Dass die Bibel sich selbst widerspricht, ist ein ernsthaftes Problem für Gläubige, denn wenn sie "göttlich inspiriert" sein soll, wird mit ihrer Gültigkeit die gesamte dahinterliegende Theologie fragwürdig. Dasselbe gilt übrigens auch für die Widersprüche im Koran.
Wenn du dir das volle Ausmaß des Problems ansehen willst, empfehle ich dir diese Webseite. Hier werden du die widersprüchlichen Stellen visualisiert. Es sind tausende. Manche klein und unwichtig - viele groß und bedeutend.
Viele Christen deuten daher die Widersprüche um: als angebliche theologische Tiefe, metaphorische Wahrheit oder Ergebnis menschlicher Überlieferung – und relativieren so die Erwartung an historische oder logische Konsistenz.
Die Gründe dafür:
- Kognitive Dissonanz vermeiden (Wunsch nach innerer Konsistenz)Wenn jemand fest an die göttliche Wahrheit der Bibel glaubt, erzeugen offensichtliche Fehler oder Widersprüche unangenehme Spannungen.
- Soziale Zugehörigkeit und Gruppendruck (Wunsch übergeordneter Identität)In einer religiösen Gemeinschaft ist der Anreiz niedrig, die heiligen Schriften zu hinterfragen.
- Existenzielle Sicherheit und Sinnstiftung (Wunsch nach Lebenssinn)Wer an der Bibel kratzt, rührt am ganzen Weltbild.
- Immunisierung (Wunsch kognitiver Beherrschung)Daher die Behauptung, scheinbare Widersprüche seien nur oberflächlich und in Wahrheit Ausdruck einer tieferen, spirituellen Logik. Diese Immunisierungsstrategie schützt den Text vor Kritik.
Wer die Bibel für Gottes Wort hält, braucht sie, um sich in der Welt zurechtzufinden – und verdrängt deshalb lieber ihre Schwächen, als sich intellektuell ehrlich mit ihnen auseinanderzusetzen. Man glaubt nicht, weil es rational ist, sondern trotzdem.
Kognitionspsychologisch bedeutet das: Selektive Faktenwahrnehmung, Confirmation Bias, Ignorieren von Widersprüchen, Feindbildaufbau, Meinungsstärkung über soziale Bestätigung anstelle von Fakten/Logik, etc.
Glaube bedient all diese Faktoren, deswegen ist er so wirksam.
Ausreden gibt es dann grad genug: falsche Übersetzung, Inkonsistenz von unterschiedlichen Quellen sei erwartbar, Kontext fehlt, damals wussten es die Menschen nicht besser, Gott holt die Menschen dort ab, wo sie sind, usw. Die Liste ist fast endlos.
Wie vollkommen verdreht es dann zum Schluss werden kann, erkennst du daran, dass die Unlogik selbst zur Logik erhoben wird: Die Widersprüchlichkeiten "belegen" demnach die Glaubwürdigkeit des Textes. Diesen Spin kennen wir schon vom Problem mit der "Verborgenheit Gottes", wo Gläubige argumentieren, es sei ein Beleg für die Existenz Gottes, dass er sich nicht zeige.