Woher kommt der Hass und die Ablehnung in Bezug auf das judentum?

2 Antworten

Wie der Hass auf die Juden über Jahrtausende tradiert und von verschiedenen Herrschern und Gruppen angefacht und instrumentalisiert wurde? Das ist eine lange, traurige und komplizierte Geschichte.

Aber du hast gefragt wo er im Ursprung zuerst her kommt... Dazu gibt es eine vielleicht überraschende Antwort!

****** Warnung vorweg: es handelt sich hier nicht um einwandfreie Fakten, sondern um eine These: Eine Möglichkeit. Es KÖNNTE so sein, muss aber nicht*****

Aus Ägypten.

Genauer: aus der 18. Dynastie, grob gesagt 1500 bis 1300 vor Christus.

Fun Fact: da gab es die Juden noch gar nicht, zumindest waren sie noch keine Monotheisten.

Die 18. Dynastie, mit Stammsitz in Theben (heute Luxor) war eine der reichsten und mächtigsten in der ganzen ägyptischen Geschichte, aber es gab zwei schlimme Geschehnisse.

1. Bevor die Fürsten von Theben an die Macht kamen, litt Ägypten unter eine Fremdherrschaft. Stämme aus Israel/Palästina waren ins Land eingedrungen und herrschten über die Ägypter. Sie hatten fremde Sitten und verehrten die Götter nicht. Die Thebaner konnten sie aber besiegen, aus dem Land vertreiben, und damit die 18. Dynastie begründen

2. Am Ende der 18. Dynastie kam der Ketzer Echnaton an die Macht. Er glaubte nur an einen einzigen Gott, ließ die anderen Tempel schließen und den Kult verbieten. Die Götter straften das Land mit Seuchen und Hunger. Zum Glück wurde die alte Ordnung nach seinem Tod aber wieder hergestellt und die Erinnerung an ihn ausgelöscht.

Klingen diese beiden Geschichten ein wenig voreingenommen? Tedenziös? Auf jeden Fall! Was ich gerade geschrieben habe ist nämlich auch kein historischer Fakt sondern die Propaganda der Thebaner (und die Sieger schreiben die Geschichte). Also, die Fremdherrscher (Hyksos) und den Ketzerkönig gab es schon, aber ob sie wirklich so schlimm waren ist eine andere Frage.

Der Ägyptologie Jan Assmann hat in seinem Buch "Moses der Ägypter" die These aufgestellt, dass diese beiden Ereignisse - Fremdherrschaft und Ketzerkönig - im Bewusstsein des ägyptischen Volkes ein tiefes Trauma hinterlassen haben. Beide Geschichten wurden tradiert und blieben im "kulturellen Gedächtnis"* haften. Noch Jahrhunderte später gab es die Geschichte von einem ketzerischen Priester, der alles genau umgekehrt gemacht haben soll wie es in der ägyptischen Religion eigentlich ist, und der mit seinen Anhängern nach Jerusalem floh. Und es gibt eine andere Variante, wonach ein Orakel dem Pharaoh dies aufgetragen hat, die unreinen und aussätzigen Leute aus Ägypten zu vertreiben. Das sollte den Zorn der Götter besänftigen.

Tja, und nun setzt man einmal all diese Puzzlesteine zusammen:

- Fremde aus Israel, mit seltsamen Sitten, die zu mächtig geworden sind und nun die Einheimischen regieren

- Fremde und Aufständische, die aus Ägypten fliehen

- Ketzer mit einer seltsamen Religion, die nur einen einzigen Gott haben und die in ihrer Religion alles umgekehrt machen wie wir.

- Unreine und Aussätzige, die den Zorn der Götter erregen, Seuchen verursachen, und daher vertrieben werden müssen

Wie klingt das? Ganz genau... Das klingt irgendwie ganz ähnlich wie die Geschichte von Moses und dem Auszug aus Ägypten: dem Gründungsmythos des Judentums.

Und es klingt wie einige der typischen antisemitischen Vorurteile... die ganze gruselige Reihe der judenfeindlichen Propaganda ist da schon vertreten: die Juden seien fremd, haben komische Sitten und eine seltsame Religion. Sie seien zu mächtig geworden und würden die Einheimischen beherrschen, und an Seuchen und Hungersnöten seien sie auch schuld.

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Lasst euch dass noch einmal auf der Zunge zergehen: All die Antisemiten, von Römern über das christliche Mittelalter bis hin zu den Nazis, alle wiederholen sie eine uralte Herrscherpropaganda aus der ägyptischen 18. Dynastie. (Und das, obwohl die meisten von ihnen keinen blassen Schimmer hatten, wer die Hyksos, die Thebaner und Echnaton überhaupt sind)

Ist das nicht ein völlig bescheuerter Grund für Hass und Diskriminierung?

Wäre doch auch einmal ein guter Anlass, um einfach damit aufzuhören...

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* kulturelles Gedächtnis: ein Begriff und Konzept, das von Jan und Aleida Assmann entwickelt wurden. Dazu gibt es auch ein Buch, wenn wer interessiert ist