Anrede Herr und Frau?
Ich habe eine Frage an sprachgeschichtlich eher beschlagene Leute: Bekanntlich spricht man in Deutschland Männer, mit denen man nicht besonders vertraut ist, mit Herr Sowieso an. Man sagt zu ihnen nicht „Mann Sowieso“ , sondern Herr, vermutlich, weil Herr mehr Wertschätzung impliziert als Mann Sowieso. Analog müsste man eine Frau dann mit “Dame Sowieso” ansprechen, de facto sagt man aber Frau Sowieso.
Wie kommt das? Gab es womöglich mal eine Zeit, in der das französische Wort Dame in der Umgangssprache noch nicht so gängig war und Frau genauso wertschätzend konnotiert war wie heute Dame? Und war das Pendant zu Mann dann eher Weib? Wenn dazu jemand etwas substanzielles beitragen kann, freue ich mich.
4 Antworten
Die urspünglichen Wortpaarungen waren
Mann - Weib
Herr - Frau
Herr und Frau waren ursprünglich die Bezeichnungen für Adlige, was sich auch in den Adelstiteln Freiherr und Freifrau ausdrückt.
Schon zu Beginn des 16. Jahrhunderts übernahm die aufstrebende wohlhabende Bürgerschicht mehr und mehr die Anrede Frau aus dem Adel. Im einfachen Volk kam diese Anrede aber noch nicht an. Da wurden Frauen noch mit verschiedenen anderen Bezeichungen angesprochen, wie z.B. Magd, Weib.
Um sich von der Bürgerschicht abzusetzen, ging dann die adlige Oberschicht ab dem 17. Jahrhundert zur Anrede Dame über, was letztliich aus dem lateinischen Domina für Hausherrin abgeleitet wurde.
Dennoch blieb das Wort Weib bis Anfangs des letzten Jahrhunderts noch relativ wertneutral. So liest man z.B. in der Lutherbibel von 1912 immer noch Weib und weiblich. Oder an Schilllers Glocke "da werden Weiber zu Hyänen" stieß sich auch noch niemand. In den süddeutschen Mundarten Bayerisch oder Schwäbisch wird "Weib" nach wie vor wertneutral regelmäßig verwendet.
Insbesondere im Hochdeutschen gabs dann aber ab etwa Mitte des 19. Jahrhunderts eine langsame Wertverschiebung des Weibes hin zu einer abwertenden Bedeutung, entsprechend der damaligen gesellschaftlichen Stellung der Frau, sowie hin zu einem Schimpfwort. In dieser Zeit setzte sich dann ersatzweise die Anrede und die Bezeichung Frau mehr und mehr allgemein durch. Gleichzeitig wurde als besonders wertschätzende Bezeichung aus dem Adel die bezeichnung Dame und Damen in den bürgerlichen Wortschatz übernommen.
Ich glaube, damals war auch das Wort Fräulein sehr wertschätzend gemeint. Ich kenne das genaue Zitat nicht, aber Goethes Faust sprach Gretchen an mit: Mein Fräulein, darf ich´s wagen...
und Gretchen antwortete, dass sie kein Fräulein wäre - da viel zu niedrig im Stand.
Und gibt es nicht im Althochdeutschen auch den Titel "Hohe Vrow?"
Es gab früher 2 Wortpaare:
Mann - Weib und Herr - Frau.
Mann und Weib waren die absolut neutralen Bezeichnungen für die Geschlechter. Herr und Frau waren die Anreden für höhergestellte Männer und "Weiber". Irgendwann wurde allerdings das Wort "Weib" negativ konnotiert und das Wort Frau rutschte sozusagen an dessen Stelle, sodass Frau heute beide Funktionen erfüllt: als Anrede und als Geschlechtsbezeichnung.
Meines Wissens bezeichnete man adelige Frauen mit "Dame".