Wieso wurde "Wer denkt abstrakt" (Hegel) erst 1835 veröffentlicht?

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Georg Wilhelm Friedrich Hegel hat die Abhandlung geschrieben, als er in Bamberg (1807 – 1808) die Redaktion der Bamberger Zeitung ausübte, um seinen Lebensunterhalt zu verdienen.

«Wer denkt abstract» ist eine Gelegenheitsarbeit, ein kurzer Aufsatz.

Veröffentlicht wurde das Werk nach Hegels Tod (1831), als eine Gesamtausgabe (Freundesvereinsausgabe; „Vollständige Ausgabe durch einen Verein von Freunden des Verewigten“) von Hegels Werken erschien, 1835 von Friedrich Christoph Förster und Ludwig Boumann. Das handschriftliche Manuskript (eine überarbeitete erste Niederschrift) hatte sich im Nachlaß befunden.

Als Abfassungszeit wird in neuerer Forschung die frühe Bamberger Zeit angenommen, April 1807 oder einige Monate später (Datierung teils wegen der Schriftbefunde, teils wegen einer Anspielung im Aufsatz auf ein Preisausschreiben im Morgenblatt für gebildete Stände vom 2. Januar 1807 mit dem 1. Juli 1807 als angegebenen Einsendeschluß). Als Beitrag zum Preisausschreiben kann der Text nicht gedacht gewesen sein, da er die Vorgaben (gereimt; Thema: Egoismus) nicht erfüllt.

Der Grund, warum Hegel den Text nicht veröffentlich hat (eine Veröffentlichung hat es zumindest nicht gegeben; die Forschung hat keine ermittelt), ist nicht sicher bekannt.

Es bleiben nur Vermutungen. Hegel könnte später mit anderen Arbeiten beschäftigt gewesen sein und die in eher satirischem Tonfall gehaltene Gelegenheitsarbeit war nicht wichtig und mehr an den Augenblick gebunden, auch wenn sie einen beachtlichen philosophischen Gedanken enthält.

Eine mögliche Vermutung ist, Hegel habe den Aufsatz für eine Veröffentlichung für eine geeignete zeitgenössische Zeitschrift vorgesehen, aber offenbar ist er damals nicht in einer Zeitschrift erschienen (Forscher, die entsprechende Zeitschriften zur Prüfung durchgesehen haben, haben nichts gefunden). Vielleicht ist der Aufsatz nur bei geselligem Zusammensein in der Bamberger Gesellschaft (z. B. gab es festliche und gesellige Veranstaltungen des Arztes und Begründers der Bamberger Kliniken Dr. Adalbert Friedrich Marcus [1753 - 1816]) schriftlich herumgereicht oder mündlich vorgetragen worden.

Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Gesammelte Werke. In Verbindung mit der Deutschen Forschungsgemeinschaft herausgegeben von der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften und der Künste. Band 5: Georg Wilhelm Friedrich Hegel, Schriften und Entwürfe (1799-1808). Unter Mitarbeit von Theodor Ebert herausgegeben von Manfred Baum und Kurt Rainer Meist. Verfasser des Anhangs Kurt Rainer Meist. Hamburg : Meiner, 1998, S. 379 – 387 (Text) und S. 677 – 681 (Editorischer Bericht)

S. 680: „Anläßlich der vorliegenden Edition wurden eine Reihe einschlägiger zeitgenössischer Publikationen geprüft. Es muß offen bleiben, ob Hegel bei diesen oder einer unbekannten Quelle den Abdruck angestrebt hat. Dagegen ist aus gewissen Indizien des gesellschaftlichen Lebens, in dem Hegel während seiner Bamberger Zeit durch Vermittlung etwa der Familie Paulus, aber auch in seiner Eigenschaft als Redakteur der Bamberger Zeitung teilnahm, immerhin auch die andere Möglichkeit zu erwägen, daß der Aufsatz aus einen hier zu suchenden Anlaß heraus entstanden sein könnte. So mag auch ein geselliger Beitrag in Gestalt dieses Textes durch Hegel persönlich in einem festlichen Kreise zu deren Unterhaltung nicht von der Hand gewiesen werden.

Walter Jaeschke, Hegel-Handbuch : Leben - Werk – Schule. Stuttgart ; Weimar : Metzler , 2010, S. 200 – 201

S. 200: „Dieser Aufsatz ist in seiner Art einzigartig im Corpus Hegelianum – eine Gelegenheitsarbeit, im Ton eher satirisch als philosophisch-wissenschaftlich, enthält er doch einen dezidiert philosophische Aussage. Überliefert ist er als Manuskript; ein Druck zu Hegels Lebzeiten ist nicht bekannt. Die Herausgeber des Bandes XVII der Freundesvereinsausgabe, Förster und Boumann, haben ihn unter die Vermischten Schriften aus der Berliner Zeit aufgenommen, und deshalb haben sie Hegels Wendung, beim «preussischen» Militär habe der Soldat als «Canaille» das passive Recht, geprügelt zu werden, durch «österreichische» ersetz – wohl nicht allein, weil Hegels Wendung in den 1830er Jahren politisch inopportun, sondern weil sie nach Scharnhorsts Reformen (1808/13) auch nicht mehr korrekt gewesen wäre.“

"Infolge der Besetzung Jenas durch französische Truppen war Hegel gezwungen, die Stadt zu verlassen, nachdem sich französische Offiziere und Soldaten in seinem Haus einquartiert hatten und ihm seine finanziellen Mittel ausgingen. ...Hegel fand in Bamberg 1807 einen Verleger für sein Werk Phänomenologie des Geistes. Er wurde Chefredakteur der Bamberger Zeitung, geriet dort jedoch bald in Konflikt mit dem bayerischen Pressegesetz. Schließlich verließ Hegel 1808 ernüchtert die Stadt in Richtung Nürnberg." Quelle: Wikipedia

Wahrscheinlich hatte er anderes zu tun. Wo sollte ein so kurzer Text einzeln veröffentlicht werden, zumal er die Franzosen lobt und die deutsche Niederlage bei Jena und Auerstedt noch so präsent war?

1835 war Hegel schon 4 Jahre tot; der Text wurde aus dem Nachlass veröffentlicht.

Albrecht  16.01.2014, 22:50

Grundsätzlich ist eine Veröffentlichung eines solchen kurzen Aufsatzes in einer damaligen Zeitschrift denkbar.

Bamberg gehörte zum damaligen Königreich Bayern und dieses war bis 1813 mit Frankreich verbündet.

Hegel erhielt als Redakteur die Mitteilung, in die Zeitung sollten nur offizielle Nachrichten offizieller Quellen eingerückt werden und als solche galten der Französische und der Westfälischer Moniteur.

Bei Jena und Auerstedt (1806) hatte Preußen als mitkämpfende Verkündete nur das Kurfürstentum Sachsen und das Herzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach.

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