Locarno Vertrag Stellungnahmen

1 Antwort

Vom Fragesteller als hilfreich ausgezeichnet

In der Fragebeschreibung deutet eine Stelle darauf hin, etwas falsch verstanden zu haben (außer wenn die Geschichtslehrerin Unfug erzählt hat, was in einem so eindeutigen Fall seltsam wäre).

Die Aussage, sowohl Otto Wels (SPD) als auch Kuno Graf von Westarp (DNVP) hätten gegen ein erneutes Anerkennen des Vertrages von Locarno Stellung genommen, ist sachlich falsch.

Die DNVP hat den Vertrag abgelehnt, die SPD dagegen zugestimmt.

Die Verträge von Locarno wurden auf der internationalen Konferenz über europäische Sicherheitsfragen in Locarno (Schweiz) vom 5. – 16. Oktober 1925 ausgehandelt. Reichskanzler Hans Luther (parteilos; der DVP nahestehend) und Außenminister Gustav Stresemann (DVP) waren dabei anwesend.

Die deutsche Reichsregierung hat Gesetze in den Reichstag eingebracht, die Verträge von Locarno zu ratifizieren (rechtskräftig) zu bestätigen und der Reichsregierung zu einem zukünftigen Eintritt in den Völkerbund die Ermächtigung zu erteilen.

Otto Wels war damals Reichstagsabgeordneter und gemeinsam mit Hermann Müller Parteivorsitzender der SPD, Kuno Graf von Westarp Reichstagsabgeordneter und Vorsitzender der DNVP-Reichstagsfraktion.

Im Reichstag gab es vom 23. – 27. Oktober 1925 Debatten und Abstimmungen über die Gesetze. In der Fragebeschreibung ist nicht erwähnt, von wann die Stellungnahmen sind aber ein Zusammenhang mit der Diskussion im Reichstag ist wahrscheinlich. Das Kabinett des Reichskanzlers Hans Luther wurde von DVP, Zentrum, BVP und DNVP getragen. Die DDP war insofern personell vertreten, als der Reichwehrminister Otto Geßler (damals noch Mitglied der DDP) im Amt blieb.

Die Deutschnationale Partei (DNVP) war gegen die Ergebnisse der Verhandlungen. Sie zog sich aus der Reichsregierung zurück, ihre Minister (Reichsinnenminister Martin Schiele, Reichsfinanzminister Otto von Schlieben, Reichswirtschaftsminister Albert Neuhaus) traten am 25. Oktober 1925 zurück, unter Druck eines erheblichen Teils der eigenen Partei.

Der Reichstag stimmte am 27. Oktober 1925 den Verträgen von Locarno mit 300 gegen 174 Stimmen zu. Zustimmung kam von DVP, Zentrum, BVP, DDP und SPD.

Die Überlegung in der Fragebeschreibung, die Verträge von Locarno hätten etwas enthalten, das für Deutschland gut sei, ist zutreffend.

Deutschland bekam durch den Vertrag so gut wie keine Nachteile. Otto Wels hat sich für eine Zusammenarbeit auch mit der Sowjetunion und (auf längere Sicht) deren Aufnahme in den Völkerbund ausgesprochen. Dies enthielt aber keinen Grund, die Vertage von Locarno abzulehnen. Auch wenn der Vertrag von Rapallo (1922) bei westlichen Mächten Mißtrauen erweckt hatte, war er kein Hindernis für einen Beitritt Deutschlands zum Völkerbund.

Deutschland war als Folge des Ersten Weltkriegs, vor allem des Versailler Vertrags, Nachteiliges/Ungünstiges widerfahren. Die Verträge von Locarno schufen dies nicht (es war ja schon geschehen), boten vielmehr einige Chancen auf Verbesserungen. Für die deutsche Politik hatte es bei den Verhandlungen einige Erfolge gegeben, auch wenn nicht ein Maximum an Forderungen verwirklicht werden konnte.

Deutschland hat mit den Verträgen von Locarno freiwillig einiges akzeptiert, was vom Versailler Vertrag bestimmt worden war. Dies störte sehr nationalistische Kräfte, wie sie in der DNVP vertreten waren. Hier liegt der wesentliche Grund einer Ablehnung durch die DNVP. Deren Haltung war auch stark weltanschaulich-ideologisch geprägt, zeigte eine Abneigung, sich an den außenpolitischen Realitäten zu orientieren.

Deutschland, Frankreich und Belgien verzichteten auf eine gewaltsame Veränderung ihrer Grenzen. Großbritannien und Italien wurden Garantiemächte für dieses Abkommen.

Deutschland hat mit Frankreich und Belgien einerseits, mit Polen und der Tschechoslowakei andererseits Schiedsverträge abgeschlossen, Streitfragen durch ein Schiedsverfahren vor einer internationalen Kommission zu klären.

Deutschland verzichtete damit auf eine gewaltsame Änderung der im Versailler Vertrag festgelegten Westgrenze und anerkannte die Entmilitarisierung des Rheinlandes. Deutschland hat die bestehenden Grenzen im Westen und damit Gebietsverluste, die aufgrund des Ausgangs des Esten Weltkriege eingetreten waren (Elsaß-Lothringen, Eupen-Malmedy), akzeptiert.

Eine verbindliche Anerkennung der Grenzen im Osten hat die Reichsregierung vermeiden (sie behielt sich einen Änderungsversuch vor). Sie hat aber auf gewaltsame Änderungsversuche verzichtet.

Deutschland wurde eine Mitgliedschaft im Völkerbund und ein ständiger Sitz im Völkerbundsrat zugesagt.

Die Parteien, die den Verträgen von Locarno zustimmten, traten (wie fast alle deutschen Parteien) für eine Revision des Versailler Vertrags ein, aber auf dem Weg einer Verständigung mit anderen Staaten.

Albrecht  26.06.2014, 07:02

Die Verträge von Locarno enthielten keine allgemeine Abrüstung (Deutschland waren durch den Versailler Vertrag weitgehende Rüstungsbeschränkungen auferlegt) und keine Lösung des Problems der Reparationen.

Eine Bereitschaft zur Zusammenarbeit bei dem eingeschlagenen Weg der Politik bot aber eher günstige Voraussetzungen, bei weiteren Problemen Annäherungen und Einigungen zu erreichen.

eine ausführliche Darstellung zu deutschen Außenpoitik bei den Verträgen von Locarno:

Peter Krüger, Die Außenpolitik der Republik von Weimar. 2., unveränderte Auflage. Darmstadt : Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1993, S. 269 - 300

2