AMA: Blickwechsel 12. November 2024
AMA: Deine Fragen an einen Psychotraumatologen
Alles zum Blickwechsel

Werden oft zu schnell harte Medikamente/Antidepressiva verschrieben?

2 Antworten

Gemäß den aktuellen S3-Leitlinien für Behandlung einer Depression sind Medikamente ab einem gewissen Schweregrad ein wichtiger Stützpfeiler in der Therapie. Es gibt heutzutage viele Antidepressiva, welche gut helfen können und es gute Erfahrungen damit gibt. Da eine Depression letztlich eine Stoffwechselstörung im Gehirn ist ("Hormonungleichgewicht") und man leider nicht feststellen kann wo genau das Problem liegt, ist die Verordnung des Antidepressivas immer sehr von den Erfahrungen des Psychiaters abhängig. Es käme wahrscheinlich nicht selten vor, dass bei 3 Psychiatern 3 verschiedene Medikamente bei der selben Problematik verordnet werden würden.

Da man es wie gesagt nicht weiß was genau auf einen zugeschnitten ist, sind Antidepressiva oftmals "Try and Error-Prinzip". Hinzu kommt, dass die Einstellung auf ein Antidepressivum immer mehrere Wochen dauert und auch die individuelle Wirkdosis je nach eigenem Stoffwechsel unterschiedlich ist und erst im Verlauf nach mehreren Wochen der Einnahme kontrolliert werden kann und dann ggf. angepasst. Antidepressiva wirken in der Regel mit einer Zeitverzögerung von ungefähr 2 Wochen. Die Nebenwirkungen können oftmals belastend sein und sind (zumindest in der Packungsbeilage) weit gestreut.

Es ist nicht selten sinnvoll, eine derartige Einstellung in einem stationären Umfeld zu machen.

Demnach liegt auch viel an der Erfahrung und Meinung vom Psychiater, ob und welche Medikamente er dir verordnen wird.

Woher ich das weiß:Berufserfahrung – Mitarbeiter im Krisendienst Bayern (mobiler Notdienst)

Ein Psychologe darf dir keine Medikament verschreiben, ein Psychiater schon. Aber zum Thema: Die jeweilige Verschreibungspraxis hängt von behandelnden Arzt ab. Es gibt durchaus Ärzte welche viel zu leichtfertig Antidepressiva verschreiben und solche die viel zu zögerlich sind... und natürlich auch alles dazwischen.

Fakt ist: Ab einer gewissen Intensität einer Depression ist eine medikamentöse Behandlung fast unumgänglich. Leider gibt es (mit Ausnahme von Johanniskraut-Trockenextrakt) keine pflanzlichen oder "leichten" Antidepressiva. Antidepressiva können zahlreiche Nebenwirkungen haben (vor allem zu Beginn der Behandlung) und sind oftmals auch nur unzureichend wirksam. Dennoch stellen sie ab einer gewissen Intensität der Beschwerden oftmals das kleinere Übel dar.

Ich bin der Ansicht, dass man nicht zögern sollte eine medikamentöse Behandlung in Anspruch zu nehmen wenn diese auch wirklich angezeigt ist. Ebenfalls bin ich der Auffassung, dass Antidepressiva von bestimmten Ärzten (nicht allen) zu leichtfertig verschrieben werden.