Spinnrad Teil?


10.12.2022, 13:16

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2 Antworten

Hmm... noch nie gesehen. Aber wenn das Spinnrad so, wie es hier zu sehen ist, funktioniert, hat es für die grundsätzliche Funktion offenbar keine Relevanz.

Für mich sieht das aus wie eine Art Abdeckkappe (Welle? Spinnrokken oben?...?) oder auch ein Lager...

Ist da eine Metallhülse in dem Loch - das sieht mir nicht nach dem umgebenden Holz aus?

siwili 
Fragesteller
 09.12.2022, 10:59

Nein das Teil besteht komplett aus Holz. Um das loch herum ist es ein wenig abgenutzt, so als ob sich rund herum etwas gedreht und geschliffen hat

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Ludkram  09.12.2022, 17:15
@siwili

OK... Aaaalso. Ich hab dein Spinnrad meiner Liebsten gezeigt, die sofort hellauf begeistert war, da sie selbst auch seit ihrer Kindheit spinnen kann und sich in der Materie wirklich gut auskennt - gelernt hat sie es auf dem Flachsspinnrad ihrer Großmutter...

Wir haben gemeinsam überlegt, was es mit diesem Teil auf sich hat und sind zu folgendem Ergebnis gekommen:

Wir vermuten, es dürfte sich um ein Lager handeln, das alternativ anstatt des Flügels verwendet werden kann, um beispielsweise andere Spulen mit Garn zu füllen (-> umspulen - der Flügel wäre dabei hinderlich). Spulenkörper eventuell, die danach in Weberschiffchen Verwendung finden (wurde damals im Haus auch gewebt? Existiert(e) auch ein Webstuhl? Sind andere, längere Spulenkörper mit kleinerem Raddurchmesser vorhanden, die nicht montiert werden können, wenn der Flügel montiert ist?...).

Übrigens fehlt noch ein wichtiges Detail beim Spinnrad: die Flügelbremse - einfach eine Schnur, die dafür sorgt, dass die Bewegung des Flügels etwas gegenüber der Spulengeschwindigkeit gebremst wird. Dies sorgt dafür, dass einerseits die Fasern verdrillt werden und andererseits das gesponnene Garn auch aufgewickelt wird. Darf ich annehmen, dass du zwar die Funktion der beweglichen Teile überprüft hast, aber noch nicht wirklich darauf gesponnen?

Überdies sieht es so aus, als fehlte das Leder (als Lagerschale, gefettet - am besten Staufferfett o.Ä.!) beim Flügellager (vorne, wo das Loch für das Garn ist - hinten ist es leider nicht ersichtlich, ob das Ledergleitlager noch vorhanden ist). Ich nehme an, dass die Spindelwelle fix mit dem Flügel verbunden ist... richtig?

Die Haken am Flügel sehen zwar allerliebst aus, aber 1) brauchst du nicht in jedem Loch einen eigenen (auch, wenn das v.A. bei modernen Rädern so gemacht wird), der Haken wird einfach umgesteckt. 2) "dürfen" die Haken keine scharfen Ecken oder Kanten aufweisen, da diese das gesponnene Garn beschädigen.

Ein Haken zum Durchziehen des Garnes scheint ja an der Schnur am Rokken zu hängen, sehe ich das richtig?

Alles in Allem ein wirklich bemerkenswertes und schönes Teil, das zudem auch schon durch allerlei Handwerkerhände (wohl v.A. Drechsler) gegangen ist - man sieht ein Sammelsurium aus verschiedenen Stilen, und Hölzern...

Laut Auskunft meiner kompetenten Liebsten handelte es sich übrigens um ein Wollspinnrad. Flachs- und Leinenspinnräder haben einen größeren Raddurchmesser.

Viel Freude damit - hast du jemanden, der/die dir zeigen kannst, wie's geht?

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Ludkram  09.12.2022, 17:33
@Ludkram

Ach ja... mache bitte von dem kleinen unbekannten Teil nochmal ein Photo mit einem Maßstab (Lineal, Millimeterpapier,...) daneben.

Und auch von der Rückseite...

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siwili 
Fragesteller
 10.12.2022, 13:16
@Ludkram

Aaaalso. Zuerst mal wow. So viel info war mir gar nicht bewusst zu kriegen da so ein hundert jahre altes Spinnrad in meiner Vorstellung doch nicht so kompliziert wäre aber man lernt eben nie aus :)

Ich werd noch ein paar weiter fotos einfügen wo man hoffentlich mehr erkennen kann aber hier noch ein paar infos.

Also zuerst sollte ich vlt sagen, dass das Spinnrad aus einer sehr, sehr armen Gegend stammt. Meine ur ur oma stammte nämlich aus dem Schnalstal in Südtirol wo man zwar sehr viel Zeit besaß, und deshalb so schöne Drechselarbeiten verrichten konnte, aber auch gefühlt das halbe Jahr Winter hatte. Das Spinnrad wurde also inmer wieder auch teils mehr schlecht als recht zusammengeflickt.

so weit ich weiß hat zumindest meine Uroma welche ich noch kannte, nie gewebt aber noch eine Generation weiter hinten kann ich das nicht mit Sicherheit sagen, wobei das Schnalstal heute noch viele Originale Bauernhäuser besitzt und ich aber noch nie einen Webstuhl dort gesehen hätte. Wohne selbst noch in Südtirol und komme oft ins Schnalstal aber ich denke ehr, dass sie dort damals schon sich vlt eine Familie darauf spezialisiert hat, und die Stoffe dan sozuagen „extern“ gewebt wurden.

Zum Thema Haken. Ich geb dir voll und ganz recht, dass diese sehr Rustikal und kantig sind und ich hätte sie auch nie so gemacht. Meine Großmutter bestand allerdings darauf, da sie das Rad mit solchen nägeln noch in Erinnerung hat, und ich sie deshalb so gefertigt habe. (auch da war es wahrscheinlich die Not die nur solche krummen Holznägel zuließen) Hab allerdings dann noch heimlich zwei richtige gefertigt für den Fall, aber pssst ;)

Das Futter auf welche der Flügel sich dreht fehlt, das war mir bewusst aber ich war mir nie sicher was ich verwenden sollte, danke für den Tipp von dir.

Dann noch die Flügelbremse. Was ich durch Bilder von ähnlichen Spinnrädern, desselben alter herausfinden konnte, war als Bremse wol nur eine kleine Schnur vorgesehen. Rechts neben der Öffnung des Flügels steckt nämlich ein Holznagel wo ich nie wusste für was, aber es schein so als wäre das die Bremse? Ein dünnes Seil welches einersteits bei holznagel verknoten, und andererseits über den Flügel auf der anderen seite verknotet wird. Wird der Holznagel gelöst ist die Bremse dan offen. So zumindest hätte ich es verstanden.

Nochmal vielen vielen dank für deine Ausführliche Hilfe. Ich weiß jetzt Dinge von denen ich nicht einmal wusste, dass ich sie nicht weiß. Ich hoffe ihr könnt mit den Fotos etwas anfangen und etwas neues erkennen.

Mit freundlichen Grüßen

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Glaskocher  10.12.2022, 18:42
@siwili

Zu den hölzernen Haken:
Bisher habe ich noch keine hölzernen Haken am Flügel gesehen. Du solltest deine so glätten, daß auch ein flusiges Garn sich nicht daran verfängt oder davon aufgerieben wird. Für derart feine Teile empfehle ich Buchsbaum-Holz. Das ist sehr fein, spaltet wenig und läßt sich gut polieren.

Allgemein:
Ich kann das Material der Hohlwelle am Flügel nicht richtig erkennen. Wenn man weiß, welches Material das ist, kann man besser einen Tipp zum Lager darunter und zur Bremse darüber geben.

Das gegenüber liegende Lager der Flügelwelle scheint ein einfaches Loch im Holz zu sein. Falls dort viel Spiel ist könnte man darüber nachdenken, einen modernen Einsatz einzusetzen, der den Durchmesser auf das Nötige verkleinert. Zum Schmieren des Originals eignet sich Wachs.

Sie Spule sollte sich auf der Flügelwelle leicht drehen lassen.

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Ludkram  10.12.2022, 22:54
@siwili

Vorab, ja, die Fotos sind sehr hilfreich - bestätigt meine Vermutung ob des Aufbaus von Flügel und Spulenkörper. Nun ist auch die Größe des unbekannten Teils klar. Nur noch zwei Fragen:

1) das hintere Lager für die Spindelwelle (ich nenn das mal so...) ist auch nicht durchgängig (wie bei dem "fraglichen" Teil), oder?

2) lässt sich die Spindelwelle aus dem Flügelteil herausziehen und in das unbekannte Teil stecken? Ich denke immer noch, dass das mysteriöse Teil anstatt des Flügels als Lager für die Spindelwelle dient zu Umspulen des Garns auf möglicherweise Spulen, die dann in Weberschiffchen Verwendung finden - damit hätte man sich nämlich ein eigenes Spulrad erspart (was auch in einer "armen" Gegend plausibel wäre...) - quasi ein Multifunktionsgerät.

Noch eine Frage dazu: existieren irgendwo noch Antriebsscheiben (mit eventuell kleinerem Durchmesser als die Spinnspule) oder gar enstsprechenden Spulenkörper, die in Weberschiffchen Verwendung finden könnten (auch wenn in diesem Haus schon lange nicht mehr (oder überhaupt nicht) gewebt wurde...?

Zur Bremse: du hast schon richtig erkannt, dass dieser "Holznagel" beim Flügellager eine Bedeutung hat... es funktioniert nur etwas anders: dieser Holznagel wird wie ein Stimmwirbel (etwa wie bei einer Geige) eingesetzt: Die Bremsschnur wird einerseits (möglicherweise) an dem Zierknopf vorne befestigt, sodann über die Hohlwelle geführt und sodann so um diesen Holznagel gewickelt, dass durch Drehen desselben (das sollte gehen...) die Spannung der Bremse reguliert werden kann. Dazu muss diese Welle natürlich höher liegen, als es momentan der Fall ist... Wie schon gesagt dient da üblicherweise ein entsprechend dickes Stück Leder als Lagerschale - eingefettet, sodass der Flügel sich möglichst leicht drehen lässt (wie auch "Glaskocher" schon betont hat). Auch das Gegenlager hinten sollte gut gefettet werden. Ebenso die Lager der Radaufhängung, sonst hast du genau dort sehr schnell ziemlichen Verschleiß... ;-)

Ich würde allerdings das Teil (so du es tatsächlich brauchst...) von einem versierten Drechsler nachbauen lassen (Dimensionen einfach übernehmen sollte kein Problem sein...), da der offensichtlich vorhandene Riss nicht gerade vertrauenseinflößend wirkt, wenn es sich wirklich um das vermutete Lager handeln sollte...

Jedenfalls finden meine Liebste und auch ich die Beschäftigung mit deinem Spinnrad äußerst spannend, anregend und auch lehrreich. Deine Bemerkung:

"Ich weiß jetzt Dinge von denen ich nicht einmal wusste, dass ich sie nicht weiß." trifft auch auf mich zu... ;-)

mfG Ludkram

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siwili 
Fragesteller
 10.12.2022, 23:19
@Ludkram

wir kommen der Sache immer näher danke ich ;)

zu deinen Fragen: 1) das hintere Ende der Spindelwelle (bleiben wir mal bei dem Namen) ist tatsächlich ganz durchgebohrt und nicht wie bei dem misteriösem Teil nur halb, allerding denke ich eher, dass das aus „Faulheit“ so gemacht wurde weil es einfacher ist, denn die Stange hört bereits ab der Hälfte im Holz auf; schaut also hinten keinen mm durch.

2) i h habe bereits versucht die Stange aus dem Flügel zu ziehen, da deine Vermutung mit dem Flügelersatz sozusagen recht plausibel und durchaus denkbar klingt, aber leider ohne Erfolg, die Stange wirkt sehr sehr fest, vlt sogar verklebt. Ein „Geheimnis“ hab ich bisher jedoch auch verschwiegen und zwar, dass das Spinnrad vor vlt 40 Jahren schon einmal von jemanden restauriert wurde. Der Mann gab sich als angeblicher Kenner auf dem Gebiet aus und reparierte das Spinnrad allerdings meiner Meinung nach ziemlich mangelhaft.

Ich weiß nur, dass sogar meine Uroma zu meiner oma sagte, dass sich das nicht ausgetzahlt hat, und er es nicht richtig gemacht hat. Einige dieser „Schäden habe ich bei meiner Arbeit auch ausgebessert, zB brach aus einem der beiden Tragpfeiler auf der Achse zum Rad wohl mal ein Stück heraus und der „Restaurator“ klebte ein Stück Holz an und vermochte es nicht einmal dies in die runde/Zylinderförmige form zu schnitzen :(

es ist also duraus möglich, dass dieser sich dachte:“ oh die stange hält nicht mehr gut im flügel, kleb ich sie mal an.“

Zum Thema Bremse alsoich muss schon sagen, wie einfallsreich die Leute doch damals waren, klar funktioniert es einfacher wenn man durch Drehbewegung die Bremse spannt. Immer wieder aufs Neue überrascht von solch einfachen aber effektiven Techniken.

Leider war es das aber auch schon, ich konnte nämlich keine weiteren Spulen, wellen, kleiner schiffchen zum weben oder der gleichen finden. Drei Spulen waren dabei, alle wie auf dem Foto bzw eine minimal größer aber sonst nichts.

was mich allerdings bei dem kleinen Teil auch win wenig stutzig macht, ist die kleine einkerbung rund um die dünnste Stelle, fast so als wäre dort ein Fädchen entlang gelaufen das nicht herausrutschen darf, oder kann so was durchs aufliegen auf dem Lage entstehen.
auch auf der Unterseite sieht man diese Kreisrunde Abnutzung also irgendwie stimmt mir alles noch nicht so ganz zusammen. :)

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Ludkram  19.12.2022, 19:35
@siwili

Oh... hab diesen Kommentar jetzt erst entdeckt - keine Ahnung warum, aber sorry...

Absolut spannend, was du hier schilderst und wieauchimmer... Was du hier vererbt bekommen hast, ist ein schönes Stück Kulturgeschichte (selbst wenn das gute Stück nicht mehr im Originalzustand ist). Wie du schon zum Thema "Bremse" bemerktest: dieses Spinnrad ist für mich ein Beispiel menschlicher Genialität in "einfachster" Manier.

Der "Zufall" will es, dass içh vorige Woche auf einem Dauerflohmarkt in meiner Nähe, ein Spinnrad nahezu gleicher Bauart entdeckt habe - mit Sicherheit jüngerem Datums, aber gleiches Prinzip). Wenn es morgen noch da ist, werde ich ein paar Photos schießen und dir zukommen lassen wenn irgendmöglich.

Alles in Allem ist das kleine fragliche Teil für die Funktion des Spinnrades als solches nicht relevant. Möglich, dass die "Einkerbung" einfach nur dazu diente, dieses (vermutliche...) Lager einfach an seiner Position zu fixieren. 4

Letztliche Aufklärung des "Falles" kann wohl nur ein absolut Versierter in der Szene (-> "Spinnradclub" , wie von Glaskocher vorgeschlagen; oder Vielleicht Leute vom Textilen Zentrum Haslach: https://www.textiles-zentrum-haslach.at/home . Haslach im oberösterreichischen Mühlviertel war DAS Webereizentrum weit und breit - heute erinnert noch ein hochinteressantes Museum, auch mit Kursen und Workshops und einem jährlichen Markt an diese Tradition) bringen.

Dass du nichts mehr zum Thema "Weben" gefunden hast, ist wohl auch der Tatsache geschuldet, dass mit dem Aufkommen der industriellen Weberei (schneller und billiger...) die Hausweberei mehr oder weniger uninteressant weil unrentabel geworden ist... Heute fällt das ja auch nur noch in den Bereich Hobby, bzw. Kunsthandwerk - eine Nische halt ohne kommerzieller Bedeutung....

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Ich kann der Antwort (inklusive Kommentar) von @Ludkram kaum Etwas hizufügen, ohne es doppelt zu sagen.

Ich könnte nur auf das Forum vom Spinnradclub verweisen, weil Du dort in jeder Hinsicht kompetente Ansprechpartner zur Restaurierung des Rades und zum Spinnen lernen findest. Es gibt auch Spinngruppen, die sich regelmäßig zum Spinnen (mit und ohne aufwickeln ;--) treffen.