"Wissenschaft ohne Religion ist lahm, Religion ohne Wissenschaft blind."?

11 Antworten

Grüß Dich madisonla

Um diesen Satz näher verstehen zu können sollte man andere Äußerungen Einsteins gegenüberstellen. Außerdem bedarf es einer längeren Erklärung, um zum Kern vorzudringen. Das geht leider nicht anders!

"Albert Einstein stellte für sich folgen­des absolut klarstellend fest:

Das Wort Gottes ist für mich nicht mehr, als der Ausdruck und das Produkt mensch­licher Schwächen. Die Bibel ist eine Sammlung ehrbarer, aber dennoch pri­mitiver Legenden, wel­che doch ganz schön kindisch sind. Keine Interpretation, wie feinsinnig sie auch sein mag, kann das für mich ändern. Ich glaube nicht an einen persönlichen Gott und ich habe dies niemals geleugnet, son­dern habe es deutlich ausgesprochen. Falls es in mir etwas gibt, das man religiös nennen könnte, so ist es eine unbe­grenzte Bewun­derung der Struktur der Welt, so weit sie unsere Wissen­schaft enthüllen kann.“

Und:

Diese Aussage ist eindeutig! Man kann wohl davon ausgehen, dass er jede Glaubensrichtung meinte, in denen Geister und Götter verehrt werden oder sich auf einen persön­lichen Gott bezogen wird. Zwar ist das Wort kindisch in diesem Zusammenhang abwertend gemeint, denke ich, aber das sollte man aus seiner eigenen religiösen Familiengeschichte heraus verstehen, die für ihn in manchem religiös-traumatisch war. In seinem Glaubensbe­kenntnis von 1932 hat Einstein nochmal seine Art von Religiosität präzisiert:

Das Schönste und Tiefste, was der Mensch erleben kann, ist das Gefühl des Geheimnisvollen. Es liegt der Religion sowie allem tieferen Streben in Kunst und Wissenschaft zugrunde. Wer dies nicht erlebt hat, erscheint mir, wenn nicht wie ein Toter, so doch wie ein Blinder. Zu empfinden, dass hinter dem Erlebbaren ein für unseren Geist Unerreichbares verborgen ist, dessen Schönheit und Erhabenheit uns nur mittelbar und in schwachem Widerschein erreicht, das ist Religiosität. In diesem Sinne bin ich religiös.(…).“

Dazu gehört, was die Definition von Religion ist. Da gibt es verschiedne Aussagen, aber diese finde ich am Besten. Ich komme dann auf die Frage zurück, aber wir sollten diesen Umweg einmal riskieren, um es besser verstehen zu können.

Es gibt eine sehr nahekommende Definition. Und zwar ist das die von Gustav Mensching, die wohl am ehesten den Begriff erklärt.

Religion ist erlebnishafte Begegnung mit dem Heiligen und antwortendes Handeln des vom Heiligen bestimmten Menschen“.

Da wäre aber noch zu klären, was heilig bedeutet:

Wikipedia:

Heilig bezeichnet etwas Besonderes, Verehrungswürdiges und stammt wortge-schichtlich von Heil ab, was sich abgeschwächt noch in heil („ganz“) wiederfindet. Im allgemeinen Sprachgebrauch ist heilig ein im Zusammenhang mit Religion gebrauchter Begriff mit der zugedachten Bedeutung „einer Sphäre des Göttlichen, Vollkommenen oder Absoluten angehörig“.

Heiligkeit muss aber keineswegs auf einen alleinigen Gott oder irgendwelche Götter, Engel oder Dämonen oder allein auf Tiere bezogen sein, sondern es darf auch das Leben selbst sein, mit all seiner Vielfalt, welches als besonders verehrungswürdig erlebt und angesehen werden kann. Denn im Leben steckt eine schöpferische Kraft, die auch in uns und durch uns wirkt.

Wissenschaft macht es sich zur Aufgabe die Welt und das Universum zu erforschen, reiht Fakten aneinander und stellt fest. Obgleich die Gebiete von Religion und Wissenschaft als solche getrennt seien, glaubt Albert Einstein, dass zwischen ihnen gegenseitige Abhängigkeiten beständen. Die Religion stelle die Fragen in etwa warum, wie oder durch was das Sein entstanden ist und welchen Sinn das Ganze für den Menschen hat. Sie gibt zwar eigene Antworten, deren vernunftorientierte Erforschung allerdings nur durch die von der unabhängigen Wissenschaft und deren Mittel möglich seien. Einsteins Folgerung daher:

Wissenschaft ohne Religion ist lahm, Religion ohne Wissenschaft ist blind.“

Denn je mehr man weiß, desto geheimnisvoller wird die Welt. Das Staunen, das sich ergreifen lassen von Wunder des Seins, das ist Religiosität im ursprünglichsten Sinne. Diese Fähigkeit dazu, die ist uns angeboren. Wer nur forscht und Fakten aneinanderreiht, der ist behindert (lahm) sich für dieses Wunder des Seins ergreifen zu lassen. Und andererseits ist eine Religiosität, die Wissenschaft nicht berücksichtigt, blind. Denn wenn Dinge gepredigt bzw. geglaubt werden, die nicht mit der tatsächlichen Realität zu tun hat, baut Wolkenskuckucksheime und belügt die Menschen.

Der Inhalt des Glaubens und das Umsetzen ins tägliche Handeln (Spiritualität) bildet dann die eigene Religion. So kann sie destruktiv, aber auch konstruktiv sein und daher haben wir für unseren Glauben die Verantwortung.

Paul Watzlawick, der nicht mehr lebende, aber berühmte österreichische Kommunika­tionswissen­schaftler, Psychothe­rapeut, Sozialphilosoph und Autor schreibt in seinem Buch “Wie wirklich ist die Wirklichkeit“:

Die sogenannte Wirklichkeit ist das Ergebnis von Kommu­nikation. Der Glaube, dass es nur eine Wirklichkeit gibt ist eine gefährliche Selbst­täuschung. Es gibt vielmehr zahllose Wirk­lichkeitsauffassungen, die sehr widersprüchlich sein können, die alle das Ergebnis von Kommuni­kation sind und nicht der Widerschein ewiger, objektiver Wahrheiten. Wir sind fortwäh­rend mit dem Flicken und Abstützen des wackeligen Gerüstes unserer Alltagsauffassungen der Wirklichkeit beschäftigt. Manchmal sogar auf die Gefahr hin, dass wir Tatsachen verdrehen müssen, damit sie unserer Wirklichkeitsauffassung nicht wider­sprechen, statt umgekehrt unsere Weltschau den unleugbaren Gege­benheiten anzupassen.“

Beziehen wir die Aussage auf ein religiöses Gedanken­gebäu­de, so kann es ebenfalls den unleugbaren Tatsachen angepasst sein - oder eben auch nicht. Ich bevorzuge das Erste aus einem ganz einfachen Grunde: ich will und kann nur etwas glauben, was nach aller Prüfung - und aus dieser Verantwortung dafür ist, so glaube ich, im Prinzip niemand entlassen - mir am wahr­schein­lichsten erscheint. Etwas anderes steht jedenfalls mir persönlich nicht zu Verfü­gung. Dabei habe ich das nicht wegzudrängende Ge­fühl, etwas wissen zu müssen, damit ich entscheiden kann, was glaubwürdig ist und was nicht.

Herzlichen Gruß

Rüdiger

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung

Ich weiß nicht genau was Einstein damit gemeint hat, aber das ist sehr wichtig, denn der Satz ist leichthin missverständlich im Sinne "man muss an Gott glauben, sonst hat man ein unvollkommeneres Wissen" oder " der gebildete Mensch muss zwar die Wissenschaft anerkennen, aber er muss auch an Gott glauben, alles andere ist Irrtum/einseitig/szientisisch".

In diesen Interpretationen wird der Satz einem ständig als Atheist entgegengeschleudert. Das ist ziemlich beleidigend. " Siehste, Wissenschafts-Bube, selbst dein großer Einstein sagt du bist blind wegen deinem Unglauben""

um ehrlich zu sein, was Einstein über Religion meinte ist nicht unbedingt maßgeblich nur weil er so ein guter Physiker war.

Vielleicht hat sich jemand ja mal mit dem Zitat näher befasst und versteht die Bedeutung etwas besser unter den anderen Antwortenden.

Hat das nicht Einstein gesagt?

Jedenfalls stimme ich der Sache ein Stück weit zu. Wissenschaft ohne den Glaube an etwas Höheres kann ziemlich trostlos sein, wenn man mal an die vielen Krankheiten und Bedrohungen für den Menschen denkt.

Menschen, welche sich radikal auf ihren Glauben beziehen und bewiesene Fakten bzw. äußerst logische Theorien ablehnen, sind meiner Meinung nach eine Zumutung. Ich kann immer noch nicht glauben dass es Regierungen auf der Welt gibt, wo die Religion eine derart große Rolle spielt, dass sie sich im Alltag der Menschen breit macht und deren Lebensqualität einschränkt.

Daher stimme ich dem Satz "Religion ohne Wissenschaft ist blind" definitiv zu. Ich würde mir von vielen Menschen wünschen, dass sie ihren Glauben zumindest mal genauer unter die Lupe nehmen würden. Warum? Weil es viel zu viele Menschen gibt, welche in eine Religion hineingeboren wurden und dann einfach die Ansichten ihrer Eltern übernehmen ohne daran zu zweifeln. Das ist meiner Meinung nach falsch.

Ich sehe es anders. Für mich ist die Religion nur der erste Versuch des Menschen, ihre Umgebung wissenschaftlich zu erklären. Es ist also chronologisch miteinander verbunden, heute aber nicht mehr verbunden.

Wissenschaft kann sowohl mit als auch ohne Religion lahm oder spannend sein. Religionen sind Krümmeln die niemand braucht.

Umgekehrt dagegen brauchen die Religionen die Wissenschaften, insbesondere die Naturwissenschaften um in ihren Märchenbüchern ihre "wissenschaftlichen Beweisen" zu untermauern.