Ist das Konzept, der Intoleranz gegenüber intoleranten wirklich sivoll?
Ich war lange Fan dieses Ausdrucks, habe meine Meinung aber geändert, da er aus meiner Sicht extrem subjektiv ist und Intoleranz de facto willkürlich legitimiert.
Jeder ist aus Sicht eines anderen intolerant. Manche Menschen werten das Essen tierischer Produkte beispielsweise als Intoleranz gegenüber Tieren. Sind solche Personen also legitimiert, gegenüber 98 % der Bevölkerung intolerant zu sein?
Verallgemeinert gesagt legitimiert Intoleranz gegenüber Intoleranten jegliche Intoleranz, da jeder – aus Sicht eines anderen – gegenüber irgendetwas intolerant ist. Der vermeintlich objektive Ausdruck „Intoleranz gegenüber Intoleranten“ hängt stark von subjektiven Ansichten ab, was als Intoleranz gilt, und legitimiert somit jegliche Intoleranz basierend auf persönlichen Präferenzen.
Versteht mich nicht falsch, jeder darf intolerant sein, gegenüber was er will, basierend auf seinen persönlichen Ansichten. Mein Problem ist, dass man sich mit dem Ausdruck „Intoleranz gegenüber Intoleranten“ hinter einem scheinbar universalistischen, objektiven Prinzip versteckt.
4 Antworten
Karl Popper argumentiert hier mit dem Toleranzparadoxon, dass Toleranz nur dann überlebensfähig ist, wenn sie sich gegen jene wehren darf, die sie zerstören wollen.
Er plädiert also nicht für willkürliche Intoleranz gegenüber allem, was einem nicht gefällt, sondern bringt es mit einem normativen Wertesystem in Verbindung:
- Rationalität (Kritikfähigkeit)
- Menschenrechte
- Freiheit von Meinung, Religion, persönliche Entfaltung
- Rechtsstaatlichkeit
Deine Kritik wäre aber berechtigt, wenn die These kein Wertesystem als Ideal vorgibt.
Es geht aber nicht um subjektives Empfinden, sondern um einen objektivierbaren Angriff auf die Grundpfeiler einer offenen, pluralistischen und demokratischen Gesellschaft, die sich von geschlossenen Ideologien ("Totalitarismus") abgrenzt.
Wörtlich schrieb er dazu:
"Wir sollten daher das Recht für uns in Anspruch nehmen, sie (die Intoleranten) zu unterdrücken, wenn nötig auch mit Gewalt"
Logischerweise hat er damit recht, denn radikal-ideologische Bewegungen, welche einen gesellschaftlichen Umbruch forcieren wollen, werden immer stärker und lauter auftreten, als diejenigen, die einen Ist-Zustand verteidigen möchten, da die aktionistische Motivation nicht vorhanden ist.
Da hast du einen sehr guten Punkt. Wenn man es nicht universalistisch, sondern in einem gesellschaftlich anerkannten wertesystem anwendet, ist es natürlich sinvoll.
Der Anlass ist der Unterschied.
Verallgemeinert gesagt legitimiert Intoleranz gegenüber Intoleranten jegliche Intoleranz
Das beißt sich mMn deswegen, weil die Ablehnung von Intoleranz keine Intoleranz ist, sondern die Befürwortung von Toleranz. Also die Haltung unterm Strich zählt, und nicht nur die Aktion der Ablehnung für sich, weil sie keine Ablehnung ist, sondern die Aufforderung zur Toleranz.
Ich meinte dich so verstanden zu haben, dass die Ablehnung von Intoleranz ein Widerspruch in sich sei, weil es sich bei der Ablehnung selbst um Intoleranz handele. Ich habe versucht, das so aufzulösen, dass die Ablehnung von Intoleranz eben keine Intoleranz ist, sondern die Befürwortung von Toleranz. Folglich ist die Ablehnung von Intoleranz kein Widerspruch in sich.
Die (kursive) Aussage sind einfach zwei entgegengesetzte Meinungen, die gegenseitig mehr oder weniger toleriert werden. Dass es sich beim Gegenstand der Meinungsverschiedenheit um "Intoleranz gegenüber Tieren" handelt - wobei der Begriff "Toleranz" in dem Kontext eher suboptimal ist - ist beliebig austauschbar, d.h. es könnte auch um Tempolimit 130 gehen, bei dem Uneinigkeit herrscht.
Heißt der Spruch nicht "keine Toleranz gegenüber Intoleranz". So verstehe ich es jedenfalls - dass da wo Menschen nicht toleriert werden (bzw. ihre Menschenrechte), dass man da nicht wegsieht und wiederspricht und es nicht erduldet (ursprüngliche Wortbedeutung von Toleranz, lat. tolerare), dass Menschenrechte mit Füßen getreten werden...
In sofern wären die Menschenrechte dann das "universale Prinzip".
Es gibt aber durchaus auch so etwas wie das "ethische Prinzip" in uns bzw eine "Universelle Ethik" in uns. Diese ist schwer zu greifen und genau wie du sagst formen sich daraus sehr unterschiedliche Werte und Meinungen, eben weil auch bei jedem von uns andere Dinge im Fokus stehen. Man könnte daraus jedoch einen "kleinsten gemeinsamen Nenner formen"; dann landet man z.B. bei Sätzen wie: "Ein Verhalten, dass niemandem schadet, ist ok".
Das funktioniert anders. Man toleriert keine untolerante Meinungen. Du redest stattdessen von Menschen, von Personen. Es geht um Meinungen.
Naja, es sind ja aber Menschen, die die intoleranten meinungen vertreten.
Ich bin mir nicht sicher ob ich dich richtig verstanden habe, aber ich rede von der intoleranz, die man mit intoleranz erwidert schon von reiner Intoleranz, wie in meinem Beispiel:
Jeder ist aus Sicht eines anderen intolerant. Manche Menschen werten das Essen tierischer Produkte beispielsweise als Intoleranz gegenüber Tieren. Sind solche Personen also legitimiert, gegenüber 98 % der Bevölkerung intolerant zu sein?
Ich glaube du meinst aber was anders, vielleicht kannst du wenn du Zeit hast versuchen es nochmal genauer zu erläutern.