Was wollte die SPD mit der Politik des "Wandel durch Annäherung" tatsächlich?
In linken Kreisen gilt ja die von Egon Bahr und Willy Brandt federführend entwickelte Politik des "Wandels durch Annäherung" als heiliger Gral, der Friede, Freude und Eierkuchen brachte.
Was war aber das Ziel dieser Politik tatsächlich?
In Wikipedia findet sich dazu auch Folgendes:
Wie Bahr, der mittlerweile zum Leiter des Planungsstabs im Auswärtigen Amt aufgestiegen war, im Juni 1968 in einer Denkschrift festhielt, schwebte ihm vielmehr eine neue Sicherheitsordnung in Mitteleuropa vor: Beide deutsche Staaten, die Benelux-Staaten, die Tschechoslowakei und Polen sollten, von den USA und der Sowjetunion garantiert, sich gesellschaftspolitisch einander annähern, die Unterschiede zwischen kapitalistischen und kommunistischen Staaten überwinden und gemeinsam einen „demokratischen Sozialismus“ entwickeln. Auch wenn Bahr dieses Fernziel für kurzfristig nicht erreichbar hielt, habe es eine Gefahr für die bundesdeutsche Westbindung dargestellt.
Bahrs Haltung zu Demokratie wird eventuell durch seine Haltung zu Solidarnosc verdeutlicht. Dazu Wikipedia:
Nach der Verhängung des Kriegsrechts über Polen durch den Regierungs- und Parteichef Wojciech Jaruzelski am 13. Dezember 1981 schrieb Bahr, dass der Frieden wichtiger sei als Polen.[24] In einem an Heiligabend 1981 erschienenen Artikel für die SPD-Zeitung Vorwärts verteidigte er Jaruzelski: „Es ist kein Putsch, sondern das äußerste Mittel des Staates im Rahmen seiner Allianz-Souveränität.“[25] In einem Interview antwortete er im Herbst 1981 auf die Frage, ob die Sowjetunion ein Recht gehabt hätte, in Polen zu intervenieren, falls in Warschau die Mitgliedschaft im Warschauer Pakt in Frage gestellt worden wäre: „Aber selbstverständlich.“ Er begründete dies mit dem Hinweis auf den auch von Deutschland beachteten Vorrang des Friedens vor allen nationalen Ambitionen.[26][27]
Im Vorwärts bezeichnete er 1982 die mit dem Kriegsrecht verbotene Gewerkschaft Solidarność als „Gefahr für den Weltfrieden.“[28] Ebenso sorgte Bahr in Kreisen der unter Jaruzelski verfolgten polnischen Demokratiebewegung für Empörung, indem er Solidarność beschuldigte, den Frieden in Europa aufs Spiel zu setzen, da eine Destabilisierung der Volksrepublik Polen das Gleichgewicht der Militärblöcke gefährde.[29][30] 1982 erklärte Bahr, die Grenze der Blöcke mitten durch Europa habe während der 37 Jahre seit dem Kriegsende 1945 den Frieden garantiert; sie werde auch die nächsten 37 Jahre bestehen.[31] Joachim Gauck warf Bahr vor, nicht gesehen zu haben, dass die „Konzentration auf die Meinung und die Absichten der Herrschenden“ im Grunde eine Entspannungspolitik verhindern könne.[32]
Man erinnere sich auch an unseren jetzigen Bundeskanzler, der in in 70igern JuSo-Vorsitzender war und dem marxistischen Stamokap-Flügel der SPD angehörte.
Wikipedia sagt dazu:
In dieser Zeit unterstützte er den Freudenberger Kreis (den marxistischen Stamokap-Flügel der Juso-Hochschulgruppen) sowie die Zeitschrift spw und warb in Artikeln für „die Überwindung der kapitalistischen Ökonomie“.[18] Scholz kritisiert darin die „aggressiv-imperialistische Nato“, die Bundesrepublik als „europäische Hochburg des Großkapitals“ sowie die sozialliberale Koalition, die den „nackten Machterhalt über jede Form der inhaltlichen Auseinandersetzung“ stelle.[19]
Stasi-Unterlagen belegen, dass Scholz als stellvertretender Juso-Bundesvorsitzender enge Beziehungen zu DDR-Funktionären unterhielt. In dieser Funktion besuchte Scholz zwischen 1983 und 1988 neunmal die DDR, führte dort politische Gespräche, trat als Redner auf öffentlichen Veranstaltungen auf und nahm an einem von der SED/FDJ organisierten „Internationalen Jugendlager“ teil.[20] Am 4. Januar 1984 reiste Scholz mit einer Juso-Delegation in die DDR, wo sie von Egon Krenz, dem Sekretär des Zentralkomitees der SED, und dem ZK-Abteilungsleiter und späteren SED-Politbüro-Mitglied Herbert Häber empfangen wurden.[21][22] Am letzten Tag führte die Delegation ein Gespräch im Institut für Internationale Politik und Wirtschaft. Gemäß dem Bericht darüber hätten die Jusos „keine Fragen mit provokatorischem Inhalt gestellt“, sondern vielmehr erklärt, das Bild der DDR in den Massenmedien der Bundesrepublik müsse positiver werden.[20] 1987 trat Scholz als Juso-Vize auf einer Friedenskundgebung der DDR-Jugendorganisation FDJ in Wittenberg für Abrüstungsvereinbarungen ein.[23] 1988 versicherte eine von Scholz mit geführte Juso-Delegation ihren Partnern von der FDJ, „dass die wahren Feinde des Friedens (…) im Militär-Industrie-Komplex der USA“ sowie in der „Stahlhelm-Fraktion“ der Unionsparteien zu suchen seien.[24] Die SED betrachtete Scholz als wichtigen Bundesgenossen im Kampf gegen die NATO.
War also das eigentliche Ziel des "Wandel durch Annäherung" die "Überwindung" der sozialen Marktwirtschaft und der parlamentarische Demokratie in der Bundesrepublik hin zu einer "lenkenden Demokratie" in der ein Weg zurück für immer ausgeschlossen sein sollte?
4 Antworten
Was ganz anderes: "Wandel durch Annäherung" bezog sich auf die Haltung zum Ostblock.
Seit 1945 war die Welt gespalten in Ost und West und jeder (man soll nicht pauschalisieren - also fast jeder) hat bei der gegenseitigen Bedrohung und Verrohung mitgemacht. Nicht nur die USA, nicht nur die NATO, sondern auch die Bundesrepublik. "Die da drüben" waren - mit allen Vorurteilen - die Bösen, die den Weltfrieden stören, von denen die Gefahr eines neuen Krieges ausging usw. Und in Deutschland war die Gefahr jeden Tag spürbar, denn der "Eiserne Vorhang", der West und Ost trennte, verlief mitten durch unser Land, mitten durch Berlin und es gab oft Situationen, da hätte nicht viel gefehlt - nur ein nervös zuckender Finger, z.B. im Oktober 1961, als (wie wir heute sicher wissen) scharf bewaffnete Panzer der Amis und Russen am Checkpoint Charlie gegenüberstanden.
Die Hallstein-Doktrin, die die Isolierung der DDR zum Ziel hatte, machte unmissverständlich klar: es kann nur ein Deutschland geben und das war die Bundesrepublik. Länder, die diplomatischen Kontakt zur DDR herstellen, wurden sanktioniert.
Druck und Gegendruck hatten die Fronten verhärtet und zu einer Erstarrung geführt.
Als 1969 die erste Sozialliberale Regierung sah ihre Chance gekommen diese Erstarrung aufzulösen, indem man sich annäherte - "Wandel durch Annäherung". Ideen hierfür wurden seit 1963 gesponnen.
So wurde aus dem "Ministerium für gesamtdeutsche Fragen" das "Ministerium für innerdeutsche Beziehungen". Man sah den Mauerbau als worst case und wollte hier Entspannung reinbringen, damit Familien sich wieder sehen konnten.
Die Hallstein-Doktrin wurde aufgegeben und seinerseits diplomatische Beziehungen zur DDR aufgenommen (auch wenn man es anders genannt hat) und die Bundesrepublik erkannte die DDR faktisch an, indem man den Interzonenhandel stärkte, Grenzbestimmungen anerkannte usw. So sollte der Lebensstandard in der DDR verbessert werden, die Bindung beider deutscher Staaten sollte intensiviert werden und so eine positive Wirkung in der DDR erzielt werden.
So kam es zu den Ostverträgen (ab 1970), in denen Entspannung und Frieden festgelegt wurde. Auch unter Anerkennung der bestehenden Ostgrenzen und es wurde sogar die Einheit Deutschlands nicht ausgeklammert - auch wenn nur durch Hintertürchen.
Dieser "Wandel durch Annäherung" war also eine komplette Politikänderung und die Beziehungen verbesserten sich nachhaltig! Und genau für diese Entspannungspolitik erhielt Willy Brandt 1971 den Friedensnobelpreis.
"Wandel durch Annäherung", dieser Parole hat Putin mit seinem Überfall auf die Ukraine den Garaus bereitet.
Nein, das war es nicht.
Ja, Wikipedia überteibt immer so schrecklich und ist so betont konservativ.
Ach, hab ich meine Frage kopiert?
Ich dachte, nur die Belege, die mich zu meiner Frage führen ... (sonst wäre ich doch direkt nach der Quelle gefragt worden; nun ist das auch wieder falsch, Sozis kann man es halt nie recht machen).
Das ist anscheinend Dein Stil aber nicht meiner ...
Selbstverständlich waren und sind es wirtschaftlich- soziale Bedingungen, die die Voraussetzung einer politischen Annäherung der Ost-West-Politik begründen. Die Menschen waren ja nicht blöd, wenn sie damals den "Wandel durch Annäherung" nicht begrüßten.
Bezeichnend ist, dass hier in der ausführlichen Fragestellung nicht einmal Gorbatschow erwähnt wird, ebenfalls nicht die Nato- Russlandakte unter Jelzin.
Der heiße Krieg statt des kalten Kriegs wäre nach " lenkender Demokratie" , die dann wohl Olaf Scholz oder SPD unterstellt wird, die heutige Lösung im Sinn der Antwort?
Niemals!
"Wandel durch ..." meiner Ansicht gleichbedeutend mit "demokratischer Sozialismus",
was fuer mich wieder einen Realitaetsverlust wieder spiegelte welcher sich zu einen "Umverteilerstaat" entwickelte. Eine Demokratie (Menschen) kann man nicht lenken (Planwirtschaft, Kontrolle etc.) und die freien Gesetze des Marktes nicht kontrollieren.
Militaerisch gesehen gilt nach wie vor auch heute noch das "Gesetz des Staerkeren".
Dieses Gesetz ist gueltig, leider auf dieser Welt auch noch im Jahr 2024 n.C., fuer alle Staatsformen, wobei die meisten Kriege (Angriffe) von Autokratien, Theokratien, usw., ausgefuehrt werden. Es gibt aber eine "Grauzone" in der auch Demokratien manchmal ungerechtfertigt ihre egoistischen Ziele verfolgen.
Danke, diese in die Tiefe gehende Argumentation hat mich sofort überzeugt.