Warum hatte man bei den Nürnberger Prozessen Todesstrafen vorgesehen und gleichzeitig den Angeklagten ihre Inhumanität vorgeworfen?
4 Antworten
Warum hatte man bei den Nürnberger Prozessen Todesstrafen vorgesehen und gleichzeitig den Angeklagten ihre Inhumanität vorgeworfen?
Weil die beiden Punkte einander nicht widersprechen?
Hier geht es nicht um Leute, die 'mal jemanden' getötet haben, sondern um Leute, die in einem Regime Führungsrollen hatten, in dem die Tötung von Menschen aus niedersten Motiven serienmäßig betrieben wurde.
Wir können gerne eine Diskussion über die Angemessenheit der Todesstrafe führen und du wirst feststellen, dass ich die für unangemessen halte. Oder über die Nürnberger Prozesse, von denen ich auch kein großer Fan bin, auch nicht in rechtlicher Dimension. Doch die Todesstrafe und die Verbrechen des Dritten Reichs muss man m.E. nicht so 'auf eine Ebene stellen'. Dazwischen liegen Welten.
Die nazis haben unschuldige gerötet, die Nürnberger Prozesse haben Schuldige getötet. Damals war die Todesstrafe akzeptierter als heute. Die Lebenswelten der Menschen waren ganz andere.
Hat nichts miteinander zu tun.. Todesstrafe ist legitim, wenn man sich demokratisch darauf einigt.
Menschen lebenslang einsperren ist nicht weniger inhuman, wenn man halt diese Meinung haben möchte.
Es gibt keinen universellen Widerspruch zur Menschenwürde. Den gibt es nicht mal im Westen, sondern wie wir das z.B in den USA sehen ist es nach konservativer Interpretation sehr wohl Teil der Rechtssprechung. Deswegen ist der Mehrheitsbeschluss ein Zeichen für die Legitimität dieser Handlung. Nicht gleichbedeutend, aber in diesem Kontext eben der Fall.
Das Problem deiner Argumentation ist das du Legitimität mit "Mehrheitswille+lokale Rechtssprechung" gleichsetzt. Damit behandelst du Legitimität nicht mehr als normativen maßstab sondern sagst damit nur aus wie es grade ist.
Es gibt keinen universellen Widerspruch zur Menschenwürde
Das heißt ja im umkehrschluss das Menschenwürde für dich von Mehrheitsentscheidungen und Rechtstraditionen abhängt. Genau das Kritisiere ich ja weil eben die Menscenwrüde ein mehrheitsunabhängiges Prizip ist.
Das in den USA vereinzelne Gerichte die Todesstrafe nicht als Verletzung der Menschenwürde sehen heißt nicht das es keinen widerspruch gibt sondern eben nur das diese konservativen es so interpretieren. Historisch wurde auch Sklaverei, Rassismus oder Eheverbote für bestimmte Ethnien juristisch abgesegnet.
Ihre legalität im juristischen Sinne sagt nichts über die moralitsche legitimität aus. Legitimität braucht Kriterien außerhalb von aktuell herrschenden Mehreitswillen.
Ansonsten heißt legetim ja nur "Mehrweit will es + Gerichte erlauben es". Das ist aber Legalität nicht legitimität.
Legalität (gesetzlich erlaubt) bedeutet nicht Legitimität (moralisch gerechtfertigt).
Das habe ich bereits beantwortet. Es gibt keine universelle Determinierung darüber was die Menschenwürde verletzt und was nicht.. Das ist relativ und wird national und kulturell unterschiedlich interpretiert.
Weil ein paar Länder im Westen irgendeine Norm festlegen interessiert das die Chinesen einen Scheiß und das ist auch grundsätzlich richtig so, ohne weitergehend irgendwas descriptives zu bewerten, das sie machen. Sie machen einfach was sie für richtig halten, wie wir es umgekehrt in Anspruch nehmen.
Du sagst, dass moralische Legitimität völlig relativ sei und von Kultur zu Kultur unterschiedlich bestimmt wird. Das ist eine radikale Position, weil sie jede kritische Bewertung von Handlungen in anderen Gesellschaften unmöglich macht. Nach dieser Logik könnten Sklaverei, Genozid oder systematische Unterdrückung nie moralisch kritisiert werden selbst wenn wir objektive Kriterien wie Leid, Freiheitsberaubung oder Tod zugrunde legen.
Relativismus beschreibt, wie Normen kulturell entstehen, aber er liefert keine Grundlage für normative Bewertung. Legitimität verliert so ihren normativen Anspruch und wird faktisch mit bloßer Akzeptanz gleichgesetzt
Wenn Legitimität nur relativ wäre, dann wäre es egal, ob eine Mehrheit Menschenrechte verletzt ;wir könnten moralisch nichts mehr sagen. Historische und gegenwärtige Debatten über Menschenrechte zeigen aber, dass wir über kulturelle Unterschiede hinaus moralische Maßstäbe anlegen können und müssen.
Normative Bewertung kann nur in weiten Spielräumen stattfinden. Natürlich gibt es irgendwo objektive, rationale Anküpfungspunkte, aber die sind eben nicht eng.
Wenn Saudi Arabien anfängt beliebig Minderheiten zu amputieren kann man sich quasi global darauf einigen, dass das nicht sein sollte. Wenn Saudi Arabiens nationale Rechtssprechung bzw. Strafrecht aber eben spezifisch-islamisch orientiert ist und von der Gesellschaft mitgetragen wird in diesem kulturellen Kontext, dann gibt es diese übergreifende Norm nicht die jenes als unzulässig abqualifizieren kann. Das ist eine Art von kolonialem Denken anderen Vorschriften machen zu wollen, weil man es angeblich besser weiß.
Weil der (berechtigte) Vorwurf der Inhumanität nicht zwingend völlige eigene moralische Integrität voraussetzt.
Die Todesstrafe und ihre Befürworter sind zweifelsohne auf das schärfste zu verurteilen, dass relativiert aber eben den anderen Vorwurf in keinster Weise etc.
Dann ist es legal nicht legetim. Du implizierst das jede Demokratische entscheidung automatisch moralische legimität verleiht das ist nicht so. Demokratie ist nur ein Entscheidungsverfahren. Die Rassentrennungsgesetze der USA wurden demokratisch entschieden.
Denn das ist ja genau der Unterschied zwischen legal und legetimität. Legitimität braucht mehr als einen Mehrheitsbeschluss, sie braucht die vereinbarkeit mit grundlegenden Prinzipien wie Menschenwürde oder Verhältnismäßigkeit.