Warum ist es ein Zeichen von negativem Selbstbild, wenn man jemanden kritisiert?

2 Antworten

Hallo Tindy,

erstmal finde ich es richtig gut, dass du deinem Gefühl von Irritation folgst! Behalte dir das bei - wenn du etwas nicht verstehst und es dir nicht einleuchtet, dann hinterfrage es. Das ist eine enorm wertvolle Eigenschaft!

Aber nun zum Inhalt:

Das ist ein Problem, was ich an Selbsthilfeliteratur sehe: Selbst, wenn sie wirklich hervorragend und hilfreich ist, kann sie nicht individuell auf die Situation des Lesenden eingehen und nur pauschale Aussagen treffen. Diese treffen aber - wie es pauschale Aussagen so an sich haben - nicht immer zu.

Hier scheint es mir zusätzlich noch so, dass da eine sehr einseitige Theorie dahinter steht. Es stimmt schon: Menschen, die ständig an allem rumnörgeln und andere die ganze Zeit niedermachen müssen, haben sehr, sehr oft sehr wenig Selbstwertgefühl und versuchen darüber, dass sie andere niedermachen, ihr eigenes Selbstwertgefühl zu steigern. Insofern ist an dem, was Matthews schreibt, ein wahrer Kern.

Aber du wirst es schon ahnen: Nur weil es bei manchen Menschen so ist, ist es nicht bei allen so. Ganz im Gegenteil: Auf differenzierte Weise Kritik üben zu können (ohne den anderen "plattmachen" zu müssen), ist eine sehr wichtige Eigenschaft von gesunden, erwachsenen Menschen. Es bedeutet, dass man seine Grenzen setzen kann und für sich selbst und seine Bedürfnisse einsteht. Beispielsweise zu sagen: "Schatz, es ärgert mich wirklich, dass du immer wieder überall deine schmutzige Kleidung liegen lässt und ich die dann wegräumen muss" kann eine vollkommen berechtigte Kritik sein, die dafür sorgen kann, dass eine Beziehung stabiler wird, weil der Partner sich reflektieren und sein Verhalten ändern kann. Daran ist nichts negativ und das hat etwas mit einem hohen Selbstwertgefühl und einem positiven Selbstbild zu tun, weil man die eigenen Bedürfnisse ernst nimmt.

Es gibt so eine Strömung, die behauptet, Kritik zu üben sei negativ und man müsse so "in sich ruhen", dass einen solche Sachen nicht stören. Das ist aber eine sehr einseitige Sicht und geht an den Bedürfnissen des Menschen, sich als selbstwirksam zu erleben, vorbei. Es stimmt - manchmal muss man Dinge einfach akzeptieren, weil sie sich nicht ändern lassen. Aber alles immer im Namen einer "Ich ruhe in mir"-Esoterikidee runterzuschlucken, kann zu Passivität führen und die Kompromissbereitschaft nachhaltig schädigen (weil oft entweder die Alternative ist: "Akzeptier es, der Mensch spiegelt dir nur dein fehlerhaftes Ego" oder "Streiche toxische Menschen aus deinem Leben". Zusätzlich erscheint mir das Wählen der einen oder anderen Kategorie als ziemlich willkürlich).

Insofern hast du da etwas sehr Wichtiges aufgespürt. Lies dieses Buch bitte weiterhin kritisch, nimm daraus mit, was dir hilft und wirf über Bord, was dir seltsam vorkommt oder dir nicht hilft!

Liebe Grüße :)

Woher ich das weiß:Studium / Ausbildung – M. Sc. Psychologie

Schreibt er, daß es das eigene Selbstwertgefühl beeinträchtigt, oder wie von Dir am Schluß geschrieben, daß es ein Beweis ist, ein eigenes, negatives Selbstbild zu haben?

Das sind 2 ziemlich unterschiedliche Aussagen.


Tindy45 
Fragesteller
 27.04.2024, 19:33

Es ist so, wie es auch ZionsDaughter formuliert hat: seine Aussage ist viel zu vereinfacht und allgemein. Er schreibt, dass man Kritik in jeder Form vermeiden soll, weil es nur das eigene negative Selbstbild widerspiegelt.

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