Warum ist Privatsphäre so wichtig?

6 Antworten

Es fängt schon bei Kleinigkeiten an. Hier ein Beispiel aus der Zeit, als der Datenschutz noch nicht in aller Munde war und die GEZ noch Gebühren für jedes Einzelgerät erhob:

Der Kollege kaufte sich online bei einem bekannten Anbieter ein neues Radiogerät, um das alte wegzuwerfen. Kurze Zeit darauf bekam er ein Schreiben von der GEZ, in dem er unter Strafandrohung aufgefordert wurde, für das kürzlich erworbene Gerät GEZ-Gebühren zu zahlen.

Möchtest du das? Möchtest du auf diese Weise kontrolliert werden und dich rechtfertigen müssen für deine Privatangelegenheiten?

Möchtest du eines Tages von deinem Chef gesagt bekommen, dieser oder jener Fehler sei dir vermutlich unterlaufen, weil du in der Nacht zuvor um nach 23 Uhr eine Pornoseite besucht habest und dich nicht ausreichend für den Arbeitstag vorbereitet habest? Möchtest du von deinem Chef deswegen zur Rede gestellt werden? (Vielleicht vor der Belegschaft?)

Oder möchtest du von der Krankenkasse zu höheren Beiträgen aufgefordert werden bzw. zu Untersuchungen und Behandlungen, weil du dir mehrfach bestimmte Gesundheitsprodukte online gekauft hast, so dass du in Verdacht geraten bist, dass du deiner neuen Krankenversicherung etwas über deinen Gesundheitszustand verschwiegen hast?

Du kannst dir belieibige weitere Beispiele ausdenken, die weitaus gruseliger sind.

MMMMMensch 
Fragesteller
 04.10.2016, 19:13

Danke für Deine Antwort. Das kann ich nachvollziehen. Deine Beispiele zeigen, wie Überwachung unser Leben und damit die Gesellschaft verändern kann.

Dann ist wohl nicht allein das Unwissen über das Ausmaß der Überwachung ein Problem, sondern auch das Unwissen über die negativen Folgen dieser Überwachung für mein Leben. Selbst dann, wenn ich mich an alle Gesetze halte.

Ich meine, bevor ich von Snowdens Enthüllungen wusste, habe ich mir gar keine Gedanken gemacht und mich "normal" verhalten. Aber jetzt wo ich davon weiß, mache ich mir Gedanken, obwohl ich glaube, nichts zu verbergen zu haben. So habe ich z.B. meine Webcam am Notebook zugeklebt. Und wo ich das hier schreibe, komme ich mir schon doof und paranoid vor. Aber in der Doku erzählt Snowden, wie diese Kameras von Fremden eingeschaltet werden können, selbst dann wenn das Notebook aus ist.

Jetzt kann ich mir sagen: "Egal, nimm dich nicht so wichtig. Es interessiert eh niemanden was du tust. So wichtig bist du nicht."

Trotzdem, sogesehen hat Snowdens Enthüllung mich mehr beeinflusst als die Überwachung selbst. Hätte ich nie davon erfahren, dann würde ich mir keine Gedanken darüber machen und ich hätte auch meine Webcam nicht zugeklebt.

Aber das ist ja auch "nur" der psychische Aspekt. Deine Beispiele gehen ja noch viel weiter und zeigen den Einfluss der Überwachung auf das gesellschaftliche Leben.

Das würde dann wohl bedeuten, dass wir uns gezwungen sehen, uns immer konformer zu verhalten. Weil wir ansonsten soziale und finanziellen Nachteile und Schäden zu befürchten hätten. Selbst dann, wenn wir gesetzestreue Bürger sind .So würde ich dann auch die Antwort von anobi86 verstehen.

Der Schutz der Privatsphäre ist also wichtig, weil der überwachte Bürger sehr leicht zu manipulieren und zu beherrschen ist. Was gleichzeitig bedeutet, dass er dann nicht mehr frei nach eigener Überzeugung und eigenem Gewissen handeln würde? 

In einer ungeschützten Privatsphäre kann ich mich dann also nicht mehr so entfalten und entwicklen, wie ich es in einer geschützten Privatsphäre tun würde? Weil ich weiß, dass ich beobachtet werde. Und das ich mit Konsequenzen zu rechnen habe, wenn meine Meinung/Verhalten gegen die "Norm" verstößt. Selbst dann, wenn ich damit kein Gesetz verletze.

Das Recht auf Schutz der Privatsphäre billigt uns Bürgern also Geheimnisse zu? Wir dürfen also Dinge vor anderen verbergen? Das Verbergen an sich ist also keine kriminelle Handlung? Sondern im Gegenteil, eine Notwendigkeit bei der Persönlichkeitsentfaltung?

Es geht also gar nicht darum, ob ich ein Geheimnis zu verbergen habe oder nicht, sondern ob ich eine eigenständig denkende und handelnde Persönlichkeit zu schützen habe?

Dann ist Privatsphäre und deren Schutz tatsächlich wichtiger als ich es bisher gedacht habe. Und ich verstehe jetzt besser, warum der Schutz der Privatsphäre auch im Grundgesetz festgeschrieben ist.

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Es gibt eine Menge Leute, denen ihre Privatsphäre wichtig ist. 

Und die wollen nun mal nicht den gläsernen Menschen. Man hat ja keinen Überblick mehr, wer, wieviel und was genau von uns weiss. 

Das hat nichts mit verbergen wollen zu tun. 

Die Privatsphäre eines Menschen ist eines seiner wichtigsten Güter.

Allerdings wird sie im Zeitalter des Internets ad absurdum geführt. Was soll man vom Schutz der Privatsphäre halten, wenn manche Menschen anonym bleiben aber zugleich ihre gesamte Privatsphäre ungefiltert der Welt per Wort und Bild vor die Füße werfen?

Ich glaube, dass heute die Privatsphäre weniger von finsteren Geheimdiensten und Datenkraken angegriffen wird (für deren Entschlüsselungsalgorithmen Anonymität und Nicknames eh ein Witz sind), sondern viel eher von denen, die sie geschützt wissen wollen, selber.

Jeder hat was zu verbergen. Wenn deine Autoversicherung dir kündigt weil sie weiß, dass du manchmal was zügiger fährst oder deine Krankenversicherung dich nicht aufnimmt weil sie weiß dass du rauchst und wenig Sport treibst dann hast du relativ schnell ein ernstzunehmendes Problem..

Weil es ohne Privatsphäre auch bald keine eigene Meinung mehr geben würde.

MMMMMensch 
Fragesteller
 04.10.2016, 17:42

Aber warum sollte es ohne Privatsphäre keine eigene Meinung mehr geben?

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