Wie glaubwürdig sind römische Quellen bezüglich der Germanen?

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Die Roehmer waren bekanntlich nicht gut auf die Germanen zu sprechen, somit kann ihre Geschichtsschreibung darüber nichts gutes sagen. Der Verlust ihrer Legionen im Teutoburger Wald und der ständige Druck auf ihr Imperium, gefiel ihr ganz und gar nicht. Ein roehmischer Bischof nannte die aus Karthago kommenden Plünderer Vandalen, im weitesten sinne waren das auch Germanen.

https://www.planet-wissen.de/kultur/voelker/roemer_in_germanien/pwiewissensfragen136.html#:~:text=Haben%20die%20R%C3%B6mer%20die%20Germanen%20f%C3%BCr%20Barbaren%20gehalten%3F&text=Der%20r%C3%B6mische%20Schriftsteller%20Publius%20Cornelius,Hunger%20und%20K%C3%A4lte%20abgeh%C3%A4rtetes%20Volk.

Woher ich das weiß:Recherche
zetra  04.09.2021, 12:43

Danke für den Stern.

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Wenn man genau arbeitet muss man jede Quelle einzeln und unabhängig voneinander bewerten. Das kann und werde ich an dieser Stelle schon aus Zeitgründen nicht tun. Das grundsätzliche Problem antiken Schriften der Geschichtsschreibung ist der Zweck, denn die Autoren benutzten Geschichte, um Botschaften zu vermitteln und Aussagen über ganz andere Dinge zu tätigen.

Zum Beispiel: Tacitus' Agricola, eine Biographie über seinen Schwiegervater und insbesondere dessen Zeit als Feldherr in Britannien, hat das Problem, dass Agricola positiv stilisiert wird - das heißt nicht, dass er schlecht war, aber er wird besser dargestellt als er vermutlich war, weil der vermutliche Zweck im Hintergrund eine Gegenüberstellung war von Agricolas Tätigkeit in Britannien (positiv) zu Kaiser Neros Außenpolitik (negativ), und Tacitus' Darstellung von Agricola muss besonders positiv sein, damit Nero umso schlechter da steht. Für Tacitus' ethnographisches Werk Germania gilt dasselbe, mit dem einzigen Unterschied, dass er sich hier nicht auf Einzelpersonen, sondern mehr auf das römische Reich im Ganzen bezieht. Dazu kommt, dass er bei weitem nicht alles, worüber er erzählt, selbst gesehen hat, vieles sind Informationen aus zweiter oder dritter Hand. Selbst ungewollt geht da schon viel verloren bzw. ändert sich.

Noch ein Beispiel: Caesars commentarii zum Gallischen Krieg. Da berichtet er viel von gallischen, belgischen, helvetischen und anderen Stämmen. Der Bericht muss aber mit Vorsicht genossen werden, denn natürlich ist er manipuliert: Die commentarii waren in erster Linie kein literarisches Werk, sondern Caesars jährlicher Kriegsbericht an den Senat. Wenn er also beispielsweise schreibt, dass ein Stamm besonders tapfer, kampferfahren und gefährlich ist, dann heißt das nicht zwingend, dass es tatsächlich so ist, sondern dann ist das oft eine Übertreibung, mit der Caesar dem Senat gegenüber die Fortführung des Krieges rechtfertigen will.

Die Liste ließe sich fortsetzen. Zu beachten ist natürlich auch, dass die "Germanen" lange Zeit keine Verbündeten der Römer waren - entweder Feinde oder neutrale Randstämme, ab und zu Stämme mit gemeinsamen/ähnlichen Interessen. Speziell im Fall der Germanen ist es so, dass tendenziell spätantike Texte glaubwürdiger sind. Wie gesagt kann man keine generelle Aussage dazu treffen, aber dadurch, dass mit der Durchsetzung des Christentums Bischöfe in jedem größeren Ort sind und diese gerne Chroniken/Berichte o.ä. schreiben und außerdem oftmals auf gute Informationsnetzwerke zugreifen können, sind die spätantiken Autoren wenigstens näher dran, wenn sie über die "Germanen" schreiben. Aber auch hier Vorsicht: In der Spätantike werden einige "germanische" Stämme Bündnispartner der Römer und stellen einen Großteil der römischen Auxiliartruppen. Da ändert sich also das Verhältnis.

Mir bleibt nur noch einmal zu betonen, dass eine generelle Aussage über Glaubwürdigkeit von Quellen, egal zu welchem Thema, unmöglich ist.

Woher ich das weiß:Berufserfahrung – Studium Archäologie und Alte Geschichte, tätig u.a. am DAI

Die sind genauso glaubwürdig wie 400 Jahre alte spanische Quellen über die Ureinwohner Südamerikas, über 200 Jahre alte europäische Quellen über die Indianer Nordamerikas oder über 120 Jahre alte deutsche Quellen über die Einwohner Afrikas.

Es wurde immer aus der Perspektive des vermeintlich Überlegenen gegenüber "kulturlosen und minderwertigen Wilden" geschrieben.