Unterschiede Platonismus Neuplatonismus?

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Platonismus ist jede Art von philosophischer Auffassung, die sich an Lehren/grundlegende Gedanken des Philosophen Platon anlehnt. Neuplatonismus (eine Bezeichnung, die im 19. Jahrhundert geprägt worden ist) ist keine sich davon unterscheidende philosophische Richtung, sondern eine bestimmte besondere Art des Platonismus.

In der Platonischen Akademie ist zeitweise auch eine erkenntnistheoretisch betont skeptische Auffassung vertreten worden (z. B. von Karneades), vereinzelt gibt es bei einem Platoniker eine starke Annäherung an die stoische Philosophie (Antiochos von Askalon).

Es gibt einen zeitlichen Unterschied: Platonismus gibt es seit Platon (428/7 – 347 v. Chr.), Begründer des Neuplatonismus war Plotin (205 – 270 v. Chr.), es gibt ihn also erst seit einer mehrere Jahrhunderte späteren Zeit, als die ganze Mittelmeerwelt vom Römischen Reich beherrscht und von Kaisern regiert wird.

Ihrem Selbstverständnis nach ist die in moderner Zeit als Neuplatonismus bezeichnete philosophische Richtung kein Abweichen von Platons Denken, sondern ein Anknüpfen an dessen Gedanken. Dabei wurde versucht, mit Platons Denken nach ihrer Beurteilung vereinbare Einsichten anderer Philosophen (z. B. der Vorsokratiker, der alten platonischen Akademie und des Aristoteles) in ein umfassendes System aufzunehmen/einzubauen.

Neuplatonismus strebt danach, sich Platons Gedanken anzueignen und sie zu erneuern. Es gibt eine Bewahrung und Fortführung (durch Weiterdenken) der Philosophie Platons. Eine Deutung seiner Aussagen will Klarheit über ihren Gehalt einschließlich sich ergebender Folgerungen erreichen. Neu sind dabei nicht die grundlegenden gedanklichen Ansätze selbst, sondern ihr - als Auslegung Platons auftretende - Vorantreiben und ihre Ausgestaltung.

Neuplatonismus betreibt spekulative Metaphysik, wobei über die Ideenlehre hinausgehend auch Platons Prinzipienlehre aufgegriffen und als Kernstück seiner Philosophie verstanden wird.

Platon hat nach antiken Zeugnissen eine Prinzipienlehre (griechisch ἀρχή [arche] = Prinzip) vertreten, zu der es in den schriftlichen Dialogen nur einige andeutende Hinweise gibt. Platon hat sie mündlich vorgetragen („ungeschriebene Lehre“) und mit anderen erörtert. Das Eine (τò ἕν [to hen]), Prinzip der Einheit, verleiht als Idee des Guten (ἡ τοῦ ἀγαθοῦ ἰδέα [he tou agathou idea]) allem Grenze und Bestimmung und damit Existenz und Erkennbarkeit. Zu diesem ersten Prinzip tritt – ihm auf gewisse Weise untergeordnet – als ein zweites Prinzip die unbegrenzte/unbestimmte . Zweiheit (ἀόριστος δυάς [aoristos dyas]), von der die Vielheit abgeleitet ist. Dieses Materialprinzip für Ideen und Sinnendinge wird auch als Groß – Kleines (μέγα καὶ μικρόν [mega kai mikron]) bezeichnet. Verschiedene Bereiche werden als letztlich vereint gedacht und von einem höchsten Prinzip her zu verstehen versucht.

Vgl. zu Ideenlehre und Prinzipienlehre Michael Erler, Platon (Grundriss der Geschichte der Philosophie. Begründet von Friedrich Ueberweg. Völlig neu bearbeitete Ausgabe. Herausgegeben von Helmut Holzhey. Die Philosophie der Antike - Band 2/2). Schwabe : Basel ; Stuttgart, 2007, S390 – 430; Michael Erler, Platon. Originalausgabe. München : Beck, 2006 (Beck'sche Reihe ; 573 : Denker), S. 143 – 172

Albrecht  24.06.2015, 09:09

Ein Kennzeichen des Neuplatonismus ist, im Bereich der Ideen/des Denkbaren/geistig Erfaßbaren/durch Vernunft Einsehbaren/Intelligiblen Feinheiten der Unterscheidung vorzunehmen und dabei verschiedene vermittelnde Zwischenstufen anzusetzen. Für die Seinsformen/Seinsstufen (z. B. das Eine, Geist/Vernunft (νοῦς [nous]) und die Weltseele) wird eine klare hierarchische Gliederung gesucht. Es wird eine Emanation (ein Ausfließen/Entströmen) angenommen: Jedes Seiende verläßt bei seiner Verwirklichung die Einheit, in der es enthalten war, und bewegt sich in einer Entfaltung auf die Vielheit zu, kann sich aber nur voll verwirklichen, wenn es sich zu der Einheit zurückwendet, aus der sie hervorgegangen ist. Es gibt einen Abstieg zur Erscheinungswelt und ihren Einzeldingen und einen Aufstieg zum ursprünglichen Einen.

Im Neuplatonismus tritt eine Bestrebung (die als Mystik gedeutet werden kann) nach einem direktem Zugang zum/einem Einswerden mit dem höchsten Prinzip (das Eine; auch das Gute oder das Göttliche/Gottheit genannt) auf.

Metaphysik in einem umfassenden System und Theologie haben großes Gewicht, sind Bereiche, mit denen sich Neuplatonismus stark beschäftigt, während politische Philosophie und eine auf ein Diesseits ausgerichtete Ethik keine vorrangigen Gebiete sind.

Ein Ansatz der sogenannten negativen Theologie wird entwickelt: Über das (über das Sein hinausragende) Eine bzw. über das Göttliche/Gott sind nur verneinende Aussagen möglich, weil das Zusprechen einzelner Bestimmheiten eine sein Wesen verfehlende Einschränkung sind, während es doch mehr ist und Gegensätzlichkeiten solcher Bestimmtheiten bei ihm zusammenfallen.

ein empfehlenswertes einführendes Buch:  

Jens Halfwassen, Plotin und der Neuplatonismus. Originalausgabe. München : Beck, 2004 (Beck'sche Reihe ; 570 : Denker). ISBN 3-406-51117-2

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Valiiiii22 
Fragesteller
 24.06.2015, 18:00

Danke!!

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JeffreyDahmer  25.06.2015, 11:38

Du hast da einen kleinen Fehler drin, Plotin lebte 205-270 nach Christus. Bestimmt nur ein Tippfehler, wollte dich nur darauf hinweisen :)

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