Wie gehen Klimamodelle mit Unsicherheiten um und wie können diese so viele Faktoren berücksichtigen und validieren?

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Es gibt sehr viele Klimamodelle und alle können ein bisschen anders funktionieren, weshalb ich mich hier auf die CIMP-Modelle (CIMP5) beziehe, mit welchen auch der IPCC arbeitet. Im CMIP (Coupled Model Intercomparison Project) werden unterschiedliche Modelle miteinander verknüpft (Ensemble-Methoden), um Unsicherheiten zu quantifizieren und korrigieren. Da es beim Thema Klima schwierig ist, Experimente mit empirischen Beobachtungen durchzuführen, ist die Überprüfung der Daten, die von den einzelnen Modellen eingegeben werden, kompliziert. Diese Prüfung wird mit sogenannten 'Hindcasts' durchgeführt, das heißt, Vorhersagen aus der Vergangenheit in die Zukunft, die dem aktuellen Zeitpunkt entsprechen. "Hindcasts" beziehen sich also auf das Laufen von Modellen rückwärts in der Zeit, um die Fähigkeit des Modells zur Wiedergabe bekannter Klimadaten zu testen. Durch Vergleich von Hindcasts mit realen Beobachtungen können Forscher dann die Zuverlässigkeit ihrer Modelle überprüfen und ggf. Anpassungen vornehmen, um die Genauigkeit zukünftiger Prognosen zu verbessern. Danach werden langfristige Simulationen durchgeführt, gefolgt von weiteren, detaillierteren Simulationen, die sich ausschließlich auf die Atmosphäre konzentrieren. Diese Simulationen gelten als Time-Slice-Experimente. Man unterscheidet zwischen "Near-Term" und "Long-Term". Das "Near-Term" Design sieht ausführlicher gesehen so aus:

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Das "Long-Term" Design wiederum so:

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Die Hindcasts sind aus meiner Sicht aktuell die einzige Methode experimentell die Eignung der zugrundeliegenden Modelle zu quantifizieren, und sie anhand ihrer Abweichungen zur Messung einzuordnen. Hinzu kommt die relativ große Menge an integrierten Modellen, und die steigenden Komplexität der ermittelten Daten in den einzelnen Phasen. Phase 6 ist zum Beispiel noch einmal deutlich komplexer. Die Menge an Ergebnisdaten dieser Phasen bewegen sich inzwischen im Petabytebereich. Die Datengrundlage und der Umfang der Prognosen ist also nicht einfach aus der Luft gegriffen. Sondern eben auch aus dem Wasser und dem Boden, und aus der Vergangenheit (Proxydaten)

A Summary of the CMIP5 Experiment Design (llnl.gov)

Ein kleines Beispiel des ersten Sachstandbericht des IPCC. Die gestrichelte Linie bezeichnet immer den Zeitraum, bis zu dem die Modelle sich warmlaufen konnten (hindcast) und sie sehen, wie genau das Modell dann den mittlerweile ja bekannten, aber damals eben noch nicht bekannten Temperatur-Verlauf gesehen hat. Die bunten Kurven sind die Temperatur-Rekonstruktionen, wie wir sie im zweiten Kapitel der Vorlesung diskutiert haben, gestrichelt ist der Bereich, den das Modell als 95% Wahrscheinlichkeit herausgegeben hat:

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Bis zum vierten IPCC Sachstandbericht hat die Modellierung deutliche Fortschritte gemacht, wie wir sie im dritten Kapitel kennenlernten. Jetzt werden nicht nur einfache Projektionen gemacht, sondern tatsächliche Schwankungen der Vergangenheit werden berücksichtigt und ähnliche Schwankungen werden zufällig für die Zukunft angenommen:

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Die Modelle können also sehr gut die später tatsächlich gemessenen globalen Temperaturverläufe vorhersagen. Einen etwas anderen Ansatz verfolgt das Re-Analyse Projekt. Siehe:

RealClimate: Observations, Reanalyses and the Elusive Absolute Global Mean Temperature

In diesem Projekt werden gemessene oder berechnete Strahlungsantriebe der Vergangenheit in die Modelle integriert und getestet, wie genau sie die tatsächlichen Werte treffen oder wie stark sie voneinander abweichen. (Siehe erste Grafik) Es zeigt sich hier ganz klar, dass die Einbeziehung von realen Einflüssen (wie auch Strahlungsantrieben) eine ausgezeichnete Reproduktion von Klimaereignissen ermöglichen. Gerade das Erdsystemmodell kann die tatsächlichen Entwicklungen beinahe filigran nachzeichnen. 

Kleiner Input:

Da Modelle ohne vorherige Experimente nicht möglich wären, würde ich sie als eine Erweiterung der Experimente und Beobachtungen ansehen, nicht als eine Alternative. Der grundlegende Zweck der Experimente und Beobachtungen besteht darin, Aspekte eines Systems unter Bedingungen, die so weit wie möglich alle anderen Faktoren konstant halten (ceteris paribus), zu verstehen, um Vorhersagen über seine zukünftige Entwicklung treffen zu können. Extrapolation, die sich rein auf Experimente und Beobachtungen stützt, kommen also schnell an Grenzen, sobald sich Rahmenbedingungen ändern, insbesondere sobald sie sich außerhalb des Bisherigen befinden. Ein Modell zielt darauf ab, die Ergebnisse von Experimenten und Beobachtungen in einem Gesamtzusammenhang zu vereinen. Obwohl es gegenüber der Realität vereinfacht sein muss, bietet es den Vorteil, dass seine einzelnen Komponenten sich gegenseitig beeinflussen, wodurch es isolierten Experimenten und Beobachtungen überlegen ist. Also kurz gesagt, desto mehr Teilsysteme des Klimasystems in die Modelle integriert werden, desto näher kommen letztere der Realität; aber schon simple Atmosphärenmodelle liegen nicht weit daneben. Bereits die ersten Atmosphärenmodelle konnten übrigens Schwankungen in der Sonneneinstrahlung berücksichtigen, im Gegensatz zu immer wieder zu lesenden Behauptungen. Tatsächlich sind Modelle, in denen sich die CO2-Konzentration gar nicht ändert, sondern nur die Sonneneinstrahlung, durchaus imstande, annähernd die Erwärmung bis in die 1970er Jahre zu berechnen (hindcast). Nach dieser Zeitperiode funktioniert es jedoch im Wesentlichen nicht mehr, da die Strahlung um einen ziemlich gleichbleibenden Mittelwert oszilliert oder sogar niedrigere Maxima erreicht:

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Wir wissen, dass es zwei zentrale Größen bei der ganzen Klimawandeldiskussion gibt. Die erste sind die Strahlungsantriebe. Der zweite zentrale Wert ist die Klimasensitivität des CO2. Wie frühere Modelle diese Werte projizieren konnten, ist in dieser Grafik ersichtlich. Spannend hier zu sehen ist natürlich, dass z.B. das Exxon-Modell (Sawyer) sehr nahe an der Realität war:

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Evaluating the Performance of Past Climate Model Projections - Hausfather - 2020 - Geophysical Research Letters - Wiley Online Library

Bzgl. der Klimasensitivität von CO2 ist es komplizierter und es würde zu lange gehen dies hier ausführlich und korrekt zu behandeln. Informationen dazu findest du aber hier:

Explainer: How scientists estimate climate sensitivity (carbonbrief.org)

Bezüglich Proxydaten:

Das gute an Klimaproxies ist, dass es eine Menge unterschiedlicher davon gibt. Proxydaten haben daher auch verschieden Schwächen und Stärken. Aufgrund der grossen Anzahl an Proxydaten kann man diese miteinander vergleichen und einen grossen Anteil von Unsicherheiten entfernen. Trotzdem sind sich Wissenschaftler gewissen Ungenauigkeiten von Proxydaten bewusst und benennen diese auch. Zum Beispiel geht man bei der (lediglich auf diese Methode bezogenen) Rekonstruktion mittels Sauerstoffisotopen - also dem Verhältnis der Isotope ¹⁶O und ¹⁸O, gemeinhin ausgedrückt als δ¹⁸O - von einem Fehler je nach Studie von zwischen 0,5 °C und 1,5 °C aus. Diese Fehler/Unsicherheiten sind also bekannt und werden auch so behandelt. Ein Klimamodell wird dadurch nicht verfälscht.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Bachelor of Science in Earth and Climate Sciences
 - (Wissenschaft, Umwelt, Klimawandel)  - (Wissenschaft, Umwelt, Klimawandel)  - (Wissenschaft, Umwelt, Klimawandel)  - (Wissenschaft, Umwelt, Klimawandel)  - (Wissenschaft, Umwelt, Klimawandel)  - (Wissenschaft, Umwelt, Klimawandel)

Hey!

Also: So ein Klimamodell ist komplex - dabei werden verschiedene Wechselwirkungen, Kreisläufe usw berücksichtigt, die aber zum Teil nicht ganz verstanden werden oder wurden. Also: Eine Unsicherheit besteht grundsätzlich. Aber: Alte Modelle sind schon sehr treffsicher gewesen, vgl. Manabe/Wetherald 1967, die einen Temperaturanstieg um 2° erwarteten, bei Verdopplung der CO2-Konzentration. Aktuell haben wir +48 % CO2 im Vergleich zu vorindustrieller Zeit in die Atmosphäre gebracht, was einen Temperaturanstieg um 1,1°C mit sich zog (siehe NASA).

Klimamodelle sind aber trotzdem nur Vereinfachungen der Realität. Stell dir mal die Erde vor: Diese wird von einem großen Gitter überzogen, für welche vereinzelt die Parameter berechnet werden. Unsicherheiten bestehen aber weiterhin, deshalb werden verschiedene Modelle verwendet, die immer mit verschiedenen Werten rechnen - daraus bildet sich ein Mittelwert. Liegt daran, dass ich nicht sagen kann, ob und wie viele Emissionen bis z.B. 2050/2100 usw ausgestoßen werden. AR5 (=Fünfter Sachstandsbericht des IPCC) von 2013/2014 (Band 1, Kap. 9) hat auf über einhundert Seiten das Thema Klimamodellierung behandelt. Aus dem sechsten Sachstandbericht ergibt sich folgende Darstellung:

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Quelle

Ganz offensichtlich: Die Simulationen spiegeln die Realität fast genau wider. Diese Genauigkeit zeigt sich auch aus Cheng et al. 2016, wobei ein Vergleich zwischen Beobachtung und Modellierung der Erwärmung der Ozeane betrachtet wurde. Eine rhetorische Frage lautet: "Wir können nichtmal das Wetter für die nächsten zwei Wochen vorhersagen", was stimmt, aber ich kann Wetter vorhersagen: Winter 2026 wird kälter als Sommer 2024. Wetten, dass? Klima ist schließlich nur eine Langzeitstudie des Wetters. Hansen et al. 1988 untersuchte die Entwicklung der Temperatur der Zukunft. Hansen et al. 2006 zeigt eine sehr gute Darstellung:

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Und seit 1988 sind die Modelle bedeutend besser geworden. Sogar Rückkopplungseffekte, die in die Modelle einflossen, wurde von Hansen et al. 2007 bestätigt. Ereignisse, wie z.B. El Niño/La Niña wurden isoliert und in Modelle einbezogen, siehe Fyfe et al. 2010. Wir können genügend Genauigkeit erwarten, sagen wir 90 %, vielleicht sogar 95 %.

Liebe Grüße!

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Biologiestudium
 - (Wissenschaft, Umwelt, Klimawandel)  - (Wissenschaft, Umwelt, Klimawandel)

CO2 Steigt -> es wird wärmer.

Mehr muss man nicht wissen.

Dazu gibts Null Unsicherheiten oder Probleme.

SyntaxError95 
Fragesteller
 04.08.2023, 16:45

CO2 ist natürlich einer der Haupttreiber.

Allerdings beziehen Klimamodelle eine extrem große Palette an Faktoren neben CO2 mit ein.

Außerdem zielt die Frage ja im speziellen auf Modelle ab, welche in der Lage sind mit einem Input an Daten das Klima der Vergangenheit und Zukunft zu simulieren, als auch zu rekonstruieren.

Siehe DWD:

https://www.dwd.de/SharedDocs/broschueren/DE/klima/broschuere_klimaforschung.pdf?__blob=publicationFile&v=5

Siehe IPCC:

https://www.ipcc.ch/site/assets/uploads/2018/02/ar4-wg1-chapter8-1.pdf

3

Als "Klimaleugner" fühle ich mich nicht angesprochen, habe jedoch den Verdacht, dass Du damit "Klimamainstreamskeptiker" meintest, womit ich mich angesprochen fühle:

Der IPCC selbst benennt das Problem von Klimamodellen, wenn auch nur gut versteckt im Kleingedruckten:

„Klimamodelle arbeiten mit gekoppelten nichtlinearen chaotischen Systemen, dadurch ist eine langfristige Voraussage des Systems Klima nicht möglich.“ (Klimabericht 2001 / Seite 774)

Bis auf den Begriff "langfristige" ist diese Aussage korrekt.

Und das Problem von Proxydaten ist zum einen deren Ungenauigkeit (Baumringe, Sedimente, Eisbohrkerne, etc.), und zum anderen deren meist mangelhafte Verfügbarkeit, was nur punktuelle Aussagen zulässt.

Genaue Temperaturrekonstruktionen sind damit nicht möglich, und Temperaturgrafiken im Zehntel-Grad-Bereich wie die von Michael Mann und Kollegen (Hockeystick) daher glatter Betrug.

Grautvornix  05.08.2023, 00:07
Als "Klimaleugner" fühle ich mich nicht angesprochen

Verständlich, wenn einer "Ey Arschgesicht" ruft, würde sich ein Arschgesicht auch nicht umdrehen.

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Grautvornix  05.08.2023, 08:22
Der IPCC selbst benennt das Problem von Klimamodellen, wenn auch nur gut versteckt im Kleingedruckten:

Zeig mal bitte die Stelle wo das im Kleingedruckten versteckt ist.

Bis auf den Begriff "langfristige" ist diese Aussage korrekt.

Wie lange ist denn "langfristig" bei Klimaveränderungen zu verstehen?

Es geht bei dieser Frage ja um Modelle, durch das Weglassen von langfristig, dadurch , behauptest du das sich das Klima gar nicht voraussagen lässt.

Jetzt wird aber schon einige Jahrzehnte das Klima erforscht und frühere Modellvoraussagen haben sich bestätigt, da der Zeitraum, auf den sich die Voraussagen beziehen, schon erreicht ist.

Wie kann das sein?

Toqiou275 hat das erklärt, wie das zusammenhängt.

Komm jetzt nicht mit Zufall, raten kann jeder, damit würdest du dich noch mehr disqualifizieren.

und Temperaturgrafiken im Zehntel-Grad-Bereich wie die von Michael Mann und Kollegen (Hockeystick) daher glatter Betrug.

Mann kam durch Berechnungen zu seinen Ergebnissen. Berechnungen führen oft zu Nachkommazahlen.

Warum also soll das Betrug sein, weil man das nicht messen kann?

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Schwuttcke  05.08.2023, 14:00
@Grautvornix
Wie lange ist denn "langfristig" bei Klimaveränderungen zu verstehen?

Musst den IPCC fragen, was er unter "langfristig" versteht, ist nicht mein Text.

dadurch , behauptest du das sich das Klima gar nicht voraussagen lässt.

Richtig.

Jetzt wird aber schon einige Jahrzehnte das Klima erforscht und frühere Modellvoraussagen haben sich bestätigt, da der Zeitraum, auf den sich die Voraussagen beziehen, schon erreicht ist.

Wenn man wie der IPCC auf zig Modelle zurückgreift, die alle ein unterschiedliches Ergebnis ausspucken, wird zwangsläufig immer eins dabei sein, das mehr oder weniger richtig liegt.

Komm jetzt nicht mit Zufall, raten kann jeder,

Richtig, raten kann jeder, siehe IPCC. Ich übrigens auch. Ich kann auch wie der IPCC behaupten, die Temperaturen werden bis zur Jahrhundertwende mit einer 85 % igen Wahrscheinlichkeit um 1- 4 Grad ansteigen. Mit dieser Aussage liege ich garantiert zu 100 % richtig.

Warum also soll das Betrug sein, weil man das nicht messen kann?

Temperaturen lassen sich akurat nur durch Messungen feststellen, oder kannst Du Deine Zimmertemperatur ausrechnen? Proxydaten wie z.B. Baumringe lassen aufgrund von Erfahrungswerten Schätzungen über vergangene Temperaturen zu, aber nur grob und punktuell, nicht global im Zehntel-Grad-Bereich.

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Grautvornix  05.08.2023, 14:28
@Schwuttcke

Du kannst schreiben was du willst, es kommt immer das Gleiche dabei raus.

Du hast nichts kapiert.

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