Wie verhielten sich die Bibelforscher im 1. Weltkrieg?

2 Antworten

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In Bezug auf Zeugen Jehovas mag das im Großen und Ganzen stimmen, denn als Zeugen Jehovas traten sie ab 1931 auf . Heißt also, dass sie ab diesem Zeitpunkt - also auch im späteren 2. Weltkrieg überwiegend den Kriegsdienst verweigerten. Wie sich allerdings jeder Einzelne tatsächlich positioniert, kann eine Bruderschaft nicht vorschreiben, das ist eine Gewissensentscheidung. Deshalb kann es gut sein, dass einige Wenige, die von sich behaupteten Zeugen Jehovas zu sein aus Angst vor den Konsequenzen doch in die Uniform schlüpften. Weiß ich nicht, aber ist denkbar.

Im 1. Weltkrieg gab es noch keine Zeugen Jehovas, da nannten sie sich International Bible Students - auf deutsch Bibelforscher genannt. Die waren ja aus einem Bibel-Hauskreis in Pennsylvania hervorgegangen mit dem Ziel, um biblische Praktiken und Lebensweisen in der Schrift aufzuspüren und nach dem Erkennen aus ihrem Leben zu tilgen. Zu Beginn des 1. Weltkriegs waren viele er heutigen Erkenntnisse noch nicht präsent, da feierte man noch Weihnachten, hatte noch das Kreuz als Symbol, hatte die moralischen Parameter noch nicht nach heutigem Stand ausgeprägt und auch noch nicht verstanden, dass sich wahre Christen nicht an Kriegen beteiligen dürfen. Deshalb ließen sich junge Bibelforscher damals noch für das Militär rekrutieren, obgleich einige bereits den Finger hoben, sich ein Gewissen machten und dagegen aussprachen. Das ab etwa 1875 begonnene Loslösen von Jahrhunderte falschen Werten und Verhaltensweisen war zu dem Zeitpunkt bei weitem noch nicht vollendet und in Bezug auf die politische Neutralität incl. der Wehrdienstfrage erst kurz vor dem 2. Weltkrieg soweit ausgereift, dass man sich wie die Urchristen des 1. Jhd positionieren konnte. Aktuelle Folge: im Ukraine Konflikt kämpft kein ukrainischer oder russischer Glaubensbruder, der seine Überzeugung ernst nimmt und auch an den vorherigen Kriegen gegen Syrien, Irak, Afghanistan, Lybien oder Jugoslawien haben sich sich auf keiner Seite beteiligt.

Im 1.WK war die Erkenntnis der Bibel noch nicht so hell wie im 2. - Jene, die damals noch einrückten, schossen in die Luft. Erst beim 2.WK weigerten sie sich zur Waffe zu greifen - und wurden deshalb als Verräter des Regimes verfolgt und getötet.


Bast4321  31.01.2023, 13:39

Während des ersten Weltkrieges gab es noch gar keine Jehovas Zeugen....

kinder4kinder 
Beitragsersteller
 31.01.2023, 18:13
@Bast4321

ja, da hast du recht, da hießen sie noch Bibelforscher, aber sie waren im Krieg, hab dazu etwas gefunden ..

„Der Wachtturm“, Februar 1916 (deutsch), S. 24:

„Wahre Christen, Geheiligte, sind ohne Zweifel in allen Armeen jener Länder zu finden, die eine gesetzliche Wehrpflicht haben. Wir hören von Zeit zu Zeit von solchen Bibelforschern in den verschiedenen Armeen, über ihr Wohlergehen und ihr Bemühen, selbst unter solch schrecklichen Umständen das Licht hochzuhalten und den Herrn zu verherrlichen.“ 

und

Handbuch zum Bibelunterricht“, 1912 (deutsch), S. 567:

„Es ist anzunehmen, dass mit Rücksicht auf gewisse Umstände auch das Militär notwendig ist und dass wir daher mit Recht zum Militärdienst verpflichtet werden können.“ 

und

„Schriftstudien“, Band VI, „Die neue Schöpfung“, Ausgabe von 1922 (deutsch), S. 552:

„Sollte aber eine Neue Schöpfung zum Dienst in der Linie beordert werden, so hätte sie dem Befehl zu gehorchen und anzunehmen, dass der Herr, der dies zugelassen, dadurch irgend etwas Gutes für den Ausgehobenen oder für andere wirken will. Gelingt es in diesem Falle nicht, sich zu den Sanitätstruppen versetzen zu lassen, indem man seine Grundsätze dem zuständigen Beamten kurz mitteilt, so bleibe man in der Linie, aber erinnere sich, dass dem Befehl, einen Nebenmenschen niederzuschießen, Gehorsam nicht geschuldet ist

wurde damals unter Russel wohl noch etwas anders gesehen und sogar noch gesagt dass sie ,wenn nötig gehorchen und anzunehmen.

Der Wachtturm“, Mai 1916 (deutsch), S. 80:

„An der diesjährigen Gedächtnisfeier haben sich die Geschwister in großer Anzahl beteiligt. […] im Kriege und beim Militär.“

Der Wachtturm“, Juli 1915 (deutsch), S. 111:

„Durch die Gnade unseres lieben himmlischen Vaters gelangte ich gestern Abend im Schützengraben in den Besitz Eures lieben Briefes. […] Dem lieben himmlischen Vater hat es Wohlgefallen, einige seiner Kinder mit unter das Getöse der Kriegswirren zu stellen, was ich auch von mir sagen muss. […] An dem lieben Pfingstfeste wollte der Herr, dass ich die Stunden im Schützengraben zubrächte.“  

Interessant ist jedoch wie die WTG die Beteiligung am Krieg aufarbeitete:

Jahrbuch der Zeugen Jehovas, 1974 (deutsch), S. 83:

“Aufgrund der Unsicherheit, die unter ihnen vorherrschte, folgten nicht alle Brüder einem Lauf strenger christlicher Neutralität gegenüber den Angelegenheiten der Nationen. Eine beträchtliche Anzahl der Brüder leistete Militärdienst und kämpfte an der Front. Andere weigerten sich, Militärdienst mit der Waffe zu leisten, aber waren bereit, Sanitätsdienst zu leisten...

Der Wachtturm“, 15. April 1995 (deutsch), S. 18:

Gegen Ende des 1. Weltkriegs versäumten es einige Bibelforscher, wie Jehovas Zeugen damals genannt wurden, sich gegenüber den Angelegenheiten der Welt strikt neutral zu verhalten.“ 

Der Wachtturm“, 01. Januar 1998 (deutsch), S. 32:

Die zwei Weltkriege unseres Jahrhunderts brachen beide in Ländern der Christenheit aus und kosteten 50 bis 60 Millionen Menschen das Leben. Von Jehovas Zeugen kann jedoch richtigerweise gesagt werden, daß sie sich weder an diesen Kriegen beteiligten noch in irgendwelche momentanen Auseinandersetzungen verwickelt sind.

1995 hieß es noch einige versäumten sich strikt neutral zu verhalten und 1998 hieß es plötzlich dass sich Zeugen Jehovas nicht daran beteiligten.

Wikipedia sagt unter dem Stichwort „Kriegsdienstverweigerung der Zeugen Jehovas“ (Stand 04.09.2014):

„Die Haltung während des Ersten Weltkrieges war nicht einheitlich. ‚Die Mehrzahl der deutschen Bibelforscher leistete der Einberufung zum Militärdienst Folge.‘ […] Ab etwa 1917 sind die ersten ausdrücklich den Kriegsdienst verweigernden Bibelforscher nachweisbar.“
Bast4321  05.03.2023, 16:44
@kinder4kinder

Weil Jehovas Zeugen siich von den Bibelforschern getrennt haben, um nicht zu sagen abgesplittert.

Rutherford wollte, im Gegensatz zu Russel, konkret eine eigene Religion gründen - da haben die Bibelforscher nicht mitgemacht und blieben bei Russels Sicht.

Da sie immer noch keine eigene Religion gegründet haben sind sie heute nicht mehr so bekannt wie damals als sie noch mit der WTG verbunden waren.

Aber diese Bewegung an sich gibt es immer noch, zum Beispiel hier zu finden:

https://www.bibelforscher-wuppertal.de/

LG -B.