Längere Kapitel schreiben im Buch?
Hey ich schreibe zurzeit an einem Romance Buch und wollte fragen wie ich die geschichte mehr ausfüllen kann. Also ich bin gerade bei seite 35 und bei Kapitel 6 und ich finde das get alles vel zu schnell... Schreibt gerne eure Tipps :)
Danke im Voraus
6 Antworten
Mehr Beschreibungen - von Charakteren, von Landschaften, von Gebäuden ... mehr innere Dialoge der Hauptfigur(en), ausgefeiltere Dialoge zwischen den Protagonisten, mehr Hintergrundinfo zur Welt/Zeit, in der die Geschichte spielt ... es gibt viele Möglichkeiten, um einer Geschichte "mehr Fleisch" auf die "Knochen" zu geben.
Bei einer solchen Frage wäre es sehr hilfreich, wenn du uns alles oder wenigstens eine Leseprobe zur Verfügung stellen würdest. So können wir dir natürlich nicht sagen, ob und wenn ja was du falsch machst. Folgende Dinge würde ich dir allerdings allgemein mit auf den Weg geben:
Erstmal sind Seitenzahlen eine nutzlose Angabe. Je nach Schriftgröße, Zeilenabstand und Formatierung sind fünf Seiten pro Kapitel sehr unterschiedlich lang. Word lässt einen zum Beispiel standardmäßig auf DIN A4 schreiben, was deutlich größer ist als eine Buchseite. Dann kommt noch dazu, dass die Kapitellänge eh variiert, je nach Schreibstil und wie viel Inhalt man in ein Kapitel packt. Dass du "nur" ungefähr sechs Seiten pro Kapitel hast, ist daher nicht automatisch ein Zeichen, dass alles viel zu schnell passiert.
Ansonsten wirkt deine Frage so, als wärst du noch ein Anfänger und hättest noch keine oder wenig Ahnung vom Handwerk schreiben. Dadurch haben sich allerdings wahrscheinlich typische Anfängerfehler eingeschlichen.
Dazu gehört zum einen der schlechte Schreibstil, der meistens aus sehr viel Handlung und wenig aus Beschreibungen von zum Beispiel der Umgebung oder von Gefühlen besteht. Wenn man sich verbessert, ändert sich das, weshalb man dann für die gleiche Handlung plötzlich deutlich mehr Platz braucht und alles etwas "langsamer" vorangeht. Den Schreibstil verbessert man allerdings nicht von heute auf morgen. Mir hat es geholfen, mir immer nur ein Element herauszupicken und dieses zu üben, bis ich es automatisch deutlich besser gemacht habe.
Ein weiteres Problem bei Anfängern ist, dass sie noch nicht wirklich wissen, wie man eine gute Geschichte aufbaut. Sie haben noch kein Gefühl dafür, welche Szene gerade die Handlung voranbringt und welche nicht. Sie haben auch noch kein Gefühl, wann mal eine Atempause notwendig ist, und neigen daher von Höhepunkt zu Höhepunkt zu springen.
Ein weiterer Punkt, der dazu führen könnte, dass deine Geschichte schnell erzählt ist, könnte sein, dass sie einfach nicht für einen Roman, sondern nur für eine Kurzgeschichte oder Novelle ausreicht. Das wäre auch vollkommen in Ordnung. Wenn du unbedingt einen Roman schreiben willst, merke dir allerdings folgendes: Bei Romanen wird die Handlung meistens dadurch gestreckt, dass es einen Haupt- und Nebenkonflikte gibt und der Protagonist auf dem Weg zum Ziel meistens mehreren Hindernissen begegnet.
Damit beides etwas deutlicher wird, erkläre ich es mal am Beispiel von Harry Potter Band 7: Der Hauptkonflikt besteht aus den Zielen von Harry und Voldemort sich gegenseitig zu vernichten. Harry kann aber nicht einfach zu Voldemort gehen und ihn töten, sondern muss vorher die Horkruxe zerstören. Hier haben wir einmal das Problem, dass es mehrere sind und Harry herausfinden muss, was überhaupt ein Horkrux ist. Dadurch gibt es also automatisch viele Hindernisse, die er auf dem Weg überwinden muss. Die Story wäre viel schneller erzählt, wenn es nur einen Horkrux geben würde und Harry wüsste, wo er ihn findet. Nebenkonflikte sind zum Beispiel die Meinungsverschiedenheiten innerhalb der Gruppe.
Am Ende bringt es aber nichts, deine Geschichte auf Teufel komm raus zu strecken. Neue Hindernisse können auch unpassend oder gekünstelt wirken, Beschreibungen können auch zu lang und ausufernd sein. Daher überlege dir, wo gerade wirklich deine Fehler liegen.
Wie Dakaria bereits sagte, ist die Angabe von Seitenzahlen nutzlos. 6 Seiten können je nach Formatierung 10.000 Wörter oder auch nur 500 Wörter umfassen. Die Anzahl der Wörter wäre da schon aussagekräftiger, aber allein dadurch lässt sich auch nicht ausmachen, wo genau das Problem liegt, bzw. ob es überhaupt eins gibt.
Es gibt Autoren, die sich eher kurzfassen und schneller auf den Punkt kommen als Andere. Das muss nicht zwingend etwas Schlechtes sein. Nicht jeder neigt zu endlos blumigen Umschreibungen und trotzdem kann es spannend und gut geschrieben sein. Oft ist weniger auch mehr.
Des Weiteren hängt es auch von deiner Erfahrung ab wie viel du beschreibst. Anfänger vernachlässigen gern Dinge wie direkte Gedanken, Gefühle, Mimik, Gestik, usw. Es fehlt an Gefühl dafür wann diese Beschreibungen sinnvoll sind und wann nicht. Generell werden die kleineren Schritte gern übersprungen.
Auch, ob man "Show, don't tell" anwendet oder immer nur Behauptungen aufstellt, macht einen Unterschied in der Fülle, aber auch dazu gehört Übung.
Ich nehme mal deinen Textausschnitt aus einem der Kommentare:
Die Sonne schien mir stark ins Gesicht, als ich die Dunkle Werkstatt von John verließ.
Hier hättest du beispielsweise noch näher darauf eingehen können wie deine Figur das Ganze wahrnimmt. Wie steht sie beispielsweise zu dem Wetter?
Als ich aus Johns Werkstatt heraustrat, blendete die Sonne mich so stark, dass ich gequält die Augen zusammenkniff und sie mit der rechten Hand abschirmte. Die Schwüle des Sommers hing schwer in der Luft, ähnlich wie der Gestank von verwesenden Essensresten in den Mülltonnen die Straßen erfüllte. In der Werkstatt war es wenigstens noch angenehm kühl gewesen, doch hier draußen wurde mir abermals schlagartig bewusst wie sehr ich diese Jahreszeit hasste. Es war mir ein Rätsel warum sich alle jedes Jahr auf diese unerträgliche Hitze freuten. Jeder Schritt war anstrengend, man schwitzte bis sämtliche Kleidungsstücke an einem klebten wie Kaugummi und irgendwann im Laufe des Tages stank man genauso schlimm wie fauler Fisch. Die vielen unterschiedlichen Deos und Parfüms, die sich in Bus und Bahn zu einer einzigen, riesigen Duftwolke vermischten, waren da auch nicht viel besser. ...
ich blinzelte und atmete tief durch. Ich hatte das Geld. Der Weg dazu gefiel mir immer noch nicht. Aber ich hatte keine andere Wahl. Mir noch einen Nebenjob zu suchen, kam nicht in Frage, denn mein Terminkalender war sowieso schon voll. Ich fuhr mir mit beiden Händen durchs Haar und stieß einen leisen Fluch aus.
Vermutlich fehlt es hier einfach an Kontext, da es nur ein Textauschnitt ist, aber hier hättest du auch noch ein wenig mehr auf ihre Gefühlswelt eingehen können. Was hat sie getan und wie genau fühlt sie sich damit? Was denkt sie darüber oder auch über sich selbst? Macht sie sich Vorwürfe? Ist sie fein damit? Da geht noch etwas mehr als "Es gefiel mir nicht".
und ihn mit Musik auszublenden. Ich setzte meine Kopfhörer auf und ließ das Lied Stargazing laufen, während ich mich mit meinem Computer unter dem Arm auf den Weg ins CC machte. Ich fande den namen immernoch Komisch aber seit ich mit Aria dort war war ich positiv überrascht von den leckeren Drinks die sie dort anboten. Als ich vor dem cafe stand drückte ich mich gegen die Glastür die daraufhin aufging und mir den zutritt gewährte.
Wie kommt sie dorthin? Ist sie gelaufen? Mit dem Bus gefahren? Hat sie ein Auto? Wie sieht es dort aus? Du musst es mit den Beschreibungen nicht übertrieben, aber hier und da ein Detail wäre hilfreich um beim Leser ein Bild im Kopf zu erzeugen. Wie stellst du dir das Café vor? Befindet es sich mitten an der Hauptstraße oder eher in ruhiger Lage? Gibt es besondere Merkmale wie bodentiefe Fenster oder viele Grünpflanzen/Blumen? Wenn du die Architektur nicht beschreiben kannst/willst, dann fokussiere dich auf den Eindruck der Perspektivfigur. Wirkt das Café auf sie einladend? Findet sie die Farben freundlich oder eher kalt? Wie wirken die Mitarbeiter auf sie? ist es laut oder leise? Wie empfindet sie die Atmosphäre? Würde sie etwas anders machen, wenn sie Mitspracherecht hätte? Riecht es lecker nach Kaffee?
Manchmal hilft es sich daran zu erinnern was man selbst so wahrnimmt, wenn man ein Café betritt.
Das sind jetzt nur ein paar Beispiele, aber versuch jetzt auch nicht auf Krampf alles anders zu machen. Das ist Übungssache und kommt mit der Zeit von ganz allein. Schreib erst mal weiter und wenn du deine Texte überarbeitest, kannst du immernoch auffüllen was dir fehlt.
Künstlich strecken sollte man seine Texte jedenfalls nicht. Es macht keinen Sinn krampfhaft eine gewisse Seiten- oder Wortanzahl erreichen zu wollen. Qualität geht über Quantität.
Und wenn ich dir noch einen kleinen Tipp geben darf: Du beginnst deine Sätze sehr oft mit "Ich". Versuch mal da etwas mehr Abwechslung reinzubringen. Oftmals reicht es schon den Satz ein wenig umzustellen.
Beispiel:
Ich fand den Namen immernoch Komisch, aber...
Den Namen fand ich immernoch komisch, aber...
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Wenn es dir hingegen inhaltlich zu schnell voran geht, bleibt dir nur die Entschleunigung. Figuren brauchen Raum um sich weiterentwickeln zu können. Das gilt natürlich auch für ihre Beziehungen untereinander. Wenn alles zu schnell voran geht, wird es gern mal unglaubwürdig und gerade in Bezug auf romantische Beziehungen, passiert das leider sehr häufig. Bau einfach ein paar mehr Zwischenschritte ein, die diese Entwicklung dann für den Leser nachvollziehbarer und authentischer machen. Leg deinen Figuren auch mal Steine in den Weg, damit sie eben nicht immer jedes Etappenziel sofort erreichen, etc.
Ich rate dir allerdings davon ab dir irgendwelche unwichtigen Nebenhandlungen auszudenken, nur um die Geschichte zu strecken. Damit vergraulst du Leser eher als sie zu halten.
Manchmal reicht der Plot auch einfach nicht für einen ganzen Roman aus, auch das ist nicht schlimm. Schreib einfach, hab Spaß dabei und lerne aus dem Prozess so viel wie du kannst. Beim nächsten Projekt wird dir dann Einiges schon deutlich leichter fallen als es jetzt der Fall ist. :)
Ps.: Lesen hilft sehr gut dabei das eigene Sprachgefühl zu verbessern und zu lernen wie man Dies & Das besser ausdrücken kann.
Liebe Grüße
Du kannst aus der Story immer ausbrechen, in die Vergangenheit, in die Zukunft oder in eine Fantasiewelt, und dann kommst du wieder zurück in die Gegenwart und beziehst dich hier und da auf diese andere Geschichte.
Man kann alles beschreiben, und man kann auch längere Gedanken oder Gespräche/Diskussionen führen. LG Louis