15 jähriger Teenager außer Rand und Band - Mediensüchtig, aggressiv und hochbegabt. Keine Hilfen in Sicht. Was tun mit Schulverweigerer?

14 Antworten

Zum Großteil ist es ein - wenn auch etwas überzogenes - letztlich ganz normales pubertäres Verhalten, in dem es um Abgrenzung geht. Er schwankt vermutlich jeden Tag zwischen betrübt und himmelhoch jauchzend und scheitert an den Vorgaben, die ihm sein IQ täglich als 2,50 Meter hohe Messlatte auflegt. Wenn Du dann noch Teil des Problems und nicht der Lösung zu sein scheinst, wird es kompliziert.

Begriffe wie "in die Spur bringen" sind hier überhaupt nicht angebracht. Es geht um ein Einrichten in seiner Welt. Alle Versuche, ihn zu normalisieren, sind eh' zum Scheitern verurteilt. Es wird sein Leben lang "besonders" bleiben. Das erst einmal uneingeschränkt wertzuschätzen und auch sein mögliches - hoffentlich nur zwischenzeitliches - Scheitern zu aktzeptieren, ist die verdammt schwere Tagesaufgabe.

Die meisten kinder- und jugendpsychiatrischen Kliniken arbeiten mit dem auf Normalos ausgerichteten klassischen Therapiekonzept. Triggernde Reize werden ausgeschlossen und alle sind total lieb (Morgen- und Abendrunde mit Bällchen, Kunst-, Musik- und Ergotherapie nach Schema F und zwischendurch ein wenig progressive Muskelentspannung nach Jacobson und 3 x in 4 Wochen wechselt der Einzeltherapeut.

Die Therapiestation Teen Spirit Island des Kinderkrankenhauses auf der Bult in Hannover bildet hier eine Ausnahme. Hier werden auch systemische und traumatherapeutische Ansätze angeboten und es wird einiges ausprobiert, denn darum geht es. Es gibt kein fertiges funktionierendes Therapiekonzept für besondere Jugendliche, hier sind besondere Therapeuten nötig, die z.B. über Humor und Ironie verfügen. Therapie ohne Humor ist wie OP ohne Narkose.

http://www.tsi-hannover.de/startseite/

Zuletzt: als Anhämnger der systemischen Therapie empfehle ich hier einige Behandlungsmodelle im Umgang mit Schulverweigern, die sich durchaus bewährt haben. Hier sei natürlich die wichtigen Funktion von Familiengesprächen erwähnt...

http://www.systemagazin.de/bibliothek/texte/schweitzer_schulverweigerung.pdf

Pass auf Dich auf....

MuttiTanni 
Fragesteller
 31.05.2016, 11:08

Vielen Dank. Genau so etwas suche ich. Wir unterstützen ihn auch in jeglicher Form. Ich weiß, dass er uns nicht ärgern will. Er schafft es einfach tatsächlich nicht in die Schule zu gehen (die Gründe seien dahingestellt). Aber bisher hat er immer nur Druck erfahren, Ausgrenzung und keinerlei Hilfestellung seitens der Schule. "Friss oder stirb". Du musst funktionieren. Aussagen wie: das können wir in einer Klasse mit 31 Schülern als Regelschule nicht leisten und solche Kinder wollen wir hier nicht, hat er mehrmals in der Woche gehört. Er war immer zugänglich für Gespräche, hat sein Problem dargelegt und selbst um Hilfe gebeten. Möglichkeiten, die dann den Lehrern vom Sozialarbeiter vorgestellt wurden, wurden unterrichtstechnisch dann leider nie umgesetzt. Er ist einfach verzweifelt...so mein Eindruck. Er will, aber er braucht Unterstützung und die ist ihm zumindest schulisch noch nicht zu teil geworden.

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Hey Tanni ,

meine Eltern mussten leider damals genau das Gleiche mit mir durchmachen.
Und jetzt im nachhinein muss ich sagen das Sie für mich den richtigen Weg ausgesucht hatten. Habe damals auch sehr viel Zeit in der virtuellen Welt verbracht und mich von sozialen Kontakten abgewendet. Ich glaube der ausschlaggebende Punkt war damals die Trennung meiner Eltern. Habe auch nur noch unregelmässig die Schule besucht 10-17 Stunden vorm PC gesessen. Zudem das Kiffen angefangen. Jetzt 10 Jahre später kann ich darüber offen Reden und einfach mal meine Erfahrung / Meinung preis geben.

Bei mir hat sich dann irgendwann das Jugendamt eingeschaltet und ich bekam eine Betreuerin mit der ich mich jede Woche treffen sollte. Diese wies mich dann auch in eine ambulante Therapien ein. Erfahrungsgenmäß kann ich heute sagen das diese ambulaten Therapien der größte Quatsch sind vor allem Ding wenn man nicht bereit ist was zu ändern.  Nach meinem Realschulabschluss hat mich mein Vater dann zusammen mit dem Jugendamt in eine Hilfe zur Erziehungs Einrichtung im Jugendorfwerk  (ohne meines Wissens) eingeschrieben .

Als ich zufällig davon Wind bekam schlug ich das natürlich sofort aus wurde aggressiv handgreiflich gegenüber meinem Vater und der Betreuerin. Irgendwann hab ich mich dann beruhigt und wurde wiederwillig zur Einrichtung gebracht .

Um es mal Abzukürzen war das Rückwirkend die beste Entscheidung gewesen auch wenn es schwer war die erste Zeit (Ausgsgangsverbot).  Habe  dann dort nach eineme Jahr  mein Fachabi nachgemacht. Den Bezug zur Realität wieder gewonnen. Durch den Medienvebot auch wieder mehr soziale Kontakte aufgenommen.  Nach 1 1/2 Jahren habe ich dann eine eigene Wohnung gestellt bekommen und eine Ausbildung zum Versicherungskaufmann angefangen .

Das war jetzt meine Erfahrung als Tipp kann ich sonst nur noch geben härter durchzugreifen alleine dein vorletzer Satz sagt mir das er viel zu viel Freiheiten hat. ich meine wenn man  5 Monaten die Schule verweigert hat er kein Recht mehr was auszuschlagen. Habe damals meinen Vater auch auf der Nase herumgetanzt weil ich keine Grenzen gesteckt bekommen habe.

MuttiTanni 
Fragesteller
 31.05.2016, 11:35

Das ist sehr interessant zu hören und besonders schön, dass Du den Dreh gekriegt hast. Toll! Du kannst stolz auf Dich sein. Ja, die Freiheit mag tatsächlich zu viel sein. Er tut mir aber einfach leid, weil er überall nur Ablehnung erfahren hat / erfährt (nicht unberechtigt - im Moment ist es auch sehr schwer ihn zu mögen - so wie er sich aufführt). Darf ich fragen, in welcher Einrichtung Du warst?

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MuttiTanni 
Fragesteller
 31.05.2016, 11:47
@xsoxnxs1ndl

Danke. Aber es geht nur freiwillig... :-( Wenn er bereit ist.

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xsoxnxs1ndl  31.05.2016, 11:58
@MuttiTanni

Bereit wird er niemals sein. Auch wenn er viel Abneigung bekommen hat, wird es halt immer schwerer ihn aus der virtuellen Welt zubekommen ,weil er vielleicht nur da eine Persönlichkeit ist ;) 

Naja versuch es ihm vorzuschlagen sag ihm auch das man die Möglichkeit hat am Wochenende immer nachhause fahren . Weil mit 15-16 Jahren das Wort  Heim / Einrichtung zuhören da macht jeder direkt zu.

Viel Erfolg


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Liebe Tanni,

ich kann Dich und Deinen Sohn gut verstehen. Sehr gute Erfahrungen habe ich in einer sehr ähnlichen Lage mit einem Elterncoaching gemacht. Die Entscheidung,  das Vertrauen in meinen Sohn und er in mich, an 1. Priorität zu setzen, zeigt nach ca. 3 Monaten kleine Erfolge. Mein Sohn ist 16 und  hat auch nur Stigmatisierung erfahren.  Durch Krankheiten u.a. war seine Rolle verfestigt.  Inzwischen sprechen wir wieder miteinander, wachsen in die neue Rolle, Erwachsen werden (Verantwortung übernehmen), loslassen und Halt geben. Das Elterncoaching war kostenlos,  Anmeldung über das Jugendamt.  Der Urheber der Methode Autorität durch Beziehung bringt die gegenseitige Akzeptanz hervor, auch wenn es dauert. Wenn es kein Coaching gibt bei Dir, google nach Haim Ohmer, vielleicht gibt es darüber Anlaufstellen.  Glaube daran, daß es einen Ausweg gibt. Viel Kraft für Euch.

Ein Kind ist immer das Produkt seiner Erziehung und somit das Produkt seiner Eltern. Irgendetwas müßt IHR von Anfang an mit ihm falsch gemacht haben. Wenn er euch gegenüber aggressiv und verschlossen ist, ist das ein sicheres Anzeichen für eine völlig verfehlte Erziehung. Offenbar hat er kein Vertrauen zu euch.

Möglicherweise habt ihr ihm nie die erforderliche Aufmerksamkeit geschenkt, was am Anfang sein Verhalten hervorgerufen hat, quasi als Aufschrei, eure Aufmerksamkeit zu gewinnen, wenngleich sein Aufschrei möglicherweise erfolglos blieb. Und/oder ihr habt immer nur Negatives in ihm gesehen und ihn immer nur kritisiert, er konnte euch nichts recht machen und wurde von euch niemals für etwas gelobt und/oder ihn in seiner Persönlichkeit bestärkt. Oder waren eure Erwartungen an ihn viel zu hoch und er meinte, sie nicht erfüllen zu können? Er kann den Druck nicht mehr aushalten und hat sich deshalb in sich selbst zurückgezogen?

Ich denke, er braucht eine Person, der er bedingungslos vertrauen kann und die ihm das gibt und schenkt (nicht materiell gemeint), das er von euch seit frühester Kindheit nie bekommen hat.

Ob meine Einschätzung richtig ist, kann ich natürlich nicht beurteilen. Es ist nur mein Eindruck nach dem, was du in deiner Frage geschrieben hast.

MuttiTanni 
Fragesteller
 31.05.2016, 10:28

Möglicherweise hast Du ein bisschen Recht. Allerdings war er immer die Nummer Eins. Er hat noch 2 jüngere Geschwister (14, 11). Das er auffällig ist, haben wir schon früh gemerkt. Wir lieben dieses Kind abgöttisch. Ich bin immer mit ihm abends ins Bett gegangen, wir haben ihn immer auf Händen getragen...genau wie die Großeltern...Ich kann mir nicht vorstellen, dass es unsere alleinige Schuld ist...

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toomuchtrouble  31.05.2016, 11:03
@Mignon4

Genau, erst einmal Verantwortung herstellen und eine Schuldige suchen und finden, das ist optimale Ressourcen-Orientierung. Auch mit richtig und falsch zu arbeiten, ist super. Der Junge wird schon begreifen, dass die Medaille für ihn korrekterweise 3 Seiten hat, die dumpfe Normalo-Masse aber auf 2 Seiten besteht.

Es geht nicht um das Abwerten des Verhaltens der Eltern, sondern um Fragen, Fokusverschiebungen und andere überraschende Elemente.

Wer in einer psychiatrischen Einrichtung solch ein "Ihr" herausbrüllt, wird wie meine Liebste (Psychotherapeutin) immer sagt, in die Brennnesseln geschubst.

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MuttiTanni 
Fragesteller
 31.05.2016, 11:28
@toomuchtrouble

Danke, ich denke auch, dass Schuldzuweisungen hier fehl am Platz sind. Wir suchen nach Hilfen. Mit Sicherheit haben wir als Eltern auch nicht alles richtig gemacht. Aber natürlich wollen wir nur, dass es unserem Kind "halbwegs" gut geht.

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Den Vorschlag meiner Vorrednerin finde ich sehr gut, da die dort tätigen ehrenamtlichen Berater oftmals viel Erfahrung aus dem persönlichen Bereich mitbringen.

Bezüglich der Therapien würde ich den Weg über einen Psychologen gehen, der mit dem Thema "Hochbegabung" vertraut ist - Hochbegabte spüren ganz genau, wie gut sich jemand mit gewissen Problemstellungen auskennt. Hierfür als eine Anlaufstelle die vorgenannte DGhK zu nennen, zum anderen gibt es auch die Kargstiftung über deren Internetportal man sich auch den ein oder anderen Psychologen rausfischen kann:

http://www.fachportal-hochbegabung.de/beratungsstellen/#suchergebnis

Hier ist kompetente Betreuung für die ganze Familie gefragt.