Wie konnte man Fremdsprachen die unbekannt waren entschlüsseln?

2 Antworten

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Ich recycle eine alte Antwort von mir:

Im 19. und 20. Jahrhundert wurden viele „alte“ Schriften, die seit vielen Generationen kein Mensch mehr lesen konnte, neu entziffert. Das war in jedem Fall eine spannen­de Ge­schich­te, und zwei Zutaten sind dazu erforderlich, wobei Mängel auf der einen Sei­te durch Über­fluß auf der anderen teilweise ausgeglichen werden können.

  • Man muß die Sprache kennen, in der der Text verfaßt ist. Im Zweifelsfall reicht auch eine ähnliche, verwandte Sprache. Das kann eine spätere Form derselben Spra­che sein (z.B. wurden die Maya-Hieroglyphen mit Kenntnis der modernen Maya-​Spra­chen verstanden, oder Altägyptisch über das damals gerade noch lebendige Koptisch), oder auch eine lose verwandte Sprache (z.B. war Ara­bisch eine Hil­fe im Entzif­fern von Akkadisch).
  • Man braucht Texte mit bekanntem Inhalt. Im besten Fall ist das ein echt zwei­spra­­chi­ges Dokument wie der berühmte Stein von Rosetta, aber manchmal kommt man auch mit weniger aus. Alt­per­si­sche Keilschrift wurde gelöst, indem ein fin­di­ger Forscher geschickt erriet, welche Eigen­namen im Text vorkommen, und auch, daß der Text wieder­holt Frag­­men­te vom Typ „Großkönig X, Sohn von Großkönig Y, Sohn von König Z“ ent­hielt (wie die Leute hießen und wer Groß­könig und wer nur König war, verraten die grie­chi­schen Historiker).

Mit sehr viel Glück kann man sich von einer Sprache zur nächsten durchquälen. Als man endlich Akkadisch lesen konnte, fand man Vokabellisten und Beispielsätze ei­ner ganz anderen, völlig unbekannten Sprache, die heute Sumerisch heißt (Sume­risch-​Kur­se auf Akkadisch müssen im Mesopotamien des 2. Jahrtausends der Ren­ner ge­we­sen sein). Sumerisch ist mit nichts außer sich selbst verwandt und wird seit 3000 Jahren von niemandem gesprochen, aber heute können wir es wieder lesen, dank der „Sprachlehrbücher“ auf Akkadisch, die die die sumerische Sprache hinreichend gut beschrieben.

Eine wesentlich Frage dabei ist, wie schwierig das Schriftsystem ist. Die meisten al­ten Schriften schreiben Silben (Konsonant+Vokal), und das ergibt viele Dutzend häu­fi­ge Zei­chen, die man alle zuordnen muß. Manchmal bietet das aber sogar Vor­teile, wenn man auf eine Regelmäßigkeit in der Sprache zurückgreifen kann. Linear B wurde z.B. geknackt, indem ein geschickter Amateur einfach annahm, es sei ir­gend­eine Art von Griechisch, und der Text enthalte Formulierungen der Form „Griechen und Grie­chin­nen“ bzw. „Türken und Türkinnen“; auch wenn man es nicht lesen kann, dann weiß man doch, daß das erste Zeichen, in dem sich die beiden Wörter unter­schei­den, ein­mal ir­gend­ein Konsonant plus E und das andere Mal derselbe Konso­nant plus I sein muß, man bekommt also ein bißchen Ordnung ins System. Mehrere solche An­nah­men und ein paar gut geratene Städtenamen lösten das Puzzle.

Buchstabenschriften sind generell einfacher, aber wenn man gar nichts von der Spra­che weiß, dann hilft das auch nicht viel weiter. Deshalb ist z.B. Meroitisch bis heu­te un­ent­zif­fert, und auch bei Etruskisch sieht niemand durch, obwohl es im Latein­alpha­bet ge­schrieben ist und man es daher phonetisch vorlesen kann.

Auch die Länge der erhaltenen Texte spielt natürlich eine Rolle. Etruskisch leidet sehr an kurzen Texten (bestenfalls ein einzelner Satz). Bei der Industalschrift beträgt die typi­sche Textlänge 4 oder 5 Zeichen, und letztlich kann niemand mit Sicherheit sa­gen, ob es sich um eine Schrift im engeren Sinn oder um etwas anderes handelt. Ohne neue Funde langer Texte wird man diese Sprachen daher kaum jemals lesen können.


Triviaman 
Beitragsersteller
 15.04.2025, 02:12

Wow klasse. Danke für deine tolle antwort

Man hat Dokumente gefunden, die in zwei oder mehreren Sprachen vorlagen - von denen mindestens eine Sprache bekannt war. (Rosetta-Stein).


Triviaman 
Beitragsersteller
 14.04.2025, 08:59

Danke den kannte ich noch nicht.