Warum schützen so viele Opfer ihre Täter?

7 Antworten

Es ist von außen (oder wenn man selber keine Opfer-Erfahrungen gemscht hat) mitunter schwer nachzuvollziehen, welche Wirkmechanismen da zusammenkommen. Darüber hinaus kommt das eigene Gerechtigkeitsempfinden, die eigene Hilflosigkeit und/oder Wut als Wissender oder Beobachter dazu.

Innerhalb der Familie (oder dem Bekanntenumfeld) ist es nicht zwangsweise der Vater (auch Mütter und andere können misshandeln/brauchen).

Naja, die betroffene Person erlebt den Täter ggf nicht die ganze Zeit als böse. Manche splitten die Bezugsperson, um auf das Geschehen irgendwie klar zu kommen, in Gute Bezugsperson und schlechte Bezugsperson auf. Dann geben sich nicht wenige Opfer selber die (Mit)Schuld; ggf wird dies durch den Täter unterstützt oder initiiert. Und gerade Kinder bedürfen der Zuwendung durch Erwachsene und haben für sich nichts zur Hand, um solche Erfahrungen kognitiv einzuordnen; zumal der Moment Trauma ist.

Irgendwie muss es den Moment überleben. Allgemein, bis es erwachsen wird (was vielleicht in der Selbstwahrnehmung bedingt durch die Auswirkungen der Traumatisierung erschwert werden kann), in dem Umfeld klarkommen.

Das Schlimme ist halt auch: wie erlebt man selber diesen Moment, wenn das bestehende Vertrauensverhältnis durch eine (zumeist) ältere Person derart ausgenutzt wird, einem nicht Mal der eigene Körper als sicherer Rückzugsort verbleibt?!?

Vielleicht wird ja alles noch schlimmer, wenn ich was sage... Wie nehmen mich andere wahr bzw. Wer will gerne als Opfer wahrgenommen werden?

Die betroffenen kann auch die Angst umtreiben mit diesem Schritt die Familie kaputt zu machen.

Und in dem Moment, wenn Du über deine Erfahrungen sprichst, holt es alles mitunter hoch und Du "darfst" es innerlich wiedererleben.... Du genießt aber jeden Moment, in dem Du möglichst weit weg von diesem Bezug kommst.

Und genau genommen wirken wahrscheinlich diese (und noch andere Gedanken/Aspekte), weshalb Überlebende ihre Täter "schützen"

Survivor265  22.01.2023, 09:22

Mitunter kann es auch so sein (zB Boy- oder Girllover), dass sich da jemand eines bereits vernachlässigten Kindes annimmt. Das Kind erfährt also durch die Person, anders als Zuhause, mal eine positive Zuwendung - und gerade aus einem Mangel ist man für Erfüllung sehr empfänglich. Nur leider gibt es die bestärkende Zuwendung nicht zum Nulltarif, sondern die Gegenleistung ist die Missbrauchshandlung. Und um die positive Erfahrung nicht einzubüßen, wird das, was NoGo ist, mitunter ertragen (und dann kommt ja auch noch das Machtgefälle dazu). Missbräuche in (Sport)Vereinen sind ein Bespiel dafür oder Vorfälle 2011 bei der Berliner Parkeisenbahn (ist, weil es öffentlich wurde, gut dokumentiert).

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Meist haben sie ihr Leben lang Angst vor dem Täter. Angst vor sozialer Ausgrenzung, finanziellem Abstieg u. s. w. - Andere haben zum Täter ein gutes Verhältnis bzw. man kann mit Menschen, die den Täter mögen nicht über seine Taten sprechen, ohne dass es öffentlich gemacht wird. Das öffentlich machen hat viele Konsequenzen auch für das Opfer, die Familie und das Umfeld. Das überlegt man sich sehr gut.

Erst aus sicherer Entfernung können Opfer eine passende Haltung zum Täter bekommen.

Sandofix  27.08.2022, 08:09

Dazu kommt das gezielt Angst erzeugt wird, das prägt sich ein. Viele kommen auch einfach nicht aus dieser Situation heraus. Es hilft ja keiner, somit wird sich lange damit abgefunden.

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Bananaphone0  27.08.2022, 08:13
@Sandofix

genau, der Täter macht dem Opfer klar, dass es den Mund zu halten hat. Natürlich ohne dass andere es mitbekommen. Solange Opfer und Täter in enger Nähe leben, geht das meist nicht gut für das Opfer aus. Außerdem gibt es auch das sog. Stockholmsyndrom. Das mag bei einigen Opfern eine Rolle spielen. Dazu muss man die gesamte Familienkonstellation kennen.

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Wenn es ein eigenes Familienmitglied ist in dem Opfer ein Zwiespalt, soll es die "Loyalität halten" oder "verraten"?

Außerdem ist es nicht leicht über so einen Fall zu sprechen und das wiederum kann auch Folgen haben, die vermieden werden möchten.

In einem Angstzustand kann einem vieles manipulieren.

Zudem schenken einem die Täter sehr viel Aufmerksamkeit. Nicht alle Täter, welche zum Beispiel jemandem gefangen halten, behandeln sie schlecht.

Viele von ihnen leben ja dann zusammen und das führt dazu, dass man eine Bindung entwickelt.

Survivor265  22.01.2023, 09:23

zusätzlich: Stockholm-Syndrom ist ja auch eine Bewältigungsform

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Das kann aus scham oder auch angst sein .