SPD PLAKAT 1928?

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Als wichtigste Botschaft des Wahlplakats ist richtig die Selbstdarstellung der SPD als Volkspartei erkannt, eine das ganze Volk umfassende, seine gesellschaftlichen Gruppen übergreifende (klassenübergreifende/schichtenübergreifende/standesübergreifende) Partei.

Das Plakat bezieht sich auf die Reichstagswahl am 20. Mai 1928.

»Genosse« ist ein Ausdruck für einen ebenbürtigen Gefährten/Begleiter, mit dem eine Gemeinschaft besteht. In Arbeiterparteien im 19. Jahrhundert ist dies eine verbreitete Anrede für Mitglieder untereinander gewesen.

Die Personen auf dem Plakat stehen für verschiedene Gruppen, die als Volksgenossen gleichberechtigt zum Volk gehören.

Die Farbe Rot ist in der politischen Symbolik unter anderem mit der Arbeiterbewegung verbunden und von Parteien mit sozialdemokratischer, sozialistischer und kommunistischer Ausrichtung verwendet worden.

Im oberen Teil des Wahlplakats steht auf rotem Hintergrund in weißen Buchstaben (Frakturschrift) der Aufruf: „Volksgenossen wählt Sozialdemokraten". Die Anrede richtet sich an ein Zusammengehörigkeitsgefühl. Die Worte „Volksgenossen“ und „Sozialdemokraten“ sind besonders hoch und breit, was eine Einheit erzeugt.

Unten links steht in roten Buchstaben.

„Herausgeber: Georg Schmidt, Berlin SW 68“ (das letzte bezieht sich auf einen Postbezirk im Südwesten Berlins)

Am rechten Rand etwas unterhalb der Mitte steht:

„KIRCHBACH“

Dies bezieht sich auf den Plakatkünstler Gottfried Kirchbach (https://de.wikipedia.org/wiki/Gottfried_Kirchbach).

Unten rechts steht:

„VORWÄRTS-DRUCKEREI BERLIN, LINDENSTR. № 3“ (№ = Numero: Nummer/Nr.)

Fünf Personen sind um eine Wahlurne geschart, um ihren Stimmzettel (für die SPD) abzugeben.

Die Personen stehen nach ihrem Erscheinungsbild für verschiedene gesellschaftliche Gruppen.

Für Betrachtende sind dies im Uhrzeigersinn:

  • ein Beamter in einfacher Position (nach der dunkelblauen Uniform mit roten Streifen und der Mütze anscheinend ein Eisenbahnschaffner)
  • ein Arbeiter (hellblaue Berufskleidung)
  • ein Akademiker oder Geschäftsmann (Brille [wirkt intellektuell, ein »Kopfarbeiter«], weißes Hemd, dunkle Krawatte, graubraune Anzugsjacke)
  • ein Handwerker (Schiebermütze, Lederschürze; trägt Schnauzer und wirkt mit ergrautem Harr schon etwas älter)
  • eine Frau (jung, gepflegt, elegant, trägt ein Kleid und hat eine damals modische Kurzhaarfrisur [»Bubikopf«], kann als Angestellte gedacht werden; sie passt in eine Vorstellung, die als »Neue Frau« bezeichnet worden ist)

Die Personen sind gleichberechtigt vereint.

Die SPD möchte über die Arbeiterschaft hinausgehend Menschen ansprechen und Stimmen für sich gewinnen.

Daniela Janusch, Die plakative Propaganda der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands zu den Reichstagswahlen 1928 bis 1932. Bochum : Studienverlag Brockmeyer, 1989 (Bochumer historische Studien/Neuere Geschichte ; Nr. 7), S. 93 – 94:

„Das Motiv der "klassenübergreifenden“ Volkspartei – Diskussionen über den Wandel der SPD von der Agitations- zu einer Regierungspartei, was den Zustrom weiterer Bevölkerungsgruppen unabhängig von der Arbeiterschaft notwendig machte, waren auf dem Parteitag waren auf dem Parteitag 1918 zu einem zu einem Abschluß gekommen – verdeutlicht das Plakat von Kirchbach "Volksgenossen wählt Sozialdemokraten" am sinnfälligsten: Um eine Wahlurne haben sich halbkreisförmig von links nach rechts ein Reichsbahn-Beamter in Uniform, ein Arbeiter in blauer Berufskleidung, ein Intellektueller, der durch seinen Anzug sowie die Brille gekennzeichnet ist, ein Handwerker mit Lederschürze und Schiebermütze sowie eine ihn durch ihre vorgezogene Stellung verdeckende gepflegt anmutende Frau versammelt. Alle Beteiligten sind im Begriff, ihren Wahlumschlag in die im Vordergrund befindliche Urne zu werfen. Dieser Aktion gilt ihre ganze Aufmerksamkeit, ein verbaler oder visueller Kontakt zwischen den einzelnen Personen besteht nicht. Auffällig ist zudem, daß der Handwerker deutlich älter ist als alle übrigen Wähler. Man könnte dies vielleicht als einen Hinweis auf die historischen Anfänge der Sozialdemokratie sowie ihr starkes Anwachsen verstehen. Gleichzeitig dokumentiert sich ein traditionelles Festhalten des Proletariats an der SPD in der Gestalt des wesentlich jüngeren Arbeiters. Darüber hinaus ragen sowohl der Kopf des Handwerkers als auch zu einem geringeren Teil der der Frau in die rote Fläche hinein, die das obere Drittel des Plakats bedeckt; die übrigen drei Figuren bleiben von diesem Zusammenspiel ausgeklammert, sie sind lediglich mit einem weißen Hintergrund versehen. Die Aussparung, die die rote Ebene somit zum linken Plakatrand hin verkleinert, soll jedoch nicht überinterpretiert werden.

Der rote Balken trägt in weißen Buchstaben den Wahlaufruf „Volksgenossen wählt Sozialdemokraten". Diese Anrede verstärkt das Zusammengehörigkeitsgefühl und bindet die verschiedenen Personen mit ihren unterschiedlichen Tätigkeitsfeldern enger aneinander. Zudem schafft die Verwendung größerer und breiterer Buchstaben für die Worte "Volksgenossen" und "Sozialdemokraten" für den Betrachter eine Einheit, deren werbepsychologischer Wirkung er sich nicht entziehen kann. Der Arbeiter wird in diesem Plakatbeispiel als "Bürger unter Bürgern" verstanden. Er tritt gleichberechtigt mit den Vertretern der bürgerlichen Klasse auf, Dennoch sind in der Darstellung die einzelnen Standes- bzw. Klassenvertreter deutlich im Habitus unterschieden: „Kopf- und Handarbeiter tragen die allseits bekannten Merkmale ihrer Tätigkeit. Dies ist allerdings auch bedingt durch Gebote der visuellen Vermittlung einer Aussage: das Klassenbündnis kann nur als als solches erkannt werden, wenn diejenigen, die ein Bündnis eingehen, noch unterscheidende Kennzeichen an sich tragen.““