alltagsleben in der ddr?

9 Antworten

Es gab nicht wenige Leute in der DDR, die viel Geld hatten. Nur konnte man mit diesem Geld nicht allzu viel anfangen. Die Mieten, Grundnahrungsmittel usw. waren alle billig, und um an Raritäten wie Südfrüchte, erzgebirgische Räuchermännchen, Schallplatten von Westmusikern usw. heranzukommen, brauchte man entweder Beziehungen (Bekannte in den betreffenden Läden) oder sehr viel Zeit, um unmittelbar nach einer Warenlieferung an Ort und Stelle zu sein. Um die Geldmenge abzuschöpfen, wurden später ja dann die Delikat- und Exquisitläden eingeführt, wo man für teures Geld entweder Westartikel (wie ich hörte, wurden diese als "Gestattungsproduktion" bei uns hergestellt) oder DDR-Waren von entsprechender Qualität bekam.

Positiv empfinde ich den in der DDR gepflegten Gemeinschaftsgedanken. Also nicht Wettbewerb wie heute, was soviel heißt wie: "Wie nutze ich den anderen bestmöglich für eigene - materielle - Zwecke aus?", was natürlich jegliches Gemeinschaftsgefühl zerstört. Allerdings (aber das gehört vielleicht dazu) war auch die soziale Kontrolle sehr stark. Das führte u. a. dazu, dass von jedem konformes Verhalten erwartet wurde, auch von Ausländern, denen immer ein Betreuer zur Seite gestellt wurde. Nur fanden wir das damals normal. Was mich jedoch am meisten störte: Einmal das Reiseverbot, zum anderen (ich war immer eine Leseratte), dass bestimmte Bücher, bestimmte Philosophien usw. überhaupt nicht zugänglich waren. Die Oberen bestimmten, was das Volk zu lesen und zu denken hatte, und "gefährliche Gedanken" wurden ferngehalten, obwohl es auch Möglichkeiten gab (wie z. B. in den Studentengemeinden, die aus diesem Grund immer im Visier der Stasi standen), um an dieses Gedankengut heranzukommen. Und manchmal wurde ein vormals verfemter Autor bei uns sogar gedruckt, aber dann nur in einer sehr geringen Auflage. Für denjenigen, der ein solches Buch ergattern konnte, bildete es einen unersetzbaren Schatz. Das kann man sich heute in der Überflussgesellschaft gar nicht mehr vorstellen. Ich habe erst nach der Wende gemerkt, wie doof wir einerseits unter unserer Käseglocke geblieben sind, aber auch, was für eine gute klassische Bildung wir bekommen hatten, die sich von dem oberflächlichen Marketing- und Spaßkram von heute sehr unterschied.

Den Alltag empfand ich eher so wie in dem Lied von von Gerhard Schöne: "Oder fehlt da noch was." Das geht so:

"So also ist nun das Leben,

wenn alles glatt abläuft nach Plan:

Schmerzarme Geburt, Krippe, Schule

und Lehre mit Moped und "Zahn".

Was muss ich noch schaffen, noch kaufen,

was fehlt noch zum Glück und zum Spaß?

Ist denn schon alles gelaufen?

Oder fehlt da noch was?

Armee, später Qualifizierung

und Ehe mit Schrankwand und Kind,

und Wochenendausflug und Sparbuch,

10 Pilsner, ein halbes Pfund Rind.

Was muss ich noch schaffen...

Und Fernsehn und Fußball und Schlager

und Streit mit der Frau wegen Geld

und Fahrprüfung, Auto und Pudel

und seh´n, dass man immer mithält.

Was muss ich noch schaffen...

Und später die Rente genießen,

Hauptsache Gesundheit und Geld,

an weiteres will ich nicht denken...

Ich weiß nicht, ob da noch was fehlt."

Übrigens erschien dieses Lied auch schon zu DDR-Zeiten auf seiner ersten Langspielplatte - also eine vorsichtige Öffnung gab es schon.

Nun kann man darüber streiten, was besser ist: Das abgesicherte Leben unter der Käseglocke oder das rein materiell fixierte Leben heute, wo nicht der Fleißige, sondern der Cleverste das meiste Geld verdient und sozial Schwache zwar (noch) versorgt werden (was es in der DDR so nicht gab - jeder, der nicht krank oder in Rente war, bekam eine Arbeit, auch wenn es dort nichts zu tun gab), aber auch ständig unter der Häme der Besserverdienenden zu leiden haben. Ich finde das eine so blöd wie das andere...

Noch etwas zur DDR-Demokratie: Dass es bei den Wahlen vor allem ums Zettelfalten ging (nur wenige nutzten die Wahlkabine, um ihrem Wahlschein ggf. ungültig zu machen), ist wohl allgemein bekannt. Aber es gab die Möglichkeit, Eingaben zu machen. Wenn die Leute unzufrieden waren (keine Wohnung zu bekommen usw.), haben sie sich beschwert, am besten gleich beim Staatsrat. Mitunter half das sogar (heute dagegen nicht mehr). Es gab allerdings auch bestimmte Themen, über die man sich nicht beschweren konnte, z. B. über das, was in der Schule gelehrt wurde oder über die Reisefreiheit. Da verbat sich die Regierung jede Einmischung, und wer sich trotzdem durchzusetzen versuchte, konnte bald Bekanntschaft mit den Leuten von Horch & Guck machen.

Ich möchte hier von meinem ganz eigenen Leben berichten. Ich bin in der DDR geboren, habe auch bewußt (in Anfängen) miterlebt wie meine Eltern in die LPG gedrängt wurden, freiwillig sind sie nicht gegangen. Aber sie haben das Beste draus gemacht. Mein Vater hat es bis zum Diplomlandwirt gebracht, als Volksschüler. Mein Bruder und ich, wir haben beide studiert und haben unsere Abschlüsse gemacht, hatten danach auch Arbeit. Ich habe meinen Sohn im Studium bekommen und habe nur um ein Semester verlängern müssen. Es hat mir bei Weitem nicht Alles gefallen in der DDR, das ich als Leiter die Verantwortung tragen musste, jeder meiner Arbeiter aber mehr Geld nach Hause gebracht hat als ich war so ein Punkt. Meine erste Ehe lief nicht besonders, heute würde ich sagen, ich war meinem Mann zu selbstbewußt. Nach der Scheidung konnte ich weiter voll arbeiten gehen, wenn ich dienstlich mehrere Tage unterwegs sein musste konnte mein Sohn in meinem Heimatort zur Schule gehen, die Lehrpläne und Lehrbücher waren identisch (125km-Entfernung zum Wohnort). Ich bin Technischer Leiter und Hauptmechaniker in mittleren Betrieben gewesen, als Frau. Freilich war es so, dass man zum Wochenende in einer Plattensiedlung mit wenigen Einkaufsmöglichkeiten anstehen musste, nach einem Wagen, beim Fleischer, an der Kasse und auch wenn es High-Tec-Geräte gab, und ja, wir haben bis zu 15 Jahre auf ein neues Auto gewartet, das war aber nur bedingt ein Problem denn der Nahverkehr hat funktioniert. Ich konnte zwar nicht ins Ausland so wie ich gern wollte, aber Urlaubsreisen waren in jedem Jahr drin. Ich möchte die DDR nicht zurück haben, denn die wirtschaftlichen Bedingungen wurden immer schlechter. Habe ich zu Beginn meiner Berufstätigkeit meine "Beziehungen" gebraucht um privat etwas zu erreichen brauchte ich sie später um in meinem Betrieb was zu bewegen. Mir geht es jetzt auch gut, ich habe eine vernünftig bezahlte Arbeit (im Gegensatz zu meinem Mann der seit 12 Jahren keine Lohnerhöhung erhalten hat - aber das ist der "wilde Osten"), habe ein Haus gebaut und mein Sohn studiert (immer noch). Auch Urlaub kann ich mir leisten. Mir geht es gut. Wir haben 2 Autos, die wir zu DDR-Zeiten nicht gebraucht hätten, jetzt aber zwingend brauchen weil es keinen funktionierenden Nahverkehr mehr gibt. Jedes System hat seine Sonnen- und Schattenseiten und die die westlich geboren sind sollten nicht abfällig über die östlich ggeborenen reden, denn ihr Geburtsort ist nicht ihr Verdienst.

@NurHeuteSo, rosenstrauss, Goliath 61, wenn ihr noch öfter auf Fragen zur DDR antworten werdet, dann bleibt euch nicht erspart, dass ihr auf Unwissen, Boshaftigkeit, Besserwisserei und Laberei ohne Substanz trefft.

Interessant dabei ist, dass sich wenige der sich hier zu Wort meldenden Altbundesbürger eines sachlichen, anständigen Tones bedienen, wenn es um die DDR geht. Da stellt sich die Frage, wieso jemand, der so von sich und seiner Herkunft überzeugt ist, derart um sich schlägt.

Die einzige Antwort darauf:

Es wird als unangemessen empfunden, dass ein Ex-Ossi, also ein Verlierer, es wagt, auch nur ein gutes Wort über das Land zu verlieren, dass ihm trotz aller Unzulänglichkeiten Bildung, Arbeit und ein gesichertes Leben gewährleistet hat. Da wird dann mit "Argumenten" aufgefahren, die jeder Grundlage entbehren, da entweder diejenigen hier ihr Unwissen ablassen, die die DDR nur vom Hörensagen kennen, oder solche Mitbürger, die früher einmal in der DDR gelebt haben und die DDR die letzten 30 Jahre nur noch aus der "Ferne" betrachten konnten. Wenn ihr euch mal die Antworten zu den diversen DDR-Fragen durchlest, könnt ihr immer wieder sehen, dass die Meinungen von ehemaligen DDR-Bürgern nur dann gefragt sind, wenn sie dem Klischee der Westbürger entsprechen. Es kann nicht sein, dass Ossis sich erdreisten, sich ihr Leben nicht klein reden zu lassen. Da wird dann zu den abstrusesten Behauptungen gegriffen, die man in ohnmächtiger Wut dem Besiegten an den Kopf schleudert.

Nun zu dem, was ihr gesagt habt.

Wir hatten alle!!!! unsere Arbeit, haben nicht jeden Tag Schlange gestanden nach dem Notwendigsten. Das kam nur vor, wenn es die seltenen Südfrüchte gab und einige andere Dinge, zu denen die DDR kaum Zugang hatte.

Alle zum Leben notwendigen Dinge gab es immer und ausreichend. Gehungert hat niemand. Selbst die "Unterschicht" konnte sich leisten, an Feiertagen ihre Kinder großzügig zu beschenken und sich Wein und Sekt leisten.

Allein erziehende Mütter standen nicht am Rande der Gesellschaft. Sie hatten alle Möglichkeiten: Kindergarten, Studium, Arbeit, Anerkennung.

Unsere Kinder waren gut aufgehoben. Es gab Freizeitangebote mehr als genug, die kaum etwas kosteten. Es gab keine Drogen, nicht jeden Tag Mord und Totschlag.

Nach der Schule ging es in den Hort, wo unter Aufsicht von Fachkräften die Hausarbeiten erledigt wurden. Dort gab es auch zu essen, dort wurde gespielt und nicht gedrillt.

Auf Tafeln und Suppenküchen war niemand angewiesen. Diese Begriffe waren Fremdwörter.

Neid und Missgunst, wie das heute an der Tagesordnung ist, gab es, wenn überhaupt, nur ansatzweise und nicht "flächendeckend".

Wenn auch nur einer gewagt hätte, sich über Kinderlärm zu beschweren, dann hätte er nur einen Lacher geerntet, ganz zu schweigen davon, dass sich jemand von Amts wegen eingemischt hätte.

Nachbarschaftquerelen im heutigen Ausmaß mit gerichtlichen Konsequenzen gehörten zu den großen Ausnahmen, was nicht ausschließt, dass es hier und da so etwas gegeben hat.

Ich hatte eine schöne Kindheit, und alle, die ich kenne und mit denen ich zur Schule ging, auch. Alle haben einen Beruf erlernt, einige haben studiert, und mit Beginn der Berufstätigkeit hat sich keiner Gedanken darüber machen müssen, dass er eventuell morgen rausfliegt und auf der Straße steht.

Wem das nicht gereicht hat, und das war die Minderheit, der hat sich mit dem Staat angelegt auf die eine oder andere Weise und hat mehr oder weniger die Konsequenzen daraus gespürt.

Dass dabei einiges im Argen lag und die DDR-Führung unzureichend die mit der Zeit immer mehr anwachsende Unzufriedenheit zur Kenntnis genommen hat, wissen wir und hat uns die bekannten Konsequenzen beschert.

Jetzt sind wir endlich in der Freiheit!

Wir haben die Freiheit zu reisen, wenn wir das nötige Kleingeld dazu haben. Wir haben alle Freiheiten, wenn die Kohle stimmt...

So, ich habe jetzt die Befindlichkeiten des normalen DDR-Bürgers dargelegt, ohne auf die von denen einzugehen, die sich die "Freiheit" des Westens gewünscht haben.Die Anführungszeichen deshalb, weil diese Freiheit jeder auf seine Weise erlebt, Der Millionär auf seine, der Arbeitslose auf eine andere, und die Kinder einer allein erziehenden Mutter auf eine ganz spezielle.

So und nicht anders haben wir , die Mehrheit,die DDR erlebt.

Das war eine Antwort zum Thema "Alltag in der DDR". Ich erwähne das deshalb, weil es außerhalb dieses Alltags auch noch andere Dinge gab, die weniger erfreulich waren.

elektrofuzzi49  11.02.2011, 13:45

Danke für die Worte. Es war wie im Westen aber ohne Existenzangst, soziale Benachteiligung und das sich nur die Beamten und Sozialhilfe - Empfänger Kinder leisten können. Ohne Chancen - Ungleichheit in der Schulbildung

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nonentity  11.02.2011, 15:12
@elektrofuzzi49

@elektrofuzzi, ich möchte dich nicht falsch verstehen, aber dein Satz:

"Es war wie im Westen aber ohne Existenzangst, soziale Benachteiligung und das sich nur die Beamten und Sozialhilfe - Empfänger Kinder leisten können" ist in sich widersprüchlich.

Wie im Westen war es nicht: Kein Warenüberfluss, keine Reisefreiheit. Aber das ist nicht neu. Und Beamte und Sozialhilfeempfänger in einen Topf zu schmeißen - das erschließt sich für mich auch nicht.

Abgesicherte Beamte konnten sich Kinder leisten, Sozialhilfeempfänger nicht, obwohl die Wirklichkeit leider etwas anderes zeigt, aber auch das hat Gründe, die man extra besprechen könnte.

Also klär mich bitte auf. Wenn du es nicht tust, muss ich deinen Beitrag als etwas missglückte Ironie ansehen. Gruß N.

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ich versuche mal es in einem Satz zu beschreiben..."Wir hatten eine Grenze rund um unser Land, aber heute haben wir so viele Grenzen innerhalb unseres Alltages, dass ich mich manchmal frage, was schlimmer ist."