Sind Juden eine Ethnie?
Neulich habe ich bei einem Video die These aufgeschnappt, dass Juden eine Ethnie seien und dies genetisch nachweisbar wäre. Für mich ist es klarer Nonsense, da sie den Volksbegriff nicht erfüllen, aber was meint ihr? Ich stelle die Frage deshalb, weil obige These von einer Person kam dessen rationale und analytische Betrachtungsweise, aber auch das Einstehen zu umstrittenen Meinungen aus guten Argumentation heraus sehr schätze. Das steht etwas im Widerspruch dazu, auch für ihn als selbst bekennender Jude. ;)
Erklärung: Juden sind wie Christen Glaubensbrüder. Was sie verbindet ist eine religiöse Weltanschauung mit Riten und Traditionen, sowie einem Wertemodell für die Gläubigen aus der Thora, was für uns die Bibel ist. Interessant aus historischer Sicht ist, dass ihr Ursprung u. a. bei den Kasaren zu finden ist, während die Sprache aus dem germanischen Raum kommt, die Geburtsstätte jedoch in Palästina liegt. Damit kam auch die interessante These auf, dass die Palästinenser die eigentlichen Nachfahren der Juden wären, während heutige Juden eher die übernommene Religion der Kasaren weiterleben. Jedenfalls sehe ich aus historischer und gegenwärtiger Sicht keinen wissenschaftlichen Punkt die Juden als Ethnie zu begreifen, höchstens aus ideologisch motivierter. Berichtigt mich mit Begründung, denn ich lerne gerne dazu.
7 Antworten
Rechtlich dürften sie als Ethnie durchgehen. Darüber hinaus hat sich die Sache seit der Gründung Israels natürlich gewandelt, seither ist das Judendasein ein Begriff, der schon auch mit den entsprechenden Eigenschaften einer Ethnie in Verbindung zu bringen ist.
Dennoch ist für mich eine Religion keine Rasse (wobei Ethnie natürlich ein reiner Ablösungsbegriff ist).
Das Judentum ist beides, auf der einen Seite die Religion und auf der anderen Seite die Volksgemeinschaft. Es gibt (viele) Juden die nur zu einer der beiden Gruppen gehören.
Judentum ist einfach keine Religion, die danach strebt, universell zu werden. Es ist kein Ziel im Judentum, dass alle Menschen jüdisch werden (im Gegensatz zum Christentum oder Islam). Vielmehr ist das jüdische Volk ein Volk aus dem Nahen Osten (Israel), das ab der Römerzeit ins Exil gegangen ist und seither (bis 1948, als Israel gegründet wurde) keine Autonomie mehr im eigenen Staat hatte.
Daher ist es schon richtig, dass die Juden sich als ein Volk, als eine Nation verstehen.
Allerdings ist es auch möglich, zum Judentum zu konvertieren, daher weiss ich nicht, ob man von einer "Ethnie" sprechen kann...
Der Vergleich mit dem Christentum ist nicht ganz passend, denn das Christentum ist eine missionierende Religion - jeder kann Christ werden, wenn er das möchte. Zwar gibt es auch im Judentum Konvertiten (also Menschen, die trotz anderer Abstammung Juden geworden sind), diese sind jedoch zahlenmäßig eher gering vertreten. Traditionell wurde man durch familiäre Abstammung Jude (in orthodoxer Sicht über die Mutter).
Insofern erfüllt das Judentum zwar nicht ganz, aber doch zu einem gewissen Anteil den "Volksbegriff". Natürlich haben auch schon früher andere Menschen "eingeheiratet", so dass man dies nicht ganz streng auslegen darf. Tendenziell richtig ist es dennoch.
"Interessant aus historischer Sicht ist, dass ihr Ursprung u. a. bei den Kasaren zu finden ist, während die Sprache aus dem germanischen Raum kommt, die Geburtsstätte jedoch in Palästina liegt."
Bei den Chasaren handelt es sich um ein Turkvolk, in Osteuropa (wo es auch viele Juden gibt, Aschkenasim) gab es chasarischen Einfluss. Aber in Bezug auf die Juden gilt: Die Chasarentheorie gilt in der Geschichtswissenschaft als äußerst fragwürdig.
https://de.wikipedia.org/wiki/Aschkenasim
Was meinst du mit "die Sprache"?
Hebräisch ist sicher keine germanische Sprache. Sondern eine semitische Sprache, welche mit dem Arabischen und Aramäischen verwandt ist. Jiddisch ist die Bezeichnung des deutschen Dialekts (welcher vom Hebräischen mitgeprägt wurde), welchen Juden in Deutschland (und heute auch orthodoxe Juden in den USA und Israel) benutzten/benutzen. Das sind zwei verschiedene Sprachen.
Jiddisch entwickelte sich erst in der Diaspora. Die Sprache der Tora ist natürlich Hebräisch. Zudem sprechen viele Juden in den USA Englisch, in Russland Russisch usw.
Ethnie oder ethnische Gruppe (von altgriechisch ἔθνος éthnos „[fremdes] Volk, Volkszugehörige“) ist ein in den Sozialwissenschaften (insbesondere der Ethnologie) verwendeter Begriff. Er bezeichnet eine abgrenzbare soziale Gruppe, der aufgrund ihres intuitiven Selbstverständnisses und Gemeinschaftsgefühls eine Gruppenidentität als Volksgruppe zuerkannt wird. Grundlage dieser Ethnizität können gemeinsame Eigenbezeichnung, Sprache, Abstammung, Wirtschaftsordnung, Geschichte, Kultur, Religion oder Verbindung zu einem bestimmten Gebiet sein.[1][2]
Ethno-religöse Gruppe wäre auch zutreffend, aber ist recht allgemeinfassend.
In der Soziologie wird diese Definition weiter präzisiert: Es ist entscheidend, dass sich der Einzelne – unabhängig von seinem persönlichen Glauben – insbesondere Symbolen, Objekten und gemeinsamen Handlungen der traditionellen Religionsgemeinschaft verpflichtet fühlt, um seine Zugehörigkeit zur Ethnie zum Ausdruck zu bringen. Dieses Verhalten dient dem Erhalt der ethnischen Identität sowie der Abgrenzung von anderen Gemeinschaften.[2]
*Quelle Wikipedia
Es stellt sich also die Frage ob ein Kind einer jüdischen Familie, ohne Einfluss der Eltern eher einen Bezug zum jüdischen Glauben findet als zu anderen Glaubensrichtungen, sobald er auf diese trifft. Wäre sicherlich eine interessante Studie.
Ohne Studien kannst du dies nicht beweisen.
Tatsächlich muss man aus modernen sozial- und religionswissenschaftlicher Sicht die jüdische Religion und die Volksgruppe (oder Ethnie) der Juden unterscheiden. Der Geburt nach (also ethnischer Jude) ist nur wer auch eine Mutter hat, die (ethnische) Jüdin ist. Das ist die Sicht der orthodoxen, konservativen Juden. Diese bilden damit nicht nur eine Religionsgemeinschaft sondern wirklich eine Volksgruppe, eine Ethnie.
Die andere Sicht, die offener und progressiver ist, erkennt jeden, der sich dafür entscheidet den religiösen (und damit auch teilweise kulturellen) Regeln und Traditionen des Judentums zu folgen, als Juden an. Auch die Regeln für die offizielle Anerkennung als Jude in Israel wurden von dieser Debatte geprägt und dadurch geformt.
Umgekehrt gibt es im modernen Israel auch sehr viele Juden, die sich zwar als Teil der Volksgemeinschaft sehen, aber eben nicht religiös sind. Diese haben sogar gerichtlich durchgesetzt, dass in ihrem Pass "nicht religiös" stehen darf. Trotzdem gehören sie zur jüdischen Volksgemeinschaft.
Nicht jeder Israeli ist Jude, egal wie man den Begriff religiös auffasst. Deswegen steht im israelischen Ausweis was für eine Religion der Person hat.
"Trotzdem gehören sie zur jüdischen Volksgemeinschaft."
Wobei sich die Frage stellt, ob in diesem Falle die Bezeichnung "Israeli" nicht passender wäre.
Nicht jeder Deutsche ist Christ.
Insofern könnte man ja auch sagen:
Nicht jeder Israeli ist Jude (wenn man den Begriff religiös auffasst).
Es stehen ja genügend Begriffe zur Verfügung, z.B. Israeli (Staatsangehörigkeit), Hebräer (ethnische Zugehörigkeit). Man spricht ja auch von der hebräischen Sprache (nicht von der jüdischen Sprache).
Mir leuchtet schon ein, dass ein Begriff (Jude) für zwei verschiedene Bedeutungsinhalte (Religion, ethnische Zugehörigkeit auch eines Nicht-Religiösen) etwas verwirrend sein kann (für Außenstehende).