Wie verstehe ich ein Gedicht richtig?

2 Antworten

Also mein Tipp für dich, wenn du noch keine Erfahrung mit Lyrik aus der Vergangenheit hast: Nimm dir zum Einstieg Balladen vor. Das sind sehr realitätsgetreue "erzählhafte" Berichte, Geschehensdarstellungen in Gedichtform. D.h. du kannst ihren Inhalt verstehen. Nimm als Beispiele: Die Füße im Feuer von C.F.Meyer oder Schillers Bürgschaft oder Der Handschuh (Unter Ballade findest du noch mehr bei Wiki z. B.). Solche Balladen verstehst du aufgrund der realistischen Sprachstruktur und deiner Lebenserfahrung. An den Balladen kanns du schon Gestaltungsmittel der Lyrik studieren, wie Reim (Endreim, Binnenreim Versmaß, Metrik, usw). Beei vielen Gedichten brauchst du das historische Umfeld, das literaturhistorische vor allem: Goethes Willkommen und Abschied = Sturm- und Drang-Periode, oder Es ist alles eitel (Gryphius = Barockdichtung).

Das sind nur zwei kleine Hinweise. Generell gibt es keinen Generalschlüssel. Du mußt dich reinschaffen in jedes kleine lyrische Werk hinsichtlich : Geschichte der Epoche, Biographisches, Kunst- und Kulturgeschichtliches und natürlich Theoretisches aus der Literatur. Viel zu tun. Nichts wie ran, aber wenn du's hast, .....dann hat's dich vielleicht auch. Bonne chance !

CannonTross 
Fragesteller
 03.09.2023, 19:46

Danke für die sehr ausführliche Antwort!!! :)

0

Ich sehe zwei Probleme: das eine besteht darin, dass man alte Wörter gar nicht mehr kennt. Die müssen einem vom Lehrer in der Schule mitgegeben werden oder man hat eben ein Wörterbuch dabei.
Ein anderes Problem besteht darin, dass die Schriftsteller früher sehr viel komplizierter geschrieben haben, als dass heute meistens der Fall ist. Am besten stellst du hier per Foto mal einfach ein Gedicht rein, das dir Schwierigkeiten bereitet. Dann kann man da vielleicht ganz konkret ansetzen und dir helfen.

Marsyas  04.09.2023, 00:13

Tja, in früheren Zeiten gab es in den bildungsnahen Schichten fundierte Kenntnisse der Antike und klassischen Mythologien. Man kannte die Ilias z.B. und das 5. Jahrhundert. Und ohne Kenntnis der Bibel und der griech.röm. Antike kannst du nur schwer Shakespeare verstehen oder Rilke oder Goethe usw. Und die Sprache ist nicht kompliziert, sondern sie ist lyrisch, d.h.artifiziell, sie ist Kunst, sie muß so sein, um dem Bedürfnis des Dichters NACH Ausdruck zu genügen. Ich hoffe, mein Gedankengang ist nachvollziehbAR:

0
gutifragerno  04.09.2023, 00:27
@Marsyas

Nur eine kurze Anmerkung: Die Sprechgewohnheiten auch in gebildeten Kreisen haben sich in den letzten 200 Jahren aber auch geändert. Heute würde kein Sprachkünstler mehr so sprechen wie Schiller seine Figuren zum Beispiel im Drama „Die Räuber“ sprechen lässt. ;-)

0