Kann mir einer bei meiner Gedichtinterpretation helfen (Expressionismus)?
Ja ich bin grade dabei eine analyse über dieses Gedicht zu schreiben:
Nacht im Stadtpark
Ein schmales Mädchen ist sehr liebevoll
zu einem Leutnant, der verloren stöhnt.
Ein Korpsstudent mokiert sich, frech, verwöhnt,
und eine schiefe Schne pfe kreischt wie toll.
Ein Refrendar bemüht sich ohne Glück
um eine Kellnerin, die Geld begehrt.
Ein Abgeblitzter macht im Dunkel kehrt,
und eine Nut te schwebt zerzaust zurück.
Zwei Unbestimmte prügeln einen Herrn.
Mit Uniformen zankt ein Zivilist.
Ein Jüngling merkt, dass er betrogen ist
und zwei Verschmolzne haben schnell sich gern.
Ein starker Bolzen und ein Musketier
sind ganz in eine graue Bank verwebt.
Ein Gent an einem Ladenfräulein klebt,
ein greiser Onkel schnuppert geil und stier.
Ein Weib mit bloßem Kopf wird sehr gemein,
ein Louis lauert steif und rührt sich nicht.
Ein Frechdachs leuchtet jeder ins Gesicht,
und ein Kommis umfasst ein weiches Bein.
Es raschelt in den Sträuchern ungewiss
und etwas tappt auf einen steifen Hut.
Die Bäche liegen still wie schwarzes Blut,
und die Bäume fallen aus der Finsternis.
Ein Johlen rollt die Straße hin und stirbt,
ein Wurf ins Wasser, irgendwo, ganz dumpf,
ein Mauerwerk wächst wie ein Riesenrumpf,
ein unbekanntes Tier erwacht und zirpt.
Zwei Männer flüstern einen finstern Plan,
ein welkes Wesen wehrt sich hoffnungslos,
ein Schüler hat ein Bahnerweib im Schoß,
im Teich zieht schwer ein ruheloser Schwan.
Und Sterne stolpern in die tiefe Nacht,
und Obdachlose liegen wie erstarrt,
und bleiern hängt der Mond, und hohl und hart
glotzt breit ein Turm, verstockt und ungeschlacht.
Max Hermann-Neisse
Eigentlich fallen mir solche Analysen nicht schwer, aber ich hake bereits bei dem Punkt, der Deutungshypothese... Meine Vermutung war das Hermann-Neisse mit diesem Gedicht Gesellschaftskritik and der Großstadt äußern möchte und wie durch dieses Stadt Leben und die annonymität, die Menschen anfangen unmoralisch und Lustorientiert zu handeln.
Macht diese Hypothese Sinn? oder passt will er was ganz anderes Aussagen. Ich würde mich sehr über ein paar Denkanstöße freuen.
LG
2 Antworten
Wie gutifragerno schon richtig geschildert hat, ist in der modernen Literaturwissenschaft nicht wichtig, was der Verfasser gedacht haben könnte. In (seriösen) Literaturanalysen daher am besten nie mit „der Verfasser versucht hier XY auszudrücken“ antworten, sondern den Text für sich, unabhängig von seinem Verfasser sprechen lassen! Deine Deutungshypothese kannst du daher verwenden, wenn du sie im Text nachvollziehbar belegst. Den Ausdruck einer Unmoral kann ich hier zugegebenermaßen primär nicht erkennen, aber wenn du belegen kannst wieso du das so siehst? Eher haftet dem Gedicht eine gewisse Trostlosigkeit bei: „Die Bäche liegen still wie schwarzes Blut“, schwarz kreiert oft ein tristes Bild, wie auch grau, daher schafft der Vergleich von Bächen mit etwas Schwarzem ein tristeres Bild, als es ein Vergleich mit etwas „himmelblauen“ täte. Neben der Trostlosigkeit erkenne ich ebenso Kritik an einer Stagnation: Der Bach bspw liegt still und fließt nicht, wie es ein Bach normalerweise täte. Fortschritt fließt, Stagnation steht still. Diese Stagnation oder das triste „vor sich hindümpeln“ als Kritik am Städteleben lässt sich auch an anderen Stellen erkennen: Die Kellnerin trachtet nach Geld, die Tiere machen Geräusche aus der Ferne, die Obdachlosen legen reglos da...alles hat seinen Lauf, nichts bricht mit den Konventionen des Alltags... „ein Mauerwerk wächst wie ein Riesenrumpf“ das Mauerwerk schafft vielleicht eine Veränderung, aber Veränderung schließt die Stagnationsstimmung nicht aus, da Veränderung nicht Fortschritt heißen muss! Das Mauerwerk kann in diesem Fall auch dafür stehen, dass dieser triste Ort von äußeren Eindrücken und Impulsen abgeschirmt wird und das Ergebnis dessen ist, dass alles weiter in seinen tristen, stagnierenden Mustern versinkt. Das wäre mal ein Denkanstoß aus meiner Richtung. Natürlich kannst du das Gedicht auch anders deuten :)
Vielen Dank für deine Hilfe, sie hat mir sehr geholfen.
LG
Bitte von der Intentationalität des Textes, nicht von der Absicht des Dichters ausgehen. Der wollte sich vielleicht nur einen Spaß machen oder musste Geld verdienen ;-)
Hinweise findet man zum Beispiel auf der folgenden Seite:
https://www.schnell-durchblicken2.de/herrmann-nei%C3%9Fe-nacht-im-stadtpark