vergleich von Epikur vorstellung eines gelingenden Lebens mit der von Aristoteles?

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Epikurs Ethik beruht auf dem Gedanken, dass die Lust das höchste Gut ist. Voraussetzungen für ein lustvolles Leben sind die Freiheit von Schmerzen und die Ruhe der Seele. Nur wer zufrieden ist mit dem, was er hat, und nicht nach Unerreichbarem strebt, kann ein glückliches Leben führen. Macht, Reichtum, Ansehen, der Wunsch nach Unsterblichkeit: All das führt über kurz oder lang ins Unglück, also zu Schmerzen. Im Text heißt es: „Darum nennen wir auch die Lust Anfang und Ende des seligen Lebens.“ Aber nicht jede Lust ist gemeint, „über viele Lustempfindungen gehen wir hinweg, wenn sich aus ihnen ein Übermaß an Lästigem ergibt." (s. Text) Jede Lust, die eine uns angemessene Natur hat, ist nach Epikur eine wählbare, gute Lust, die Lüste der Wüstlinge und das bloße Genießen dagegen nicht, sondern allein diejenige Lust kommt in Frage, bei der man weder körperlichen Schmerz noch eine Beunruhigung der Seele empfindet. "Trinkgelage und Genuss von Knaben und Frauen und Esslust", heißt es im Text, erzeugen kein lustvolles Leben, sondern erst die nüchterne Überlegung, was uns an vernünftiger Lust zukommt und die die „leeren Meinungen" austreibt, ist von Bedeutung. Epikur hält auch die Selbstgenügsamkeit für eine Form der Lust, vor allem, wenn man das Üppige nicht hat; bescheidene Suppen könnten dann ebenso Lust erzeugen wie ein hervorragendes Mahl.

Hier zeigt sich schon der Unterschied zu Aristoteles. Glücklich ist nach Aristoteles, „wer im Sinne vollendeter Trefflichkeit tätig wird… und wer das Glück als Endziel, als etwas in jedem Betracht durch und durch Vollendetes sieht“. Oder: „Das oberste dem Menschen erreichbare Gut stellt sich dar als ein Tätig-Sein der Seele im Sinne ihrer wesenhaften Tüchtigkeit.“ (Nikomachische Ethik, 1. Buch). Für Epikur müsste die vollendete „Trefflichkeit“ und die „wesenhafte Tüchtigkeit“ mit Lust verbunden sein. Das wird aber kaum möglich sein. Zwar wird, wenn die Vollendung erreicht ist, sich auch die Lust einstellen können, jedoch bis es so weit ist, werden Schmerzen in Kauf genommen werden müssen. Dies aber lehnt Epikur ab. So sagte er auch: „Flieh vor jeder Bildung, du Glücklicher, mit einem schnellen Schiff!“ Oder: „Glück und Seligkeit bestehen weder in einer großen Menge Geld noch in bedeutendem Leistungen…, sondern nur in Schmerzlosigkeit, Beruhigung der Leidenschaft und in der Seelenruhe.“

In der Notwendigkeit eines tugendhaften Lebens als Voraussetzung für ein glückliches Leben stimmen Epikur und Aristoteles überein. Wirkliche Lust erreicht nach Epikur nur, wer gerecht und maßvoll lebt. Aristoteles forderte für ein glückliches Leben die Tugendhaftigkeit. Die sah er in einem Begriff der Mitte zwischen zwei Extremen, also z.B. man muss tapfer sein, darf nicht feige oder tollkühn sein oder klug muss man sein und nicht dumm oder rechthaberisch.

Dieser „mittlere Begriff“ der Tugend hat nichts mit Mittelmäßigkeit oder Lauheit zu tun, sondern er ist - nach Aristoteles – das tugendhafte Verhalten, welches uns die Vernunft gebietet.

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1) Ziel menschlichen Handelns nach Epikur und Mittel dazu

Ziel

Das Ziel menschlichen Handelns ist nach Auffassung von Epikur (griechisch: Ἐπίκουρος [Epikouros]) Glückseligkeit. Glückseligkeit ist das höchste Gut. Glück besteht in der Empfindung von Lust (griechisch: ἡδονή [hedone]). Lebewesen streben von Natur aus nach Lust. Lust ist ein angenehmer Zustand des Wohlbefindens der Seele und des Leibes. Die konkrete Bestimmung dieses Zustandes ist für Epikur die Seelenruhe (Gesundheit der Seele; keine Verwirrung bzw. Beunruhigung der Seele) und die körperliche Schmerzlosigkeit.

Mittel

  • Empfindung von Lust und Schmerz als Maß jedes Gute beim Wählen und Meiden (Lust ist ein Gut und wird gewählt/angestrebt/gesucht, Schmerz ist ein Übel und wird gemieden/geflohen)
  • Philosophie
  • kluge Überlegung mit Abwägung des Gesamtergebnisses: Menschen wählen nicht jede Lust, sondern meiden manchmal eine Lust, weil im Gesamtergebnis dabei zumindest nach einiger Zeit das Unangenehme überwiegen würde, und wählen manchmal Schmerz, weil dabei eine größere Lust die Folge ist. Es ist also nicht jede Lust wählenswert und nicht jeder Schmerz immer zu meiden. Zur richtigen Beurteilung gehört eine Abwägung des im Gesamtergebnis zu erwartenden Nutzens und Schadens. Das Urteil kann gelegentlich auch sein, ein Gut (Lust) zu meiden, also mit ihm wie mit einem Übel umzugehen, weil bei den Folgen im Gesamtergebnis das Unangenehme überwiegt, und ein Übel (Schmerz) zu wählen, also mit ihm wie mit einem Gut umzugehen, weil bei den Folgen im Gesamtergebnis das Angenehme überwiegt.
  • Selbstgenügsamkeit/Autarkie: Ein hohes Ausmaß an Unabhängigkeit von Bedürfnissen und äußeren Dingen ist günstig. Nach Epikurs Überzeugung kann Überfluss/Luxus am angenehmsten genossen werden, wenn jemand nicht von unbegrenzten Begierden abhängig und von ihnen angetrieben ein rastloses, gehetztes Leben führt, in maßloser Gier immer neuen Dingen nachjagend und niemals zufriedengestellt. Wer nicht so abhängig von Begierden ist, kann mit mehr Seelenruhe (die für das Wolhlbefnden wichtig ist) genießen und erreicht leichter Zufriedenheit. Epikur unterscheidet in einer Theorie der Begierden:

a) natürliche und notwendige Bedürfnisse (dazu gehören die Grundbedürfnisse)

b) natürliche und nicht-notwendige Bedürfnisse

c) nicht-natürliche und nicht-notwendige Bedürfnisse

Natürliche und notwendige Bedürfnisse müssen für ein gutes Leben befriedigt werden und haben Vorrang. Natürliche und nicht-notwendige Bedürfnisse sind verzichtbar, ihre Befriedigung kann gewählt werden, sollte aber klug geprüft werden und nicht in Maßlosigkeit ausufern. Nicht-natürliche und nicht-notwendige Bedürfnisse beruhen auf falschen/nichtigen/leeren Meinungen und Einbildungen, aus denen die schlimmste Verwirrung der Seele (Verwirrung der Seele ist entgegengesetzt zu Seelenruhe) entsteht. Das Natürliche/Naturgemäße ist das, was den natürlichen Bedürfnissen entspricht. Dies ist nach Epikurs Auffassung eher verfügbar als anderes und daher leicht zu beschaffen. Das Sinnlose/Eitle/Nichtige/Leere betrifft nicht-natürliche und nicht-notwendige Bedürfnisse. Es geht über die Grundbedürfnisse hinaus und ist nicht so gut verfügbar, außerdem zu Grenzenlosigkeit neigend. Daher ist es schwierig zu beschaffen.

2) Vergleich von Epikur und Aristoteles in der Vorstellung gelingenden Lebens

Bei der Vorstellung gelingenden Lebens geht es um die Auffassung zum Glück, das die beiden Philosophen haben.

Gemeinsamkeiten

  • Glücksethik: Glück/Glückseligkeit ist das höchste und letzte Ziel (Endziel) menschlichen Handelns. Diese Theorie wird auch als Eudaimonismus (griechisch: εὐδαιμονία [eudaimonia] = Glück(seligkeit), was ein guten Leben des Wohlbefindens und Wohlergehens bedeutet) bzw. latinisiert als Eudämonismus bezeichnet.
  • umfassender Begruff des Glücks mit Langfristigkeit und Dauerhaftigkeit: Sowohl Aristoteles als auch Epikur denken bei Glück nicht nur an Zufriedenheit in einem Augenblick, sondern auch langfristiger und dauerhafter an ein gutes Leben.
  • Wertschätzung von Philosophie, Einsicht, kluger Überlegung mit Abwägung, praktische Vernunft: Epikur hät dies fürr Mittel zum Erreichen von Glück und empfiehlt Philosophieren. Ähnlich wird von Aristoteles Tugend/Vortrefflichkeit des Verstandes wertgeschätzt und spielt auch bei den Charaktertugenden eine wichtige Rolle, weil sie das Treffen des in einer Lage für eine Person Angemessene leisten kann.
  • Wertschätzung von Freundschaft
  • Bejahung der Relevanz von Lust für Glück: Bei Epikur ist Lust grundlegend für Glück, bei Aristoteles ist Lust zumindest ein Glücksbestandteil.

Unterschiede

  • Rolle von Vortrefflichkeit/Tugend: Nach Auffassung von Epikur leistet zwar Vortrefflichkeit/Tugend (griechisch: ἀρετή [arete]), etwas zum Erreichen von Glück(seligkeit), ist aber nur Mittel, nicht Ziel/Selbstzweck. Vortrefflichkeit/Tugend wird nicht um ihrer selbst willen erstrebt, sondern wegen ihrer Ergebnisse. Aristoteles vertritt dagegen eine Tugendethik. Etwas inhaltlich Wertvolles ist dabei Thema. Es geht um das Anstreben des Guten aus einer inneren Einstellung heraus. Aufmerksamkeit richtet sich auf das Gute bei Personen und deren innere Einstellung. Vortrefflichkeit/Tugend wird um ihrer selbst willen erstrebt und führt nach Auffassung zum Glück/zur Glückseligkeit.
  • Umfang der Rolle von Verstand/Vernunft: Der Umfang der Rolle von Verstand/Vernunft/kluger Überlegung ist bei Epikur insofern etwas geringer, als nach ihm das Erstrebenswerte grundsätzlich schon von der Sinnlichkeit vorgegeben ist, während Aristoteles als das einem Menschen eigentümliche Werk (das, wozu er speziell bestimmt ist) die mit Vernunft verbundene Tätigkeit der Seele und ein entsprechendes Handeln versteht.
  • Einstufung von Lust: Epikur vertritt eine Lustethik (Hedonismus). Nach Epikurs Auffassung besteht Glück in der Empfindung von Lust. Sie ist der naturgegebene Ausgangspunkt und das Ziel alles Handelns. Epikur hält die Gleichsetzung von oberstem Gut und höchster Lust für evident (offensichtlich). Weil Epikur das Freisein von Unlust/Schmerz/Leid für vorrangig hält, kann seine Ethik als ein »negativer Hedonismus« (Vermeidung von Unlust/Schmerz/Leid ist vorrangig/am wichtigsten) bezeichnet werden. Es ist gut und richtig, möglichst wenig unangenehme Empfindungen/Gefühle (Lust, Freude, Vergnügen, Genuß) erleiden zu wollen (Ziel: Minimierung von Unlust/Schmerz/Leid). Aristoteles ist kein Hedonist, vertritt aber auch nicht das völlige Gegenteil (Anti-Hedonismus), sondern einen Standpunkt dazwischen. Lust und Freude sind nach seiner Auffassung Bestandteile eines guten Lebens/von Glück. Lust ist nach seiner Ethik ein Glücksbestandteil (Nikomachische Ethik 1, 5 1097 b 4 – 5). Das Gute und die Lust gehören zu dem, was um seiner selbst willen liebenswert ist (Aristoteles, Nikomachische Ethik 8, 2 1155 b 21 – 22). Die Lust ist aber nach Aristoteles nicht das höchste Gut. Nicht jede Form der Lust ist an sich wählenswert. Nicht jede Lust gilt Aristoteles als ein Gut (Nikomachische Ethik 10, 2 1173 b 21; 10, 3 1174 a 3). Das Lustvolle ist ein anscheinendes Gut, das ein wirkliches Gut oder nur ein täuschendes Scheingut sein kann.

Weg zum Glück: In der Theorie von Epikur hat die Sinneswahrnehmung einen höheren Stellenwert. Für Epikur ist nur der Weg der Lust der Weg der Glückseligkeit, während Aristoteles drei hauptsächlich Lebensformen nennt und dem Weg der Lust (Lebensform des Genusses) dabei den geringten Rang (geringer als Theorie/Forschung und praktische lebenswiese mit Hanlden in einer Gemeinschaft) zuspricht. Bei Aristoteles steht das Erreichen von Zielen und die Verwirklichung von Anlagen im Zentrum, bei Epikur Empfindungen von Lust, Freude und Ähnlichem, ihr Erreichen und ihre Vergrößerung/Maximierung (bzw. die Verkleinerung/Minimierung des Gegenteils). Aristoteles ist der Auffassung, ein so großes Gut wie das Glück könne nur durch ein Tätigsein erreicht werden, indem Fähigkeiten und angelegte Möglichkeiten entfaltet werden. Die Entfaltung ist etwas, das Freude bereitet und zu einem guten, erfüllten Leben beiträgt. Als das einem Menschen eigentümliche Werk (das, wozu er speziell bestimmt ist) versteht Aristoteles die mit Vernunft verbundene Tätigkeit der Seele und ein entsprechendes Handeln. Das menschliche Gut ist nach ihm der Vortrefflichkeit gemäße Tätigkeit der Seele bzw. (wenn es mehrere Vortrefflichkeiten gibt) der besten und vollkommensten Vortrefflichkeit entsprechende Tätigkeit.

3) Stellungnahme zur Aussage „immer den Mittelweg zu gehen führt zu Mittelmäßigkeit“

Bei der Aussage kommt es darauf an, was unter „Mittelweg“ verstanden wird.

Wenn der „Mittelweg“ sich auf das bezieht, was Menschen im Durchschnitt tun oder was von den Handlungsmöglichkeiten nach jeder Seite ungefähr gleichen Abstand hält, wird dies oft zu Mittelmäßigkeit führen. Manchmal kann das Ergebnis auch ein Stückchen besser oder schlechter als Mittelmaß sein. Dies hängt von den Umständen ab. Meistens wird das Handeln dabei weder sehr gut noch sehr schlecht ist. Von einer lobenswerten Spitzenleistung bzw. dem Besten ist das Ergebnis deutlich entfernt.

Wenn „Mittelweg“ sich auf das bezieht, was Aristoteles mit Tugend als Mitte meint, liegt eine Fehldeutung zugrunde, die irrig die Mitte bei Aristoteles mit Durchschnittlichkeit und Mittelmäßigkeit gleichsetzt.

Denn Aristoteles bezieht sich auf eine Mitte, die in einer Hinsicht eine Mitte ist, in einer anderen Hinsicht (axiologische [wertbezogene] Dimension) dagegen Optimum/Höchstmaß.

Tugend/Vortrefflichkeit (griechisch: ἀρετὴ [arete]) ist nach Aussage von Aristoteles, Metaphysik 5, 6, 1021 b 20 eine Vollendung/Vollkommenheit (griechisch: τελείωσις [teleiosis]).

Bei Verstandestugenden/Vortrefflichkeiten/Tugenden des Verstandes/dianoetischen Tugenden gibt es kein Zuviel. Aristoteles, Nikomachische Ethik 6, 1 - 13 untersucht Kunstfertigkeit/Technik (griechisch: τέχνη), Klugheit/praktische Vernunft (griechisch: φρόνησις), Vernunft/Geist (griechisch: νοῦς), Weisheit (griechisch: σοφία), Wohlberatenheit (griechisch: εὐβουλία), Verständigkeit (griechisch:σύνεσις), Einsicht/Urteilskraft in Bezug auf das Billige (griechisch:γνώμη) und ihr Verhältnis zueinander.

Die Lehre von der Tugend als Mitte (μεσότης [mesotes]) bezieht sich auf Vortrefflichkeiten/Tugenden des Charakters/Charaktertugenden/ethische Tugenden,

Aristoteles versteht Charaktertugend allgemein und die einzelnen Charaktertugenden als richtige Mitte, die zwischen einem Zuviel (griechisch: ὑπεϱβολή [hyperbole]; Übertreibung/Übermaß) und einem Zuwenig (griechisch: έλλειψις [elleipsis]; Zurückbleiben/Mangel) liegt.

Aristoteles, Nikomachische Ethik 2, 6, 1106 b 36 – 1107 a 8: „Die Vortrefflichkeit/Tugend/ ist also eine wählende/vorsätzliche Haltung, die in der auf uns bezogenen Mitte liegt, die durch vernünftige Überlegung bestimmt ist, und zwar durch die, mittels derer der Kluge die Mitte bestimmen würde. Sie ist aber Mitte von zwei Schlechtigkeiten, einer des Übermaßes und einer des Mangels. Und ferner ist sie insofern Mitte, als die Schlechtigkeiten teils hinter dem, was in den Leidenschaften und Handlungen sein soll, zurückbleiben, teils darüber hinausschießen, die Vortrefflichkeit/Tugend aber das Mittlere sowohl findet als auch wählt. Daher ist die Vortrefflichkeit/Tugend nach ihrer Wesenheit/Substanz und ihrem Begriffs, der angibt, was sie ist, Mitte, hinsichtlich des Besten und des Guten aber Äußerstes.“

Die Mitte (μεσότης) bei Aristoteles ist eine Einstellung, die auf ein Leidenschaften) ausgerichtet ist, und das in einer Lage angemessene Verhalten. Sie ist nicht mit Durchschnittlichkeit und Mittelmäßigkeit zu verwechseln, worauf volkstümliche Vorstellungen über einen goldenen Mittelweg (lateinisch: aurea mediocritas) leicht hinauslaufen. Sie ist auch nicht etwas, das für alle und immer stets quantitativ genau das Gleiche ist: Die Mitte der Sache hat den gleichen Abstand von den beiden Extremen und ist für alle Menschen ein und dasselbe (Aristoteles, Nikomachische Ethik2, 5, 1106 a 29 - 31). Das Mittlere in Bezug auf die Menschen ist dagegen weder zuviel noch zuwenig, dies aber nicht für alle als ein und dasselbe (Aristoteles, Nikomachische Ethik2, 5, 1106 a 31 - 32). Ein Beispiel ist die Menge der Nahrungsaufnahme.