Wie ensteht der Auftrieb auf der Tragfläche?

6 Antworten

Der Auftrieb entsteht dadurch, daß die Tragfläche Luft nach unten lenkt. Dabei übt sie Kraft auf die Luft aus (-> zweites Newtonsches Gesetz), und die dabei entstehende Gegenkraft (-> drittes Newtonsches Gesetz) hebt die Tragfläche nach oben.

Was man zu diesem Thema meistens liest, sind nur Einzelheiten, die diesen Vorgang detaillierter beschreiben: Die Kraft verteilt sich ungleichmäßig auf die Tragfläche, das kann man mit Druck und Unterdruck beschreiben, und der Luftdruck um die Tragfläche wechselwirkt wiederum mit der Strömungsgeschwindigkeit.

Oft werden diese Einzelheiten mit der Sache selbst verwechselt und es werden Ursachen und Wirkungen durcheinander gebracht, insbesondere, was die Aussage der Bernoulli-Gleichung angeht.

Oft wird auch das Märchen von der Luft erzählt, die oberhalb der Tragfläche einen längeren Weg zurücklegen muß und sich deshalb beeilt. Vielleicht, weil sie glaubt, daß ein Unglück geschähe, wenn sie irgendwie "zu spät" an der hinteren Flügelkante ankäme.

Nein, das ist wirklich keine schlüssige Erklärung. Erstens schon deshalb nicht, weil ja auch Drachen und Flugzeuge mit einfacher Stoffbespannung ordentlich Auftrieb haben, obwohl der Weg der Luft an der konkaven Unterseite des Flügels exakt genauso lang ist wie der auf der konvexen Oberseite. Die Flugzeuge Otto Lilienthals und der Brüder Wright hätten gar nicht fliegen können, wenn die Story mit dem langen Weg der Luft wahr wäre.

https://wright.nasa.gov/airplane/lift1.html

https://de.wikipedia.org/wiki/Otto_Lilienthal

Zweitens zieht diese Behauptung nicht, weil die Luft oberhalb des Flügels in Wirklichkeit noch schneller strömt, als sie es "müßte", wenn sie Angst vorm Zuspätkommen hätte. Hier wird das im Windkanal gezeigt:

https://www.youtube.com/watch?v=UqBmdZ-BNig

Mehr zu dem Video: https://www.cam.ac.uk/research/news/how-wings-really-work

Erklärt wird die Entstehung des Auftriebs hier: https://de.wikipedia.org/wiki/Dynamischer_Auftrieb

Wer Mathematik nicht scheut, dem empfehle ich diese zwei Artikel von Klaus Weltner: Misinterpretations of Bernoulli's Law und Physics of Flight. Weltner beantwortet darin die Frage, wieso die Luft oben schneller ist als unten.

https://www.researchgate.net/publication/303974692_Physics_of_Flight

https://www.researchgate.net/publication/303974495_Misinterpretations_of_Bernoulli%27s_Law

Hier ist eine Serie von Seiten der NASA zum Thema Auftrieb: https://www.grc.nasa.gov/www/k-12/airplane/lift1.html Folge unten der Linkkette Theories of Lift. Es kommen dann auch drei Seiten Incorrect Lift Theory #1, #2 und #3. Dort wird auf richtige und falsche Ideen über den Auftrieb eingegangen.

Das Lehrbuch Understanding Flight von David Anderson und Scott Eberhardt empfehle ich, insbesondere auch den Anhang B: Misapplications of Bernoulli's Principle.

hologence  28.12.2021, 13:25
Vielleicht, weil sie glaubt, daß ein Unglück geschähe, wenn sie irgendwie "zu spät" an der hinteren Flügelkante ankäme.

das ergibt sich aus der Kontinuitätsbedingung für laminare Strömung, nicht aus Angst der Strömung. Diese Bedingung wird allerdings bei Strömungsabriss verletzt, den Piloten gar nicht mögen (hier kommt vielleicht Angst wieder ins Spiel).

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Meines Wissens ist dies überhaupt nicht vollständig geklärt. Ich habe in der Physikvorlesung etwa die folgende Erklärung gehört:

  1. Von den Luftteilichen, die vorne auf den Flügel prallen, gehen einige oben am Flügel durch, andere unten.
  2. Hinter dem Flügel müssen diese Teilchen wieder zusammen sein (dieser Punkt leuchtet mir nicht ganz ein).
  3. Der Weg oben durch ist weiter als der unten.
  4. Nun gibt es ein Gesetz von Bernoulli, nach dem der Druck auf eine Fläche umso kleiner ist, je schneller eine Flüssigkeit oder ein Gas über diese Fläche strömt.
  5. Wegen 3 und 4 ist also der Druck oben kleiner als unten und der Flügel wird nach oben gedrückt.
spelman  28.12.2021, 11:28

zu 2.: wenn das nicht so wäre, müssten sich immer mehr Teilchen vor dem Flügel stauen, was bei fortlaufender Bewegung zu einer Druckerhöhung bis ins Unendliche führen würde. Das ist offensichtlich nicht der Fall.

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diderot2019  28.12.2021, 17:26
@spelman

Das sehe ich auch so. Aber es ist nicht klar, ob die Teilchen wirklich am hinteren Ende wieder zusammen kommen müssen. Könnten nicht die unteren Teilchen in einem Wirbel zuerst um den Flügel herum und dann wieder zurück geblasen werden?

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spelman  28.12.2021, 21:29
@diderot2019

Das könnten sie natürlich. Und wenn der Flügel tatsächlich so steil steht wie in der Zeichnung ist es auch nicht weit entfernt davon. Das nennt man einen Strömungsabriß, der Auftrieb ist schlagartig weg und das Flugzeug stürzt ab (oder fliegt steil mit der Nase nach unten, fängt sich mit etwas Glück und kommt in die stabile Fluglage zurück). Der Auftrieb entsteht gerade nur dann, wenn die Luft auf der Untersteite relativ ungehindert (laminar) strömt.

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Schwammi284 
Fragesteller
 28.12.2021, 11:29

Leider ist das der größte Mythos zu diesem Thema. Die Luftteilchen müssen am Ende nicht wieder zusammen treffen. (Das machen sie sogar garnicht) , denn niemand zwingt die Luftteilchen wieder am Ende ein "paar" zu werden;😉

4 und 5 stimmen aber.

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zalto  28.12.2021, 11:48
@Schwammi284

Die mögen sich ja neu verpaaren, aber am Ende muss es doch ausgehen, sonst staut es sich.

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Hamburger02  28.12.2021, 12:33
Hinter dem Flügel müssen diese Teilchen wieder zusammen sein (dieser Punkt leuchtet mir nicht ganz ein).

Völlig zu Recht, denn das ist ein Gerücht, das sich nicht ausrotten lässt. Tatsächlich kommen zunächst benachbarte Teilchen zu unterschiedlichen Zeiten am hinteren Ende an.

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Die Luft wird gezwungen verschieden schnell über Ober und Unterseite zu streichen. Oben ist sie schneller und erzeugt dort ein Unterdruck und saugt den Flügel nach oben.

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – Maschinenbaustudent

das ist ein lange anhaltender Streit in der Strömungsmechanik zwischen

  • Auftrieb weil die Fläche schräg steht, und die Luft nach unten abgelenkt wird (dagegen: gewölbte Tragflächen machen Auftrieb auch wenn sie nicht schrägstehen)
  • Auftrieb weil die Luft auf der Oberseite der Wölbung schneller ist, somit der dynamische Druck höher und folglich der statische Druck geringer ist (die Summe muss wg. Energieerhaltung konstant sein; dagegen: auch nichtgewölbte Tragflächen machen Auftrieb durch Schrägstellung)

Der zentrale Denkfehler ist, dass die Strömung nicht kausal funktioniert, sondern einen Gesamtzustand bildet, der eine stabile Lösung der Navier-Stokes-Gleichung ist. Und dieser Zustand ist offenbar auf verschiedenen Wegen erreichbar.

Der Auftrieb entsteht durch den Bernoulli-Effekt.

siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Bernoulli-Gleichung

Woher ich das weiß:Berufserfahrung – Lehrer u. Fachbetreuer für Mathematik und Physik i.R.