Um was geht es bei den "Meditationen über die erste Philosophie" von Descartes?

1 Antwort

descartes meditationen (nach wikipedia-artikel in meinen worten):

1. descartes zweifelt, ob wir die wirklichkeit wirklich erkennen können. denn unsere sinne täuschen uns ständig: wir sehen zwar die sonne auf- und untergehen und von osten nach westen wandern, aber in wirklichkeit wandert sie nicht in diese richtung, sondern die erde dreht sich nach osten um sich selbst.

auch die theoretischen erkenntnisse der wissenschaften sind in wirklichkeit nur konzepte, also reine anschauungssache. sie sagen nur etwas über unser weltbild aus, aber nichts darüber, ob unser weltbild der wahrheit entspricht. könnte ja sein, dass uns ein teufel (daemon) zwickt und uns an der nase herumführt und unseren geist verwirrt.

2. trotz all dieser zweifel erkennt er die tatsache, dass er existiert, als unumstößliche wirklichkeit an, denn solange er denken und zweifeln kann, muss er ja schließlich auch existieren, wer sonst könnte sonst denken? daher descartes berühmtester ausspruch: „Ich denke, also bin ich.“ siehe "Cogito_ergo_sum"

3. da er also zweifellos wirklich existiert – wenn auch als unvollkommener mensch voller fehler – und außerdem in sich die gottesvorstellung als vollkommenes wesen erfährt, folgert er, dass diese vorstellung gar nicht von ihm selber stammen könnte, denn wie soll sich ein unvollkommenes wesen etwas vollkommenes vorstellen können? (mein kommentar: warum nicht? je tiefer wir im elend stecken, desto stärker werden unsere wunschträume von einem idealen und vollkommenen leben.) und diesem vollkommenen wesen traut er nicht zu, dass es ihn täuschen könnte, denn täuschung wäre ja unvollkommenheit. (mein kommentar: dem werden alle profi-zauberkünstler sicher heftig widersprechen, denn je vollkommener der zauberkünstler täuschen kann, desto perfekter wirkt seine illusion. siehe dazu den Begriff „Maya“ aus der indischen Philosophie).

4. da sich der mensch aber zweifellos immer wieder irrt, kann das nur an seiner unvollkommenheit liegen und ist sicher nicht von gott beabsichtigt. (mein kommentar: da kennt er den alten gauner aber schlecht: wenn gott wirklich vollkommen ist, dann kann ihm doch der schalk und der schabernack und die absichtliche irreführung nicht ganz fremd sein. vom wem sonst hat der mensch diese lust an der täuschungskunst geerbt?)

5.+6. (wie bereits in klammern angedeutet, kann ich den schlussfolgerungen descartes nur sehr bedingt zustimmen. und diese führen ihn in den letzten beiden meditation zu weiteren annahmen, die aber vor allem durch die moderne quantenmechanik als ziemlich überholt gelten. das quantenmechanische weltbild der heutigen physik unterscheidet sich sehr deutlich vom sogenannten „klassischen“ weltbild descartes. deswegen lohnt es sich meiner meinung nach nicht, seine gedankengänge im einzelnen weiter nachzuvollziehen. ich muss aber gestehen, dass ich mich hier nur auf die kurzen ausführungen beziehe, die in den von dir erwähnten wikipedia-abschnitten beschrieben werden. den original-descartes habe ich nicht gelesen. ich befasse mich lieber mit den vedischen Systemen der Wissensgewinnung wie https://de.wikipedia.org/wiki/Nyaya#Wissen und vor allem natürlich mit der Praxis, die zur verfeinerung und schärfung unserer sinne und unseres verstandes führt und nur dadurch zur letzten erkenntnis der wirklichkeit führen kann: mit Yoga und Meditation.

zum schluss meine persönliche meinung über wissenschaft (aus meiner gedichtsammlung "Der Kreis der Augenblicke):

Wissenschaft ist Stufenwissen,

das wir wi(e)der-rufen müssen,

schreiten wir die Leiter heiter weiter.

Gehen wir die Wendeltreppe

drehend bis zum letzten Stück,

sehen wir am Ende Ebbe:

alles Wissen ebbt zurück.

Auf der höchsten Ebene

fällt die Leiter um.

Wir sind der Ergebene,

herrlich depp und dumm.

Woher ich das weiß:Berufserfahrung – Meditationslehrer seit 1972
Jesser 
Fragesteller
 20.04.2016, 20:51

Danke vielmals für die Mühe!!! :) Ganz toll! 

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