Ihre Aussage rührte ihn zu Tränen. Er sagte: „Ich bin jetzt 25 Jahre Richter. Aber ich habe noch nie erlebt, dass die Familie eines Opfers um ein mildes Urteil für den Angeklagten bittet. Im Gerichtssaal habe ich noch nie Worte der Liebe und der Vergebung gehört.“
Leute, wenn ich das lese, dann bekomm ich nen mittelschweren K***reiz.
Immer wieder erreichen die ein Maß an Selbstbeweihräucherung und Selbstverherrlichung, das ich als ekelerregend und abstoßend empfinde. Zumal, wovon wird hier gesprochen? Von einem Verkehrsunfall!, nicht von einem vorsätzlichen Anschlag, einem Mord oder Tötung im Drogenrausch. Ein Unglücksfall, wie ihn täglich Tausende auf der Welt erleiden. Durch einen kurzen Moment der Unachtsamkeit, durch technischen Defekt, durch Absencen, die jeder Mensch mehrmals täglich hat. Schlichtweg ein furchtbares Unglück, kein Vorsatz.
Was soll denn ein ZJ-Kind dagegen sagen, dem die ZJ-Eltern die lebensrettende Bluttransfusion verweigern? Oder die unzähligen Missbrauchsopfer?
Nun ja, wenn schon Beispiele der Vergebung angeführt werden, dann ist dieses eines der besten für mich:
Corrie Ten Boom
Da bat der KZ-Wärter um Vergebung
Die Holländerin Corrie Ten Boom hatte das Konzentrationslager Ravensbrück überlebt. Ihre Schwester hingegen ging dort zugrunde. Zwei Jahre später trifft sie auf einen ihrer Peiniger. Er bittet sie um Vergebung.
München im Jahre 1947: Ernste Gesichter starren mir entgegen. Ich habe gerade in einer Kirche gepredigt und über meine Zeit im Konzentrationslager gesprochen. Jetzt ist alles vorbei. Die Menschen verlassen wortlos den Raum. Ein Mann kommt mir entgegen. Er arbeitet sich gegen die Menge zu mir nach vorne.
In diesem Moment sehe ich den Mantel, den braunen Filzhut, dann die blaue Uniform und ein Barett mit Totenschädel und gekreuzten Knochen. Ich sehe den grossen Raum, in dem wir uns nackt ausziehen mussten. Die Schuhe und die Kleider am Boden. Wir mussten nackt an ihm vorbeigehen. Ich erinnere mich an die Scham, ich erinnere mich an meine ausgemergelte Schwester, deren Rippen deutlich unter der pergamentartigen Haut hervortraten.
Wie weit reicht Vergebung?
Wir waren ins KZ gekommen, weil wir Juden in unserem Haus versteckt hatten. Meine Schwester überlebte das Konzentrationslager nicht. Ich erinnerte mich an diesen Mann und an seine Jagdpeitsche, die in seinem Gürtel steckte. Jetzt stand ich zum ersten Mal einem meiner Häscher gegenüber. Mein Blut schien zu gefrieren. Er sagte: «Sie sprachen von Ravensbrück. Ich war Wächter dort.» Er fuhr fort: «Ich bin Christ geworden.» Er steckte mir seine Hand entgegen und fragte: «Werden Sie mir vergeben?»
Sekunden stand ich wie gelähmt vor diesem Mann, doch es kam mir vor als wären es Stunden. Ich kämpfte in meinem Inneren: Meine Schwester war schliesslich im Konzentrationslager Ravensbrück elend und langsam gestorben. Doch dann erinnerte ich mich an eine Bibelstelle: «Wenn ihr den Menschen ihre Sünden nicht vergebt, dann wird der himmlische Vater im Himmel auch euch nicht vergeben» (Matthäus 6,15).
Vergeben oder invalid bleiben?
Nach dem Krieg hatte ich ein Heim für Naziopfer eröffnet. Ich erlebte dort, dass die, die vergeben konnten, innerlich frei wurden, egal welche körperlichen Schäden sie hatten. Die, die an ihrer Bitterkeit festhielten, blieben jedoch Invaliden. Ich stand immer noch vor dem Mann. Kälte umklammerte mein Herz. Doch Vergebung ist kein Gefühl, sondern in erster Linie ein Akt des Willens. Ich betete und hob die Hand. Ich betete darum, dass Gott mir das Gefühl der Vergebung schenken möge. Mit einer mechanischen Bewegung legte ich meine Hand in die Hand, die sich mir entgegenstreckte.
Dann geschah etwas Unglaubliches! Ein heisser Strom entsprang in meiner Schulter. Er lief meinen Arm entlang und sprang über in unsere beiden Hände. Mein ganzes Sein wurde von dieser heilenden Wärme durchflutet. Ich hatte plötzlich Tränen in den Augen und konnte sagen:
«Ich vergebe dir! Ich vergebe dir von ganzem Herzen.»
https://www.jesus.ch/themen/people/erlebt/121089-da_bat_der_kzwaerter_um_vergebung.html
Schade, dass die Wachtturmgesellschaft nicht auf solche Erfahrungen zurückgreift und stattdessen pathetisches Storytelling betreibt.