wieso kann ich nicht loslassen?

1 Antwort

Kein Mensch der Welt ist nach 3 Tagen ein neuer Mensch. Die Leute wollen einfach nach außen stark wirken. In Wirklichkeit ist man aber nach 3 Tagen LANGE nicht fertig damit. Die Leute wollen bloß zeigen wie hart sie im nehmen sind. Das sind sie aber nicht, glaube mir ;)

Eine Beziehung zu verarbeiten, die man nicht selbst beendet hat, dauert meist recht lange. Erst recht wenn es die erste war. Jeder Mensch verarbeitet sowas anders. Die einen sind nach 6 Monaten wieder voll im Leben, andere brauchen sogar Jahre. So ein Verarbeitungsprozess dauert etwas und durchläuft mehrere Phasen der Trauerbewältigung. Die Zeit ist es am Ende, die die Dinge erträglicher macht. Es ist übrigens sehr gut, dass es bei dir auch gute Tage gibt, das bedeutet dass sich auch in deinem Kopf etwas verändert. Besser als wenn du noch heute völlig im Sumpf liegen würdest.

Einen Verlust zu verarbeiten dauert lange und er ist qualvoll. Trotzdem muss man sich aufraffen und zwingen Dinge zu unternehmen und sich abzulenken. Denn so hart es klingt: wer wirklich PERMANENT schlecht gelaunt ist (und das schon über einen langen Zeitraum), der ist da auch selbst dran Schuld. Das Leben wartet nicht auf dich, du musst am Ende da ganz allein durch. Das ist es was zum Prozess dazugehört. Zu erkennen, dass man im Leben mit sich selbst auskommen muss. Da draußen wartet niemand auf dich, du musst dich da selbst raus kämpfen. Und dieser Kampf ist das schwerste von allem, weil er an manchen Tagen wie eine Leichtigkeit wirkt und an anderen Tagen hat man das Gefühl zu ersticken. Doch so wie es im Leben immer ist: An Veränderungen gewöhnen wir uns mit der Zeit und wenn wir das versuchen durch eigene Beschäftigung zu unterstützen, dann werden die schlechten Tage von Zeit zu Zeit weniger werden. So lang, bis du bei dem Gedanken an den anderen nicht mehr traurig bist.

Ich bin da ein ganz gutes Beispiel denke ich. Ich wäre damals der Welt dankbar gewesen, wäre ich mit meinen (damals 15 Jahren) nach einem halben Jahr damit fertig gewesen. Stattdessen habe ich ganze 2 Jahre gebraucht um alles verarbeitet zu haben. Du siehst also: jeder Mensch braucht unterschiedlich lang, doch ein unfreiwilliges Ende einer Beziehung verarbeitet kein Mensch innerhalb von 3 Tagen. So eine Beziehung nimmt einen extrem großen und sehr intensiven Teil im eigenen Leben ein. Echte Liebesbeziehungen hinterlassen tiefe Wunden, die nicht von heute auf morgen heilen.

Noch heute bin ich nicht frei davon. Es sind seitdem viele Jahre vergangen. Dieses Jahr habe ich eine neue Partnerin kennengelernt, die mich vor 3 Wochen verlassen hat. Und noch heute trauere ich darum. Doch man wächst daran auch. Die Zeit heilt alle Wunden, wir alle müssen da durch. Sogar mehrfach im Leben. Die erste Liebe und auch die zweite bleiben nur in Ausnahmefällen die einzigen.

fvckye4h 
Fragesteller
 07.11.2023, 23:31

dankeschön, wirklich🙏 ich schätze den text sehr, vielen dank fürs zeitnehmen zum antworten

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erikbhrdt  08.11.2023, 00:19
@fvckye4h

Selbstverständlich. Sehr gern. Als jemand der das selbst erlebt hat, ist es ja fast schon eine emotionale Pflicht. Ich hoffe du kannst damit etwas anfangen.

Das Leben wird leider nicht leichter, sondern schwerer und nervenaufreibender. Das erste Mal tut zwar am meisten weh, aber der Schmerz hört 1. nie auf und 2. ändert er sich auch und wird nicht zwingend weniger schlimm. Während ich mit 15 über 2 Jahre lang über eine naive Liebe getrauert habe, habe ich dieses Mal jemanden verloren, der mir (auch weil man älter wird) einfach nochmal VIEL VIEL näher stand als meine Beziehung mit 15 Jahren. Es war viel erwachsener und tiefgründiger als noch mit 15 Jahren. Der Schmerz ist noch immer heftig, doch er ist anders. Schließlich hab ich (mehr als eine) Trennung ja schon erlebt, bloß macht es das Leben nicht einfacher, weil die Beziehungen mit dem Alter auch intensiver und intimer werden.

Und leider ist es so, dass das Leben uns mehr Lasten auferlegt als abnimmt. Damit will ich dich nicht einschüchtern oder dich verunsichern. Ich will nur die Wahrheit sagen, auch wenn sie nicht schön ist. Dafür lernen und wachsen wir mit jeder Beziehung und finden auch heraus was wir WIRKLICH wollen und wir beginnen auch bei der Partnerwahl genauer hinzuschauen. Und irgendwann wird vielleicht jemand kommen, der dir das geben kann, was du verdient hast. Doch bis dahin werden noch viele Jahre vergehen. Dein Herz wird sicherlich auch noch ein 2. Mal brechen, aber das gehört zum Leben dazu. Das Leben wird nicht einfacher, aber dadurch dass wir lernen und wachsen, halten wir mit der Zeit auch mehr aus. Lass den Kopf nicht hängen, zumindest nicht auf ewig.

Erlaube dir traurig zu sein. Erlaube dir zu weinen, erlaube dir frustriert zu sein, erlaube dir zu schreien, erlaube dir die Welt schwarz zu malen. Das ist keine Schwäche, es ist EXTREM wichtig um Stress abzubauen und neue Kraft zu tanken. Trauer nimmt uns die Last von den Schultern. Gleichzeitig musst du aber genauso dagegen ankämpfen. Weine, schreie und brich zusammen, aber stehe im gleichen Zug wieder auf wenn dich etwas in die Knie zieht. Du wirst sicher oft die Kraft nicht haben, doch es ist schon ein Fortschritt wenn man es schafft wieder aus dem Bett aufzustehen und sich ins Badezimmer zu bewegen. Vor 2 Wochen war ich nicht mehr in der Lage das Bett zu verlassen, inzwischen schaffe ich das wieder und esse sogar etwas mehr. Alles entwickelt sich und pendelt sich ein. Dafür braucht es aber auch einen Willen.

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erikbhrdt  08.11.2023, 00:27
@fvckye4h

Noch ein letzter Hinweis von mir: Das ALLERWICHTIGSTE ist es, mit Freunden und der Familie über den Verlust zu sprechen. Finde jemanden, der dir zuhört und klage ihnen dein Leid. Miteinander zu reden kann dir das Leben retten. Über Probleme zu sprechen ist extrem hilfreich.

Das zweite auch wichtige ist, REFLEKTIERE. Frage dich was du daraus lernen kannst. Welche Probleme und Gründe gab es für das Ende? Was hätte man verhindern können? Woran hätte man arbeiten sollen? Gibt es vielleicht sogar etwas, das du selbst falsch gemacht hast? Diese Fragen sind nicht dazu da um dich tiefer in die Trauer zu ziehen. Diese Fragen helfen dabei mehr über sich selbst zu erfahren und zu wachsen. Aus solchen Fragen kannst du lernen: Worauf kommt es mir bei einem Menschen WIRKLICH an? Worauf muss ich das nächste Mal bei der Partnerwahl genauer beachten? In welchen Situationen könnte ich Probleme durch Kommunikation besser lösen? Finde heraus was bei der kaputten Beziehung schief lief und lerne daraus, damit das beim 2. Mal nicht nochmal passiert.

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