Würdet ihr sagen das ein FSJ teilweise Ausbeutung ist?

10 Antworten

Hi,

ein Freiwilligendienst im Rettungsdienst ist an sich schon ein Sonderfall - die "praktische Hilfstätigkeit", die ein FSJ oder BFD kraft Gesetz eigentlich sein soll, lässt sich in diesem Bereich kaum umsetzen.

Die Freiwilligendienstleistenden werden daher entsprechend qualifiziert und entsprechend der rettungsdienstlichen Qualifikation eingesetzt.

Dabei richtet sich der Einsatz schlichtweg nach den üblichen Bedingungen im Rettungsdienst mit 12-Stunden-Schichten, Wochenend-, Feiertags- und Nachtarbeit - wenngleich hier üblicherweise Regelungen seitens des Trägers bestehen, damit es nicht überhand nimmt.

Auch wenn es sich um ein FSJ handelt es sich bei einem FSJ meiner Meinung nach einfach nur um den Versuch den extremen Mangel an Arbeitskräften im Gesundheitswesen mit Billigarbeiten zu ersetzen.

Jein - wobei es hier je nach Organisation erhebliche Unterschiede geben kann.

Die Arbeitsplätze könnte man auch problemlos mit regulären Kräften besetzen - entsprechende Planstellen sind oft genug frei.

Wenn man die Wahl hat, eine Stelle praktisch kostenneutral zu besetzen, wird in den meisten Fällen hier aber auch genau die Variante getroffen.

Würdet ihr dem zustimmen oder habt ihr da eine ganz andere Auffassung?

Nach "selbst ein FSJ im Rettungsdienst gemacht" und ein paar Jahren Beobachtung, wie es bei anderen läuft, bleibt die Feststellung

  • wenn ein FSJ, sollte man sich den Einsatzbereich "Rettungsdienst" überlegen und
  • wenn Rettungsdienst, sollte man sich das FSJ überlegen.

Tendenziell profitieren nur wenige Kandidaten von dieser Kombination - z.B. diejenigen, die den schulischen Teil der Fachhochschulreife benötigen oder diejenigen, die Punkte für das Medizinstudium sammeln wollen.

Ansonsten sind - gerade finanziell - andere Einstiegsmöglichkeiten in den Rettungsdienst attraktiver (und lukrativer).

Fazit

Prinzipiell spricht nichts gegen ein FSJ - im Falle des Einsatzbereichs "Rettungsdienst" ist der Benefit (hier vor allem eine bezahlte rettungsdienstliche Qualifikation) für den Freiwilligendienstleistenden allerdings eher gering und die Arbeitsbedingungen können leicht in Richtung "Ausbeutung" gehen.

Wenn das berufliche Ziel ohnehin im Rettungsdienst liegt, würde ich eher zu anderen Varianten des Einstiegs raten.

LG

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung – Ehemaliger FSJler im Rettungsdienst

Ich habe damals selbst ein FSJ im Rettungsdienst gemacht. Damit habe ich 2011 den Einstieg in den Rettungsdienst gemacht. Damals war das natürlich toll, die RS-Ausbildung finanziert zu bekommen. Das war aber auch schon das einzige wirkliche Benefit dieses Jahres.

Bei eingehender Betrachtung im Nachhinein ist ein FSJ im Rettungsdienst natürlich die maximale Ausbeute und ich würde es nicht mehr empfehlen. Für ein dreistes Taschengeld ersetzt man zu 100 % eine hauptamtliche Stelle, rund um die Uhr, mit allen Tätigkeiten und voller Verantwortung.

Auch wenn es sich um ein FSJ handelt es sich bei einem FSJ meiner Meinung nach einfach nur um den Versuch den extremen Mangel an Arbeitskräften im Gesundheitswesen mit Billigarbeiten zu ersetzen.

Absolut korrekt: grade die sogenannten "Hilfsorganisationen" ersetzen hauptamtliche Arbeitskräfte ja gern mit allen möglichen nicht oder wenig bezahlten Kräften.

Woher ich das weiß:Berufserfahrung
Würdet ihr dem zustimmen oder habt ihr da eine ganz andere Auffassung?

Ja, ich habe da eine ganz andere Auffassung.

Meiner Meinung nach ist es heute so, dass die Menschen "den Staat" als eine Art Dienstleister sehen und sie mit der Zahlung von Steuern ein Recht auf umfassenden Service haben.

Dabei übersehen sie, dass "der Staat" niemand anderes ist als wir alle zusammen. Sprich: Jeder von uns muss etwas dazu beitragen, dass unsere Gemeinschaft so funktioniert wie wir möchten, dass sie funktioniert.

Das war den Menschen früher deutlich bewusster als heute. Da war es völlig normal, dass jeder Mann eine gewisse Zeit (zunächst 1,5 Jahre, am Ende immerhin noch 6 Monate) bei der Bundeswehr abgeleistet hat. Und es war für viele Menschen selbstverständlich, ein Ehrenamt im eigentlichen Sinn (z.B. Stadt-/Gemeinderäte, LSHD/THW, Freiwillige Feuerwehr, DRK usw.) zu übernehmen oder sich in einem Verein zu engagieren - also eine gewisse Zeit lang eine Arbeit für die Allgemeinheit zu übernehmen.

Mit dem positiven Nebeneffekt, dass man gerade als junger Mensch dabei häufig auch noch etwas fürs Leben gelernt hat und der ein oder andere so auch den Einstieg in einen späteren Beruf gefunden hat, an den er vorher niemals gedacht hätte. Hier gerade im so wichtigen sozialen Bereich oder auch im Militärdienst.

Auch wenn es sich um ein FSJ handelt es sich bei einem FSJ meiner Meinung nach einfach nur um den Versuch den extremen Mangel an Arbeitskräften im Gesundheitswesen mit Billigarbeiten zu ersetzen.

Wie gesagt: Ich sehe das nicht als Ausbeutung, sondern als zeitlich stark begrenzten Arbeitsbeitrag zum Allgemeinwohl und als Möglichkeit, etwas neues zu lernen und einen Einblick in einen meist sozialen Bereich zu bekommen.

Ich glaube, es kommt da ganz auf die Stelle an. Ich mache auch gerade ein FSJ bei der Rettung. Das war für mich die einzige Möglichkeit, überhaupt die Ausbildung machen zu können.

Ich muss weder Nachtdienste noch Sonn- oder Feiertage machen. Auf dem RTW bin ich nur mit einem Hauptberuflichen zusammen, der die ganze Verantwortung trägt und auch die Entscheidungen fällt (obwohl ich fertiger RS bin). Verantwortung habe ich nur in dem Sinn, dass ich es sagen muss, wenn ich etwas nicht kann oder mir unsicher bin.

Einzig bei Krankentransporten sind wir ohne Hauptberufliche unterwegs und haben die Verantwortung. Klar kann es da auch zu Notfällen kommen (und ist mir gleich in meiner ersten Woche passiert). Da geht es dann aber mehr darum Ersthelfer zu sein, bis der RTW da ist. Schlussendlich sollte ein ausgebildeter RS zumindest Ersthelfer sein können.

Arbeiten muss ich nur 34 Stunden die Woche, Überstunden werden nicht bezahlt aber abgebaut. Jedoch bekomme ich nur 280€ im Monat.

Klar würde ich gerne mehr bekommen. Aber zumindest bei mir ist das FSJ eigentlich perfekt um ohne den dauernden Druck der Verantwortung einen Einblick in das Berufsfeld zu bekommen. Ausbeutung finde ich es daher zumindest bei mir nicht. Wenn ich natürlich wirklich die volle Verantwortung dauerhaft hätte, wäre es wieder was ganz anderes.

Das FSJ ist freiwillig, du kannst jederzeit aufhören.

Vielleicht möchtest du eine Ausbildung in diesem Beruf machen?

Das Schuljahr hat gerade erst, je nach Bundesland, gestartet. Der Rettungsdienst sucht bestimmt auch noch Auszubildende. Vielleicht nicht gerade da wo Du jetzt bist.