"Zur Zeit sind alle Mitarbeitenden im Gespräch"? Falsch?


17.01.2022, 17:01

PS: Also nur kurz überprüft: Auf dem "Wortschatz Uni-Leipzig", unser größtes Wortlexikon habe ich mir beide Einträge angeschaut. War klar:"Mitarbeiter" rund 150.000 Einträge"Mitarbeitenden um 6.000Mir ist klar, daß "Mitarbeitenden" immer einen vorhergehenden Bezug haben muß. Außerdem sagen wir ja auch nicht "die Fabrikmitarbeitenden", sondern "Fabrikarbeiter" usf. https://corpora.uni-leipzig.de/de/res?corpusId=deu_news_2020&word=Mitarbeiterhttps://corpora.uni-leipzig.de/de/res?corpusId=deu_news_2020&word=MitarbeitendenHochnotpeinlich, die Nummer.

4 Antworten

An dem Satz nicht ist nichts falsch oder "hochnotpeinlich" - oder gar neu.

  • Alleinerziehende Eltern / Alleinerziehende sind auch alleinerziehend, wenn sie gerade schlafen und niemanden erziehen.
  • Eine Aufsichtsratsvorsitzende ist auch eine Vorsitzende, wenn sie nicht gerade eine Sitzung leitet.
  • Der Amtierende Bürgermeister bleibt auch im Amt, wenn er abends nach Hause geht.

Und auch die Mitarbeit in einem Unternehmen endet nicht um 17:00 Uhr, sondern mit Vertragsende. Oder was stellst du dir bei einer Ehrung für langjährige Mitarbeit vor? Dass die betreffende Person Jahrzehnte lang rund um die Uhr gearbeitet hat?

Solange ich das Deutschsprechen nicht verlernt habe, kann ich mich eine Deutsch sprechende Person nennen.

Hätte es "die Beratenden" geheißen, wäre deine Haltung noch halbwegs nachvollziehbar. Wobei, sie waren ja alle "im Gespräch".

Oh je, jetzt fällt mir auf, dass wir seit Ewigkeiten von Menschen sprechen, die "beratend tätig" sind. Hat komischerweise nie jemanden gestört.

Und was machen wir eigentlich mit dem Schild "Achtung / Spielende Kinder", das hier schon seit über 30 Jahren hängt? Werden dort seit 30 Jahren Menschen festgehalten und gezwungen, (a) Kinder zu bleiben und (b) permanent und ohne Schlaf zu spielen? Wieso unternimmt da keiner was?? Oder sind die immer nur gerade am Spielen - also spielend -, wenn ich das Schild sehe?

Was ist mit "Er kommt andauernd mit einer neuen Idee um die Ecke"? Das wäre ja sogar doppelt falsch (semantisch und morphologisch). Kann es ... unter Umständen sein ... dass Sprache doch ein bisschen mehr ist, als ein Satz von Regeln, den jemand in grauer Urzeit mal erstellt hat? Kann es sein, dass die (pardon) Sprechenden die Sprache gestalten?

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Kann bitte jemand grammatikalisch herleiten und helfen zu erklären, warum das falsch ist?

Dazu müsste es falsch sein.

Vielleicht stammt das ganze aus dem Lateinischen, jedenfalls hat es eine lange Tradition, Nomina Agentis aus dem Partizip Präsens herzuleiten.

"Vorsitzender" ist bspw. eine Lehnübersetzung von "président" (einem substantivierten Partizip Präsens) bzw. von Latein "praesidens", dem substantivierten PPA von "praesedeo" (< prae 'vor'; sedeo 'ich sitze').

Anders als beim Gebrauch als Verb, muss die Handlung beim Gebrauch als Adjektiv oder Substantiv nicht zwangsläufig "jetzt gerade" stattfinden, vgl. Beispiele oben.

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Der "Tiefstand" ist, dass sich neuerdings zeigt, wie viele Leute überfordert sind, wenn Grammatik verwendet wird, die nach den ersten beiden Schuljahren gelehrt wird. Das muss ja so sein, warum sollten man sich jetzt plötzlich über Wortformen beklagen, die vor 15, 20 Jahren niemanden interessiert haben. Ich verweise nochmal auf die Alleinerziehenden.

Schreib du deinen Brief. Irgendjemandem wirst du einen Lacher bescheren. Jeden Tag eine gute Tat! 🙂

rei2017  18.01.2022, 01:37

Fast übersehen: Selbst bei überstrenger Auslegung wäre der Satz nicht falsch. Wenn die Leute ZURZEIT im Gespräch sind, sind sie ja wohl definitiv JETZT mit-am-arbeiten.

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siegesgewiss 
Fragesteller
 09.09.2023, 07:29

Danke erstmal für die Mühe!

Widerspreche aber :

Also den Begriff "Alleinerziehende" fand ich mein Leben lang schon komisch, jetzt weiß ich warum! Da fehlt was!

Hab mein Leben lang nie "die Spielenden" gehört, im Sinne von "Wo sind denn die Spielenden?" zB beim Fußball. Da würde man zur Lachnummer des Abends, wär Gaudi. Oder bei Kindern. Wer sagt sowas? Keiner.

Oder "Wo ist er denn, der Amtierende?" (Hä? Sorry)

Dto.

"Vorsitzende" macht nur Sinn im Kontext (des Aufsichtsrats), ansonsten ja, komplett im Sprachgebrauch üblich. "Zur Zeit sind alle Vorsitzenden im Gespräch.", ja, würde hinhauen, wenn Kontext bekannt. Ob semantisch sauber, weiß ich nicht.

"Deutsch sprechende Person"

Hab aber im Leben noch nie "die/der Deutschsprechende" gehört, siehe "Lachnummer" oben.

Die "Sprechenden" (pardon)

sagt doch kein Mensch! Hab ich noch nie gehört. Völlig fremd im Sprachgebrauch.

Trotzdem danke für die Bemühung der grammatikalischen Herleitung, muß ich mich noch mit befassen. Das braucht mehr Zeit.

Bis hierhin ist für mich aber bestätigt : Ist (wenn überhaup) eine totale, alltagsfremde Kunstform, die zu Recht (nicht nur mir) aufstößt.

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"Zur Zeit sind alle Mitarbeitenden im Gespräch" Kann bitte jemand grammatikalisch herleiten und helfen zu erklären, warum das falsch ist?

Es ist falsch, weil es „zurzeit“ heißen muss, falls es dir auch ums Schriftliche geht.

Die Getrenntschreibung ist nur dann korrekt, wenn eine bestimmte Zeit gemeint ist, wie zum Beispiel „Zur Zeit Goethes“ oder „Zur Zeit der Dinosaurier".

Wenn das Ganze im Sinne von „im Augenblick“ bzw. „jetzt“ oder „gegenwärtig“ gemeint ist, dann muss man „zurzeit“ schreiben.

Siehe auch hier: https://www.korrekturen.de/beliebte_fehler/zur_zeit.shtml

Geht es dir lediglich um den mündlichen Ausdruck, dann sehe ich da keinen Fehler.

Mitarbeitende sind nur solange Mitarbeitende wie sie tatsächlich auch arbeiten. Tun sie etwas anderes, was nichts mit ihrem Job zu tun hat oder machen gerade Pause, sind es keine Mitarbeitenden mehr.

Genauso wie Lok führende nur solange Lok führende sind, wie sie sich tatsächlich im Führerstand der Lok aufhalten und dort ihrer Tätigkeit nachgehen. Verlassen sie den Führerstand, sind es zwar immer noch Lokfüher, aber keine Lokführenden mehr.

"Mitarbeitenden" ist der neue Begriff für Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Eigentlich falsch, weil ein Mitarbeitender nur so bezeichnet werden kann, wenn er aktuell tatsächlich mitarbeitet. Aber ein städtischer Mitarbeiter bleibt auch einer, wenn er Feierabend hat. Allerdings arbeitet er ja dann auch nicht mehr mit, geht also auch nicht ans Telefon, dann passt es ja wieder.

Ein Busfahrer ist auch in seiner Freizeit Busfahrer du allerdings kein Busfahrender, wenn er nicht gerade einen Bulli steuert.

Mit StudentInnen und Studierenden verhält es sich ähnlich.

Ich liebe die Genderei! Nur Verwirrung ohne wirklichen Mehrwert.