichkeit geradezu wie Aasgeier verhalten, da sie voller Erwartungen sind und wehe, man verhält sich ihnen gegenüber nicht absolt loyal, will heißen, dass man ihnen nicht zeigt, dass sie vor allen anderen an allererster Stelle kommen und gibt ihnen noch zu verstehen, dass ihnen niemand gleichkomme, sondern man aufgrund seiner Loyalität auf andere freundschaftliche Kontakte verzichtet. Es ist ein Absolutheitsanspruch, der von diesen dominanten Persönlichkeiten ausgeht, der dahin zielt, andere, d.h. den angeblichen Freund vor ihren Karren zu spannen und ihn dazu zu bringen, ganz im Sinne des Freundes zu schalten und zu walten und ja keine anderen Freunde neben ihm zu dulden!
So bleibt nicht aus, was eigentllich nicht sein darf: Durch diese angebliche tiefe Freundschaft in ein echtes Räderwerk an Abhängigkeit und Unfreiheit zu geraten. das immer größere Ausmaße annimmt und die eigene Persönlichkeit immer mehr in Beschlag nimmt, sodass man so weit kommt, dass man schließlich glaubt, nicht mehr frei atmen zu können, da man so sehr in Beschlag genommen wird!
Natürlich, lieber BrainFog, gibt kein Mensch zu, dass Freundschaft aus einem Konglomerat von unzumutbaren Abhängigkeiten und Unfreiheiten besteht. Denn der schöne Schein und das Ideal wahrer Freundschaft, dass Freundschaft ein freiwilliges Verhältnis zweier Menschen ist, das sich durch gemeinsame Interessen, gegenseitige Unterstützung und gemeinsame Erlebnisse auszeichnet, muss unter allen Umständen gewahrt bleiben! Was jedoch mit der Realität und wie eine reale Freundschaft tatsächlich aussieht, nichts mehr zu tun hat, denn man belügt sich lieber selbst, um das Idealbild der Freundschaft aufrechtzuerhalten, weil Freundschaft und ein wahrer Freund doch so unendlich wertvoll sind, dass der schöne Schein unter allen Umständen gewahrt werden muss!
Freundschaft ist letzten Endes ein unerreichbares Ideal, dem sich Menschen immer nur zu einem geringen Teil annähern, bei diesem aber nie ankommen! Freundschaft ist in Wirklichkeit ein reines Wundschdenken, das es in Wirklichkeit nicht gibt. Eine Projektion menschlichen Wunschdenkens, die nach Erfüllung sucht, aber über die Theorie nie hinauskommt, sodass sie einem immerwährenden Sehnen gleicht, das niemals aufhört, da die vollkommene Erfüllung nicht zustande kommt und immer nur ansatzweise existiert!
Ich weiß, lieber BrainFog, ich habe Dir gerade die Illusion von wahrer Freundschaft genommen, denn nichts ersehnst Du mehr, als diese wahren Werte und Tugenden, auf denen nach dem Ideal eine Freundschaft aufgebaut ist! Und ich komme nun daher und zerstöre Dir Dein schönes Bild, das Du Dir so mühevoll aufgebaut und zurecht gelegt hast! Und beschmutze es, indem ich es mit der Realität konfrontiere, die so ganz anders aussieht, als die ideale Welt der Freundschaft - die es nicht gibt! Und höchstwahrscheinlich auch nie gegeben hat!
Eine gute Zeit, lieber BrainFog, und in Freundschaft verbunden!
Regilindis
Nein, auch aus emotionaler Verbundenheit und Vertrauen.
In Freundschaften kommt es zu einem Geben und Nehmen, das ist aber selten in allen Punkten ausgeglichen, was vollkommen ok ist, weil einem der andere eben emotional wichtig ist und das keine Geschäftsbeziehung ist, wo man alles aufrechnet.
"Ein Freund ist gleichsam ein anderes Ich"
Marcus Tullius Cicero
Ich denke, das Wichtigste in einer Freundschaft ist das Verständnis für den anderen, das Gefühl der Verbundenheit mit dem anderen. Das Geben und Nehmen aus freien Stücken ist nur ein Teil dessen, wie sich diese Verbundenheit ausdrückt. Andere Werte, wie Ehrlichkeit und Loyalität kommen hinzu. Freundschaft ist aber nicht selbstlos, denn als Freund braucht man den anderen auch und man wird selbst auch gebraucht. Nicht umsonst heißt es, dass man seine wahren Freunde in der Not erkennt. Die Harmonie muss wie bei allem gegeben sein, also kann nicht einer nur geben und der andere nur nehmen.
Theoretisch ja, praktisch nein - das ganze Leben ist ein einziges Geben und Nehmen, wenn man es so will, man muss auch mal ab- und zugeben können.
Allerdings ist eine echte Freundschaft im eigentlichen Sinne weitaus mehr als ein Geben und Nehmen oder ein Ab- und Zugeben - da steckt viel mehr dahinter. Man ist füreinander da, teilt Freud und Leid, stärkt sich gegenseitig, behält sich aber auch vor, kritisch zu sein und nicht immer alles super zu finden bzw. dem Freund auch mal zu sagen, wenn man etwas anders machen würde oder nicht begrüßt.
Bei mir nicht, eine Freundschaft hat insbesondere die "Loyalität" im Vordergrund.
Geben und Nehmen, kommt dahinter.