Lost in Translation - Fernbeziehung nach Tokyo - Quo Vadis?

2 Antworten

Große Zukunftspläne, die in radebrechenden Fremdsprachenkenntnissen und mit Übersetzungsapps besprochen werden, das wäre für mich jedenfalls kein Fundament für eine Lebenspartnerschaft. In allen internationalen Ehen in meinem Bekanntenkreis, die ich als funktionierend bezeichnen würde, spricht mindestens einer von den beiden die Muttersprache des anderen auf C1-Niveau. Die Sprachkenntnisse sind nur die Mindestanforderung und selbst damit haben binationale Paare noch viele Herausforderungen, aber

Schweigen oft eher bei Bestätigung des Status Quo

halte ich für eine gefährliche Annahme, oder Illusion. Ich weiß ja nicht, ob die Dame geschieden oder verwitwet ist oder das Kind aus wilder Ehe stammt, aber in allen Fällen gibt es ganz sicher eine Menge, was sie denkt und fühlt und erlebt hat, was auch für eine Beziehung zu ihr wichtig zu wissen wäre (umgekehrt natürlich auch). Aus Gründen der Sprach- und Kulturbarriere und der räumlichen Trennung einfach davon auszugehen, dass sie irgendwas bestimmt so oder so meint, das ist schon ignorant, aber das auch noch zu tun, wenn sie etwas nicht sagt, ist ja noch schlimmer. Selbst Ehen, in denen beide Partner denselben Hintergrund haben, gehen an schlechter Kommunikation kaputt. Sogar Freundschaften gehen zugrunde, weil sich irgendwann herausstellt, dass einer alles doch anders wahrnimmt, als der andere dachte, dass er es tut.

Und auch wenn ich erstmal davon ausgehe, dass sie wirklich einen Lebenspartner will: es gibt übrigens auch in Japan Heiratsschwindlerinnen und Frauen, die Männern nur viel Geld abnehmen. Schweigen, untypisches Verhalten, starkes Anbändeln, ein angenommener Heiratsantrag nach 4 x 4 zusammen verbrachten Tagen,… Du schreibst das alles halt so, als wäre das auf jeden Fall etwas ganz Tolles und Niedliches, und für einen Außenstehenden liest sich das eben eher wie ein paar red flags, die man zumindest mal überprüfen sollte.

Jedenfalls, was deine eigentliche Frage betrifft, ich sehe nicht, wie eine Fernbeziehung so intensiv sein können sollte wie physisches Zusammenleben. Natürlich ist die Kommunikation über Apps weniger intensiv als wenn man der Person gegenüber steht. Das ist für mich eine so logische und selbstverständliche und global gültige Aussage, dass ich nicht weiß, was ich dazu noch weiter ausführen soll.

Also ich lese aus deinem Fragetext vor allem sehr viel Verliebtheit und an zweiter Stelle viel Japan-Fanboy-Cringe. Mein allgemeiner Rat wäre… naja, ein Reality Check. Aber das hier ist so eine von diesen Fragen, wenn man auf die mit Mahnung zur Vorsicht antwortet, kommt mit 75%iger Wahrscheinlichkeit ein pikierter Kommentar à la „Nein Nein Nein, das hast du alles ganz falsch verstanden und das stimmt überhaupt nicht und was weißt du schon?“.

Woher ich das weiß:Berufserfahrung – Lebe und arbeite seit 2017 in Japan

Hallo warai87 ,

zunächst einmal vielen Dank für deine ausführliche Antwort und die Zeit, die du dir genommen hast, um deine Gedanken so detailliert zu formulieren. Ich weiß es zu schätzen, wenn jemand mit Erfahrung in Japan seine Perspektive teilt – auch wenn wir in manchen Punkten unterschiedliche Auffassungen haben.

Du hast vorab angemerkt, dass es sich um eine dieser Fragen handelt, bei denen die Antwort oft mit einem „Nein, nein, nein, das hast du alles falsch verstanden“ quittiert wird. Ich kann verstehen, dass du Skepsis gegenüber solchen Themen hast und auch, dass du versuchst, eine Art Reality Check anzubieten. Gleichzeitig möchte ich betonen, dass mein Anliegen hier nicht ist, Kritik abzublocken oder mir nur eine Bestätigung abzuholen. Ich reflektiere meine Situation durchaus und nehme Einwände ernst. Dennoch gibt es einige Punkte, die ich aus meiner Perspektive gerne klarstellen oder hinterfragen würde.

Ich bin seit 2014 sowohl beruflich als auch privat regelmäßig in Japan unterwegs, und durch meine Zeit dort habe ich bereits einige Erfahrungen mit den kulturellen Unterschieden und Gepflogenheiten gemacht. Deshalb weiß ich auch, dass viele Dinge, die aus westlicher Sicht „rote Flaggen“ sein könnten, in einem japanischen Kontext oft anders zu bewerten sind.

Hier sind einige Punkte, zu denen ich gerne meine Sichtweise ergänzen würde:

1. Sprachbarriere als Fundament für eine ernsthafte Beziehung

Ich stimme dir vollkommen zu, dass eine ernsthafte Partnerschaft ohne eine solide gemeinsame Sprache eine große Herausforderung darstellt. In vielen Fällen ist dies sicherlich ein Grund, warum binationale Beziehungen scheitern.

Mir ist bewusst, dass wir aktuell auf Übersetzungs-Apps angewiesen sind und dass das kein Ersatz für eine echte Sprachkompetenz ist. Deshalb arbeite ich aktiv daran, mein Japanisch zu verbessern – unter anderem mit einer Sprachlehrerin. Hana hat ihrerseits den Wunsch geäußert, ihr Englisch weiter zu verbessern. Ich sehe es als ein gemeinsames Ziel, das wir langfristig angehen.

Klar ist aber auch: Ohne ein gutes Sprachniveau (mindestens C1) wird es schwierig, ein echtes gemeinsames Leben aufzubauen. Da hast du völlig recht, und genau deshalb liegt mein Fokus derzeit darauf, meine Sprachkenntnisse deutlich auszubauen.

2. Ist finanzielle Ausnutzung ein mögliches Motiv?

Das ist eine absolut berechtigte Frage, und ich verstehe, warum man dies kritisch hinterfragen sollte. Ich kann dazu nur aus meiner eigenen Erfahrung sprechen: Hana hat mich zu keinem Zeitpunkt um Geld gebeten oder auch nur angedeutet, dass sie finanzielle Unterstützung von mir erwartet.

Tatsächlich gab es eine Situation, in der ich in einer unerwarteten Notsituation (eine teure Krankenhausrechnung) meine Hilfe angeboten habe. Ihre Reaktion darauf war fast beleidigt – sie lehnte meine Unterstützung entschieden mit dem Hinweis ab, dass sie unabhängig sein möchte und ihre Angelegenheiten selbst regelt.

Für mich war dies ein klarer Indikator, dass sie keinerlei finanzielle Absichten verfolgt. Ich weiß, dass es in Japan Frauen gibt, die gezielt westliche Partner suchen, um sich finanziell abzusichern – aber in unserem Fall sehe ich dafür keine Anzeichen.

3. „Japan-Fanboy-Cringe“ und die Wahrnehmung meiner Beziehung

Du hast angemerkt, dass mein Beitrag nach „Japan-Fanboy-Cringe“ klingt. Ich nehme das nicht persönlich, aber ich finde es schade, dass du meine Begeisterung für eine funktionierende Beziehung mit einer Japanerin so abwertend darstellst.

Nur weil jemand sich für eine fremde Kultur interessiert oder sich mit ihr auseinandersetzt, heißt das nicht, dass er alles verklärt oder blind idealisiert. Ich bin mir bewusst, dass Japan nicht perfekt ist und dass binationalen Beziehungen oft viele Herausforderungen begegnen – die kulturellen Unterschiede sind mir bekannt. Aber ich halte es für unfair, diese Beziehung einfach als naive Schwärmerei oder übertriebene Verliebtheit abzutun.

4. Japanische Kommunikationsmuster und Fernbeziehung

Du sagst, dass Fernbeziehungen grundsätzlich nicht so intensiv sein können wie physisches Zusammenleben – da stimme ich dir zu. Allerdings scheint mir deine Einschätzung, dass Schweigen nicht als Bestätigung des Status quo gewertet werden sollte, aus einer westlichen Perspektive getroffen zu sein.

Was mich ein wenig überrascht, ist deine scheinbare Skepsis gegenüber der Tatsache, dass japanische Paare in Fernbeziehungen oft weniger schriftlich kommunizieren. Gerade, weil du selbst lange in Japan lebst, hätte ich erwartet, dass du dieses Muster kennst. Natürlich kann man nicht jede Beziehung über einen Kamm scheren, aber es ist nun mal ein Fakt, dass in Japan schriftliche Kommunikation häufig zurückhaltender ist als in westlichen Ländern – insbesondere in stressigen oder herausfordernden Phasen.

5. Ist das wirklich ein typisches Betrugsmuster?

Du hast einige Punkte in den Raum gestellt – starkes Anbändeln, Schweigen oder eine übereilte Annahme eines Heiratsantrags –, die aus deiner Sicht auf ein betrügerisches Muster hindeuten könnten.

Dazu möchte ich Folgendes sagen: Hana hat niemals über eine Ehe oder gar eine schnelle Hochzeit gesprochen. Das Thema Zukunftspläne dreht sich bei uns eher um die Frage, ob wir aus einer Fernbeziehung langfristig eine Beziehung vor Ort machen könnten – aber das völlig ohne Zeitdruck oder Erwartungen. Sie hat weder einen „Schritt-für-Schritt“-Plan entwickelt, noch hat sie mich zu einer schnellen Entscheidung gedrängt.

Nach meiner persönlichen Einschätzung sehe ich keinerlei Anzeichen für ein betrügerisches Verhalten oder eine unaufrichtige Absicht. Es gibt keine finanziellen Forderungen, keine unnatürlichen Dringlichkeiten und keinen Druck auf mich, bestimmte Verpflichtungen einzugehen. Nach ein paar Treffen über eine Ehe nachzudenken, wäre für mich ohnehin absurd – und das gilt genauso für Hana.

Fazit

Ich verstehe deine Bedenken und teile einige deiner grundsätzlichen Einschätzungen zur Herausforderung einer binationalen Fernbeziehung. Allerdings sehe ich in meiner eigenen Erfahrung einige Unterschiede zu den Mustern, die du als Warnsignale beschreibst.

Ich danke dir für deine kritischen Anmerkungen und hoffe, dass meine Antwort dir eine bessere Perspektive auf meine Situation gibt.

Liebe Grüße

Woher ich das weiß:eigene Erfahrung