Falsche Berufswahl und Niedriglohn - wie geht ihr damit um?
Ich muss es mir mal von der Seele schreiben. Vor 20 Jahren habe ich einen Fehler gemacht und zwar die der falschen Berufswahl. Zur Pharmazeutisch- kaufmännischen Angestellten. Wo ich mit 18 noch dachte, interessanter Berufsinhalt weiss ich heute eines - von einem solchen Gehalt lässt sich schlecht leben.
Aktuell liegt der Bruttolohn mit 10 Jahren Berufserfahrung bei 2400 € . Hinzu kommt die Tatsache, dass es in unmittelbarer Nähe keine Stellen gibt- also Fahrtweg von pro einfacher Strecke von einer Stunde .
Der Arbeitsinhalt ist heftig - das Telefon klingelt permanent, Ware verbuchen , schwierige Kunden bedienen ( also nur am Telefon, den der Verkauf ist dem Apotheker vorbehalten ) . Es gibt keine Weiterbildungsmöglichkeiten um einen höheren Verdienst zu ermöglichen. Ist man unzufrieden, kann man sich in einer anderen Apotheke bewerben, die den gleichen niedrigen Lohn zahlt.
Heute bin ich 38. Als meine erste Beziehung mit 26 in die Brüche ging, bin ich zurück zu meiner Mutter gezogen, aus Angst, es finanziell allein nicht stemmen zu können. Mit 1400 netto. Aber ich wollte auch die Gelegenheit nutzen, um etwas zu sparen.
Mit wenig Geld auskommen zu müssen , bedeutet Einschränkung. Immer und überall . Abwägen , dreimal überlegen. Jede falsche Entscheidung tut doppelt doll weh wenn der finanzielle Spielraum eng ist. Die Weiterbildung zum Fachwirt im Sozial und Gesundheitswesen habe ich nicht geschafft. Dafür aber den einmaligen Anspruch auf Unterstützung durchs Meister-Bafög verwirkt.
Seit 5 Jahren bin ich raus aus der Apotheke und habe unter anderem bei einer Firma in der Produktion gearbeitet. Schichtarbeitszeiten, fiese Vorarbeiter aber ich bin mit 2100 netto rausgegangen . Endlich genug Geld verdient. Allerdings unter schwierigen Arbeitsbedingungen und Feinstaubbelastung. Es ging 3,5 Jahre. und an manchen Tagen war es einfach die Hölle.
Aktuell bin ich krankgeschrieben , soll Reha beantragen und die Agentur für Arbeit erzählt mir, ich sei unter 3 Stunden erwerbsfähig - was nicht stimmt aber einen Arbeitsplatz der mich nährt , ist halt nicht parat.
Selbstverständlich ist es belastend , in Schicht zu arbeiten , oder schwierige Kunden für einen Niedriglohn aufzufangen und anschließend in überfüllter SBahn lange nach Haus zu fahren - Ohne Aussicht auf Besserung . Bis zur Altersrente mit 70 um dann in die Altersarmut zu gehen.
Natürlich gibt es auch Frauen , die bekommen praktischerweise ein Kind oder machen sich abhängig von einem Mann, aber auch das ist kein Lebensweg, der mich sonderlich anspricht.
Eine berufliche Kurskorrektur mit 38 ist unglaublich schwierig. Und ich kann alle Menschen verstehen, die sich eher für ein Leben im Bürgergeld entscheiden, als sich für 200 Euro mehr im Berufsleben zu quälen und ausbeuten zu lassen. Es läuft ohnehin soviel schief in der Politik, wie kann man da die Menschen sozial Schmarotzer nennen ? Sind es nicht viel eher die Menschen, die diese Gesetze machen und sich eigenständig ihre Diäten erhöhen ?
Ich möchte so gern wieder arbeiten, aber auch davon profitieren dürfen. Wenigstens ein bisschen. Und sehr wohl halte ich mich auch für intelligent genug, um mich weiterzuentwickeln - aber unter Rahmenbedingungen, die das nicht möglich machen können - wie in der Apotheke - geht es eben nicht.
Es ist , als ob ich vor 20 Jahren mein eigenes Grab gewählt habe mit der Unterschrift auf diesem Ausbildungsvertrag. Endstation Niedriglohn.
Wie schaut es denn mit Umschulungen um mit der Agentur für Arbeit?
Krieg ich nicht. Vielleicht geht was über die Rentenversicherung. Mal gucken
7 Antworten
Ich finde es gut, dass du Arbeit als sinnvoll ansiehst, und deinen Beitrag für uns alle leisten möchtest. Und das du dich mit nichts auf andere verlassen willst, stark!
Sicherlich ist es verständlich, dass manche lieber Bürgergeld beziehen. Aber wer kann, der sollte auch, ist meine Meinung. Und du bist gerade mal 38 Jahre alt. Deine Ausbildung muss dir ja damals etwas gegeben haben, leider stellt man das immer mal fest, dass es einem nicht gefällt und wenn das Geld nicht passt, muss sich etwas ändern.
Ich habe diesen Schritt auch gewagt und mir tat es sehr gut.
Wenn du willst, dann kannst du auch, brauchst du ein Abi, hol dir ein Abi. Übrigens mit einer Ausbildung in einem Jahr nachholbar. Willst du selbstständig sein, sei selbstständig. Vorbei und gesetzt ist in deinem Alter fast nichts.
Das klingt schön. Ich könnte sicherlich mehr Selbstbewusstsein und Ideenreichtum vertragen . Und Mut. Es freut mich, dass du deinen Weg gefunden hast.
Um auf deine Eingangsafrage "Wie geht ihr damit um?" zu antworten:
Da ich kanppe 3,5 K im Monat verdiene, gehe ich sehr gut damit um.
Mit 38 Jahren hast du noch 30 Jahre Berufsleben vor dir!
= Wenn eine "Kurskorrektur" dann doch jetzt, wann sonst?!
Es gibt einige die einen schweren Job haben und keinen Super-Verdienst. Du kannst dich neu-orientieren. Mit lächerlichen 38 Jahren haben einige neu angefangen. Nur du stehst dir im Weg - falls du es tust.
Ich verdiene auch nicht so viel. Doch ich bin zufrieden. Der Job gefällt mir, ja auch ich habe Kunden, die manchmal abartig sind. Gehört dazu. Wer hat nur einen Traumjob?
Statt zu jammern kannst du überlegen und agieren.
Es gibt einige Menschen die noch in älteren Jahren ihr Leben neu gestalteten. Daher der Begriff lächerlich. Mit 38 bist du noch jung genug zu entscheiden, ob du im gleichen Trott weiterläufst oder nicht.
Aber wie ich immer wieder sehe werden ehrliche Worte negativ gesehen. Wahrheit tut eben weh. Und bequem sind die Mitläufer und Ja-Sager.
Es ist deine Meinung , meine Zeilen als Jammern zu bezeichnen. Das Leben ist mit weniger Geld nun mal schwieriger, das ist Tatsache. Deine '' Wahrheit '' tut mir nicht weh und ich bin dankbar über jeden halbwegs konstruktiven Beitrag, deswegen habe ich schliesslich gepostet.
wie geht ihr damit um?
Ich würde mich wirklich nach Weiterbildungsmöglichkeiten umschauen.
ich jammere nicht. Ich verarbeite eine schlechte Entscheidung die mein Leben in erheblichem Maße beeinflusst hat. Trotzdem Danke für deine Antwort . Lächerlich fühlen sich 38 Jahre nicht an. Eher nach Zenit bereits überschritten. Aber dass du das nicht für alt hältst, muntert mich auf.